Briten übernehmen Kulmbacher Biotechfirma

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Seit 2002 wird in den obersten beiden Stockwerken des Spinnereiturms wissenschaftlich gearbeitet, unter anderem an der Erforschung von Medikamenten gegen Stoffwechsel-, Atemwegs- und Krebserkrankungen. Jetzt hat der britische Biotechkonzern LGC das Kulmbacher Labor Axolabs übernommen. Foto: Stephan Tiroch
Seit 2002 wird in den obersten beiden Stockwerken des Spinnereiturms wissenschaftlich gearbeitet, unter anderem an der Erforschung von Medikamenten gegen Stoffwechsel-, Atemwegs- und Krebserkrankungen. Jetzt hat der britische Biotechkonzern LGC das Kulmbacher Labor Axolabs übernommen. Foto: Stephan Tiroch
Firmengründer und Axolabs-Geschäftsführer Roland Kreutzer äußert sich im Interview mit inFranken.de zur Übernahme durch den britischen Konzern LGC und die Zukunft der Medikamentenforschung im Kulmbacher Spinnereiturm. Foto: Archiv/Stephan Stöckel
Firmengründer und Axolabs-Geschäftsführer Roland Kreutzer äußert sich im Interview mit inFranken.de zur Übernahme durch den britischen Konzern LGC und die Zukunft der Medikamentenforschung im Kulmbacher Spinnereiturm. Foto: Archiv/Stephan Stöckel
 

Statt Brexit: Der Konzern LGC investiert in Kulmbach und steigt bei Axolabs ein. Wie geht's nun weiter mit der Medikamentenforschung im Spinnereiturm?

Seit 2002 wird in den obersten beiden Stockwerken des Spinnereiturms wissenschaftlich gearbeitet, unter anderem an der Erforschung von Medikamenten gegen Stoff wechsel-, Atemwegs- und Krebs- erkrankungen. Jetzt hat der britische Biotechkonzern LGC das Kulmbacher Labor Axolabs übernommen, das eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat.

2002 als Ribopharma AG gegründet, fusionierte man 2003 mit Alnylam Pharmaceuticals, Cambridge (USA). Es entstand das führende Biotechunternehmen auf dem Gebiet der RNA-Interferenz (RNAi). Für diesen Steuerungsmechanismus zur Ausschaltung von Genen interessierte sich 2007 der Pharmakonzern Roche und kaufte die Kulmbacher Firma, die 2009 den Wirtschaftspreis der Stadt bekam. 2011 zogen sich die Schweizer aus der Grundlagenforschung zurück und schlossen den Standort Kulmbach mit 70 Mitarbeitern. Doch das Management gab nicht auf. Man machte als Axolabs weiter und forschten ab sofort im Kundenauftrag. Zur neuen Entwicklung sprachen wir mit Firmengründer und Axolabs-Geschäftsführer Roland Kreutzer.

2011 war für Sie ein furchtbares Jahr. Wie ist es Ihnen gelungen, den Betrieb im Spinnereiturm fortzuführen, nachdem der Pharmakonzern Roche seinen Kulmbacher Standort geschlossen hat?
Roland Kreutzer: Roche hat damals aus Gründen der strategischen Neuausrichtung mehrere Standorte geschlossen, darunter auch den in Kulmbach. Es war die schwerste Handlung in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn, Kündigungen für all die Mitarbeiter aussprechen zu müssen, die über Jahre hinweg das Unternehmen mit aufgebaut hatten. Diese Mitarbeiter besaßen einen riesigen Schatz an Know How, das zum Glück nicht verloren gegangen ist. Wir haben Roche einen neuen Geschäftsplan vorgelegt und konnten uns nach schwierigen Verhandlungen schließlich mit Roche einigen, die komplette Geräteausstattung der Firma im Zuge eines Management Buy-out zu übernehmen. Etwa 20 der vorher entlassenen Mitarbeiter konnten wir kurz danach wieder in die neue Firma Axolabs zurückholen.

Was tun Sie bei Axolabs?
Wir sind spezialisiert auf die Entwicklung von Wirkstoffen auf Basis von DNA oder RNA. Früher haben wir solche Wirkstoffe für Roche entwickelt, jetzt unterstützen wir weltweit über 100 Biotechnologie- und Pharmafirmen bei ihren Medikamentenentwicklungen, darunter übrigens auch wieder Roche. Inzwischen haben wir wieder knapp 60 Mitarbeiter, die in hochmodernen Labors im 5. und 6. Stock des Spinnereiturms dieser Auftragsforschung nachgehen.

Worauf führen Sie den Erfolg der Neugründung zurück?
Unser Forscherteam mit seinem weltweit einzigartigen Know How hat sich in der Vergangenheit international einen hervorragenden Ruf erworben. Viele in diesem Bereich aktive Firmen waren begeistert davon, dass sie nun als Kunden vom Wissen und der Erfahrung der Kulmbacher profitieren konnten. So kamen die ersten Aufträge ganz von selbst, und es wurden immer mehr.

Warum forschen Sie nicht mehr an der Entwicklung von RNA-Interferenz-Therapeutika?
Wir forschen immer noch für viele unserer Kunden an der Entwicklung von RNA-Interferenz-Therapeutika. Darüber hinaus sind aber auch eine Reihe anderer Molekülgruppen dazugekommen, die mit den vorgenannten chemisch verwandt sind und mit denen wir uns auch gut auskennen.

Wieso interessierte sich der britische Biotech-Konzern LGC für das Kulmbacher Labor?
Die Firma LGC ist über 150 Jahre alt und war ursprünglich ein staatseigenes britisches Labor, das sich mit der Analyse von Tabak und Bier beschäftigt hat. Heute ist LGC mit 2600 Mitarbeitern in 22 Ländern unter anderem im Bereich der Medikamentenanalyse tätig und zeichnet sich durch qualitativ hochwertige und spezialisierte Dienstleistungen aus. Diesen Anspruch hat auch Axolabs, und so wurde LGC auf uns aufmerksam. Für uns war es wichtig, sich in Zeiten der drohenden Marktabschottung einiger Länder global aufzustellen und Zugang zu neuen Investitionsmöglichkeiten zu bekommen. Dies ist mit der Übernahme durch LGC gewährleistet.

Was erhofft sich die Briten, was bringt Ihnen die neue Eigentümerstruktur?
Wir entwickeln Wirkstoffe und stellen sie für die Forschung im Kundenauftrag auch selbst her. Allerdings dürfen wir sie nicht für die Prüfung beim Menschen herstellen. Hierfür benötigt man eine streng regulierte Reinstraumanlage, die wir allein nicht finanzieren konnten. LGC investiert gerade in den Bereich therapeutische Wirkstoffe und errichtet an seinem kalifornischen Standort in Petamula eine solche Produktionsanlage, so dass wir künftig unsere Kunden auch mit klinischen Wirkstoffen versorgen können. Ferner können wir unseren Kunden bei LGC in England weitere Analysen anbieten, die wir in Kulmbach nicht durchführen.

Sind die Zeiten in der Biotech-Branche ruhiger geworden? Wagen Sie eine Prognose, wie sich Axolabs weiter entwickeln wird?
In den Technologie-Branchen gibt es keine ruhigen Zeiten. Die Entwicklung geht so schnell, dass man sich immer wieder an neue Rahmenbedingungen anpassen muss. Hier in Kulmbach bleibt das Team beisammen, und auch das Management bleibt unverändert. Weiteres Wachstum und der Ausbau des Standorts sind in diesem und in den nächsten Jahren geplant.