Das Ehepaar Weiner aus Igensdorf will aus der ehemaligen Zwirnerei Pezold in Marktleugast ein Atelier und einen Treffpunkt für Kunstliebhaber machen.
Wer von
Marktleugast in Richtung Marienweiher unterwegs ist und am Ortsausgang Gas gibt, kann die alte Villa leicht übersehen. Das Grundstück ist verwildert, Lupinen, Brennnesseln und sonstiges Unkraut haben sich wie ein grüner Gürtel um das Anwesen gelegt. Am Ende des etwa 15 000 Quadratmeter großen Areals steht eine marode, teils abgerissene Halle. Es ist die ehemalige Zwirnerei Pezold, die in den 1930er-Jahren erbaut wurde.
Die Industrieruine soll aber in absehbarer Zeit aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden: Der Medizintechnik-Unternehmer Olaf Weiner aus Igensdorf und seine Frau Ulrike Haus-Weiner, die sich neben ihrer Tätigkeit bei einem Pharmakonzern der Malerei verschrieben hat, haben das Areal gekauft.
"Sehr lange gesucht"
"Wir haben sehr lange gesucht", erzählt der 51-Jährige und verrät auch die Vorgaben, die er sich zusammen mit seiner Frau (51) gemacht
hat: Etwa eine Stunde von Igensdorf entfernt, mindestens ein Hektar großes Grundstück, tolle landschaftliche Lage und ein altes Haus, dass man renovieren kann. "Wir haben beide sehr theoretische Berufe, da braucht man am Wochenende eine Beschäftigung, bei der man geerdet ist", sagt Weiner mit einem Schmunzeln.
Seine Frau, die ein Kunstatelier betreibe und Ausstellungen in ganz Deutschland veranstalte, brauche einen großen Raum für Vernissagen, der dann auch anderen Künstlern aus der Region zur Verfügung stehen werde. Mit der Halle der ehemaligen Zwirnerei hat das Ehepaar für diesen Zweck bereits den richtigen Raum gefunden.
Das Pezold'sche Areal ist keinesfalls ein Spekulationsobjekt: "Wir wollen das alles hier nicht aufhübschen, um hinterher den schnellen Profit zu machen, sondern es soll wieder schön aussehen und zur Gegend passen", stellt Weiner klar, der mit seiner Frau in der Marktgemeinde Marktleugast sesshaft
werden will. Das Haus in Igensdorf werden beide vermieten.
Drei bis vier Jahre Arbeit
Für die Bauarbeiten hat der Unternehmer drei bis vier Jahre einkalkuliert. Diese Zeit wird er auch brauchen, denn wie umfangreich das Projekt ist, wird bei einem Rundgang durch die Gebäude und das Grundstück klar. In der Villa will Weiner das Hauptaugenmerk auf die optische Achse des Gebäudes lenken, die um 90 Grad gedreht werden soll. Konkret bedeutet das: Die Hauptblickrichtung ändert sich vom Leugasttal zum Kloster Marienweiher, das der Bauherr "weltklasse" findet. Die bislang recht unansehnliche Südseite der Villa wird deshalb mit großen Glaselementen versehen.
Im ersten Stock sollen Schlafzimmer und Bad getauscht werden. Letzteres, komplett aus massivem Marmor und mit vergoldeten Armaturen versehen, dürfte nach Schätzung Weiners weit über 100 000 Mark gekostet haben.
"Da wurde richtig Geld investiert", so der 51-Jährige, der sich mit der protzigen Sanitäreinrichtung nicht anfreunden kann: "Das kommt raus."
Die Villa ist im sogenannten Heimatstil erbaut. Ein typischer Vertreter war der 1960 verstorbene Architekt Adolf Voll aus Fürstenfeldbruck, dessen charakteristische Gestaltungselemente Erker und Fensterläden waren. "Für die Glasfront in Richtung Marienweiher haben wir bei ihm eine schöne Kopiervorlage gefunden", verrät Weiner, der mit der Ausführung die Ralf Domani GmbH in Eggolsheim beauftragt hat. "Die Firma hat unser Haus gebaut, mir ihr haben wir gute Erfahrungen."
Viel Arbeit wartet auch in dem 40 Meter langen und 8,80 Meter breiten Nebengebäude mit der Halle, um das sich jahrelang niemand gekümmert hat. Weiner: "Deshalb konnte sich im Gebälk der Holzwurm ausbreiten.
Alles ist verseucht, es besteht Einsturzgefahr." Der 51-Jährige lässt deshalb ein ganzes Stockwerk herausnehmen und ein neues Dach aufsetzen. "Das wird dann so aussehen wie ein fränkisches Haus aus den dreißiger Jahren."
Pläne sind schon genehmigt
Dass das Objekt nicht unter Denkmalschutz steht, war übrigens eine weitere Vorgabe. "Aber wir werden so arbeiten, dass auch die Denkmalschützer zufrieden sind", verspricht der Bauherr, der in seiner Freizeit viel selber machen will und dessen Vorhaben inzwischen auch schon genehmigt ist.
Den um 1880 gegründeten landwirtschaftlichen Betrieb hat die Familie Pezold in den 1930er- Jahren aufgegeben und ist dann ins Spinnereigeschäft eingestiegen. Die Zwinerei lieferte in die ganze Welt, alte Rechnungen und Kundenbücher zeugen noch davon.
Als nach knapp 50 Jahren die Geschäfte nicht mehr liefen, wurde das Unternehmen an den ehemaligen Besitzer der Storchenmühle verkauft. Dieser ließ die Fabrik abreißen, die Abbrucharbeiten blieben aber unvollendet. Zeitweise hatte sich ein Baugeschäft eingemietet. Als der letzte Besitzer starb, verwahrloste das Anwesen zusehends. 2015 erwarb es das Ehepaar Weiner bei der Zwangsversteigerung.