Der Postraub von Stadtsteinach im Jahr 1974

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Der Stadtsteinacher Marktplatz in den 1970er Jahren, links das Postamt. Reproduktionen: Siegfried Sesselmann
Der Stadtsteinacher Marktplatz in den 1970er Jahren, links das Postamt.  Reproduktionen: Siegfried Sesselmann
Sigrid Dressel.
Sigrid Dressel.
 

Vor 40 Jahren überfielen zwei Männer Sigrid Dressel an ihrem Schalter. Weit kamen die Verbrecher nicht - wohl auch deshalb, weil sie nicht unbedingt die hellsten Vertreter ihrer kriminellen Zunft waren.

Je hundert Mark Belohnung erhielten am 2. April 1975 vier 15-jährige Stadtsteinacher für Hinweise, die zur Ergreifung der Posträuber geführt hatten. Der Leiter des Postamtes Kulmbach, Oberamtsrat Josef Witzgall (geboren 1923 in Schwand), überreichte im Namen des Präsidenten der Oberpostdirektion Nürnberg die Geldscheine an Albrecht (Ali) Spindler, Günter Nietert, Michael Gremer und Heinz Wolfrum aus Hummendorf.

Fünf Wochen zuvor war in der Tagespresse unter "Posträuber verurteilt" zu lesen, dass ein 21 Jahre alter Bäcker aus Nürnberg zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt wurde. Ein 25 Jahre alter Handelsvertreter, ebenfalls aus Nürnberg, erhielt drei Jahre und einen Monat Freiheitsentzug.

Doch was geschah im August 1974? So ähnlich könnte ein Polizeibericht lauten, der den Überfall in Stadtsteinach darzustellen versucht:

"Mittwoch, 21.
August 1974. Postassistentin Sigrid Dressel (19 Jahre) aus Wartenfels (Tochter des dortigen Posthalters Adolf Dressel) öffnet um 14 Uhr das Postamt am Marktplatz Nummer 16.

Nachdem eine Frau mit Kind und ein älterer Mann den Schalterraum verlassen haben, betritt ein etwa 23-jähriger, etwa 180 Zentimeter großer Mann mit schwarzer Lederjacke und Sonnenbrille den Schalterraum. Dialektfrei fordert er von der Beamtin mit vorgehaltener Pistole unter Schießandrohung 50-Mark-Scheine. Nach etwa zwei Minuten verschwindet er mit einer Beute von etwa 8700 Mark. Sigrid Dressel verständigt umgehend telefonisch den Leiter des Postamtes Alois Günther (geboren 1925 in Marktleugast), der im ersten Stock des Postamtes wohnt. Sofort wird die örtliche Polizei informiert, die binnen kürzester Zeit zur Stelle ist. Doch vom Täter keine Spur."

Doch die Räuber freuten sich zu früh. Denn in den Mittagsstunden war drei jungen Stadtsteinachern ein gelb-schwarzer, etwa 50.000 Mark teurer Maserati-Sportwagen mit Nürnberger Kennzeichen aufgefallen, dessen Fahrer sich mit einem jungen Mann auf einem orange-farbenen Kleinkraftrad mit Forchheimer Nummer unterhielt. Die aufmerksamen Jugendlichen konnten der Polizei später eine genaue Personenbeschreibung liefern.

Um 18.10 Uhr war alles vorbei

Der Radiosender Bayern 3 vermeldete damals im Minutentakt die fieberhafte Suche. Und schon um 18.10 Uhr war die Fahndung von Erfolg gekrönt: In Nürnberg konnten die beiden mutmaßlichen Täter verhaftet werden. Noch in der Nacht wurden die beiden zur Polizeidirektion Bayreuth gebracht und dem Haftrichter vorgeführt.

Dass die beiden Posträuber nicht unbedingt die hellsten Vertreter ihrer kriminellen Zunft waren, bewiesen die weiteren Ermittlungen: Bevor sie das Postamt in Stadtsteinach überfielen, aßen sie gemütlich in der Gaststätte "Zum Weißen Röß´l", gleich um die Ecke neben der Kirche, zu Mittag. Sie wollten im Nebenzimmer ungestört bleiben und bestellten zwei Bier, zwei Himbeergeist und "Deutsches Beefsteak". Gegen 13.30 Uhr verließen sie wieder die Gaststätte. Die Behauptung des Haupttäters, er habe sechs Bier getrunken und im Rausch unüberlegt den Überfall ausgeführt, kann Wirt Heinz Heben tanz widerlegen.

Aber: Die beiden Posträuber mussten sich in Stadtsteinach gut ausgekannt haben. Nach dem Überfall fuhr der Haupttäter mit einem Moped in Richtung Untersteinach über eine rote Ampel in der Kulmbacher Straße. Er bog von der Bundesstraße am Ortsende in die Spitalgasse und sodann in den Gumpersdorfer Weg ein. Über Feldwege gelangte er nach Hummendorf und zur B303, wo auf dem Parkplatz in der Hummendorfer Senke sein Komplize mit dem schweren Maserati auf ihn wartete. Das Fluchtmoped landete an der Böschung zum Bahndamm. Räuber-Pech: Diese Aktion wurde vom jungen Heinz Wolfrum aus Hummendorf beobachtet.

Schon eine Woche vorher im Ort

Doch schon zu Maria Himmelfahrt am 15. August waren die beiden Nürnberger in Stadtsteinach gesichtet worden. Sie bemühten sich um Kontakte zu jungen Frauen und Teenagern und zeigten sich überaus spendabel, um ein hintergründiges Ziel zu erreichen. Es soll zu konkreten Angeboten gekommen sein, um junge Frauen in zweifelhafte Etablissements zu führen.

Nach der Festnahme kam schnell zu Tage, dass es sich bei den Posträubern von Stadtsteinach um Zuhälter aus Nürnberg handelte. Und plötzlich sprudelten Fakten ans Tageslicht, die für Stadtsteinach hochbrisant waren.
Schon in Bayreuth und Kulmbach waren beide in ihrem Metier tätig und warben mit Fotomodellanzeigen Kunden. Sie handelten im Auftrag von Nürnberger Zuhälterkreisen und versuchten, den Liebesmarkt in Oberfranken auszubauen.

Lockversuche für Liebesdienste

So gerieten sie wohl auch nach Stadtsteinach, um dort junge Frauen für Liebesdienste zu gewinnen. Die Werbungen und die Lockversuche waren mit größeren finanziellen Mitteln wie kostspieligen Feten verbunden. Das Kapital sollte wohl mit dem Postraub so nebenbei organisiert werden.

Dass Stadtsteinach kein verschlafenes Nest ist, wo man sich stümperhaft Geld beschaffen kann, mussten die beiden Nürnberger am eigenen Leib spüren. Aufmerksame Jugendliche ermöglichten durch genaue Beobachtungen eine schnelle Inhaftierung von zwei, die auszogen, um mit Stanicher Postgeld ein Mini-Eros-Center zu eröffnen.

Übrigens: Sigrid Dressel, damals 19 Jahre alt, kam mit dem Schrecken davon. Vielleicht haben sie auch noch einige Faschingsfreunde die Erinnerung, als sie einige Monate nach dem Postraub als Sigrid I. mit Georg Reuther als Faschingsprinzenpaar in die Session 1974/75 startete. Sicherlich auch eine Möglichkeit, die Erlebnisse vom 21. August zu vergessen...