Es mutet an wie die unendliche Geschichte: Der Ausbau des Mainradwegs stockt. Radbegeisterte favorisieren längst die Strecke entlang der alten Bahntrasse.
Ein gelbes Licht, tatsächlich, mitten in der Pampa. Das Vor- respektive Einfahrsignal zur Hauptstrecke nach Wirsberg steht noch immer unter Strom, zumindest zur Hälfte. Das andere "Auge" hingegen blickt schwarz in die Landschaft kurz hinter Schlömen, so tot wie der gesamte Gleiskörper jener Bahnstrecke, auf der letztmals 2006 ein Güterzug rollte.
Vor sechs Jahren begann der Rückbau der Schienen, aber nur zum Teil. Auf einigen hundert Metern liegt der Strang noch auf bemoosten Schwellen. Den Rest verschluckt ein Gewirr aus stacheligen Fußangeln, die sich um Knöchel ranken und Spaziergänger zu Fall bringen.
In diesem Fall sind es zwei Radgeher - oder besser: Radschieber. Fahren lässt sich hier nicht. Noch nicht. Wenn es nach Astrid Pfitzer und Jürgen Tesarczyk von der Kulmbacher Gruppe im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) geht, dann liegt hier unter den Stollenreifen ihrer Gefährte buchstäblich ein Schatz brach. Genau hier nämlich könnte ein Teil des Mainradwegs (Richtung Himmelkron und weiter nach Bad Berneck) vorbeiführen, der als "Bahntrassenradweg" firmiert. Und für dessen Umsetzung die passionierten Radler seit Jahren kämpfen.
Ein Kampf, der bisweilen Don Quijote'sche Züge angenommen hat, sozusagen mit Speichen gegen die Windmühlen der Bürokratie. Dabei versteht Astrid Pfitzer gar nicht, warum es angeblich so viele Hürden geben soll: "Mittlerweile haben viele Städte und Kommunen die Vorzüge erkannt und werben explizit auf touristischen Informationsseiten mit genau solchen Bahntrassenradwegen. Sie sind ein eigenes Wegenetz fernab vom Straßenverkehr, da ja früher im Bahnbetrieb automatisch jede unnötige Kreuzung mit dem Straßenverkehr vermieden wurde." Diese Streckenführung mache die Trasse wertvoll vor allem für Familien mit Kindern, da die Gefahren auf ein Minimum reduziert würden. "Und sie verlaufen auf Dämmen mitten in der Natur - mit tollem Ausblick inklusive."
Sicher vor Hochwasser
Auch wenn der Damm hier, kurz hinter Schlömen, bisweilen nur zu erahnen ist. Wie Störche im Salat staksen die beiden Fahrradbegeisterten über den wuchernden Bewuchs. Immerhin: Hochwasser kommt hier nicht hoch. "Einer der unschätzbaren Vorteile", wirft Jürgen Tesarczyk ein. "Die Mühen, die die Erbauer damals auf sich genommen haben, könnten wir für heute nutzen für eine hochwassersichere Route." Eben jene Gewähr gibt es für den Alternativvorschlag Wiesenweg durch die Felder nicht, gibt Astrid Pfitzer zu bedenken. "Er ist oft nass und überschwemmt. Mit den stellenweise tiefen Pfützen ist er nicht wirklich befahrbar."
Die Gemeindeoberen scheinen dieser Argumentation zu folgen - früher jedenfalls. Neuenmarkts Bürgermeister Siegfried Decker bekundete noch 2013: "Ein Radweg auf der alten Bahnlinie ist unsere Wunschtrasse. Sie kostet weniger als eine Linienführung entlang des Weißen Mains und ist hochwasserfrei." Die Gemeinde Himmelkron stimmte damals zu; sie hatte die Strecke auf ihrem Gebiet auch bereits erworben.
"Seither ist nichts passiert", moniert Astrid Pfitzer. Dabei gebe es Fördertöpfe, aus denen sich die Kommunen für den Wegebau bedienen könnten - sei es vom Amt für ländliche Entwicklung oder sogar von der EU.
Das sah das Staatliche Bauamt offenbar anders. "Die Planung ist noch nicht so weit, dass man über Zuschüsse reden könnte", stellte Leiter Siegfried Beck fest. Und so wurde die ehemalige Bahnlinie wieder verworfen. Eine Lösung zu erzwingen, zum Beispiel über Enteignungen, sei nicht erstrebenswert, hieß es. Siegfried Decker räumt ein: "Leider mussten wir die ursprüngliche Planung, auf der alten Bahntrasse, verwerfen, weil die Kosten für den Grunderwerb viel zu hoch gewesen wären."
Bäumchen-wechsel-dich-Spiel
Astrid Pfitzer und Jürgen Tesarczyk können diesem, wie sie es nennen, Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen nicht folgen. Sie schieben ihre Räder - und Frust über die, wie sie sagen, Unentschlossenheit der Verantwortlichen. "Uns scheint, dass hier urplötzlich andere Interessen im Spiel sind, die alle vorherigen Zusagen aus einem nicht verständlichen Grund ad absurdum führen. Dabei ist alles bereitet", sagt Jürgen Tesarczyk und deutet mit einer ausladenden Handbewegung in Richtung Anhöhe. "Dort hinten liegt das Dampflokmuseum. Es wäre doch eine prima Verbindung von Rad- und Bahnerlebnis, bis zum DDM radeln zu können, oder?"