"Beim Ami" geparkt
DDR-Bürger hätten damals mit Vorliebe an Freitagen nach Feierabend versucht, über den Zaun zu springen. Folglich habe die Bayerische Grenzpolizei an den Wochenende am liebsten "beim Ami" geparkt. Die, die es geschafft hätten, Menschen, die in der DDR nichts zu verlieren hatten oder auch mal frisch Geschiedene, seien immer sehr nervös und verunsichert gewesen, "weil sie nicht wussten, was jetzt mit ihnen passiert".
"Nur einmal kam einer, der behauptete, er sei oben auf einem Lkw einfach über die A9 geflüchtet. Der war gar nicht nervös und prahlte mit seiner Tat." Bei der Übergabe, so Thern, habe er die deutschen gewarnt. "Für mich roch es nach einer Agentenschleusung. Doch das war dann Sache der deutschen Behörden."
"Gott sei Dank ohne Gewalt"
Im Herbst 1989, gerade als er angefangen habe, "in diesem Grenzgeschäft" zurechtzukommen, habe sich die Situation gewaltig geändert, "aber Gott sei Dank ohne Gewalt". Den Auftakt der Wende beschreibt Robert Thern aus der ersten Wahrnehmung der US-Army so: "Die Sommerurlauber aus der DDR durften aus Ungarn in den Westen ausreisen. Züge brachten sie von den Botschaften in Prag und Warschau nicht einfach in den Westen, sondern gleich zu uns nach Hof. Ich fand das aufregend, das US-Militär schien diese Ereignisse aber gar nicht so richtig wahrzunehmen. Für sie waren das nur politische, keine militärischen Bewegungen."
Routine herrschte auch am 9. November an der deutsch-tschechischen Grenze. Thern: "Am Morgen machte ich mit Kollegen des Zollkommissariats Selb eine freundschaftliche Grenzbegehung. Bei einer gemütlichen Brotzeit habe ich gesagt, die Grenze werde nicht länger zu bleiben. Die Zollbeamten konnten sich das aber absolut nicht vorstellen." Doch bereits am Abend habe die "Aktuelle Kamera" der DDR anderes berichtete.
Überfall mit Trabis?
"Jeden Tag habe ich eine Zusammenfassung der DDR-Berichterstattung in englischer Sprache gefertigt und ans Hauptquartier in Nürnberg weitergeleitet", beschreibt Thern eine seiner Aufgaben. "An diesem Abend kündigte Schabowski Reisefreiheit für DDR-Bürger an. Ich hatte alles auf Band aufgenommen und hörte es mir wiederholt an. Es gab keinen Zweifel: Reisefreiheit für DDR-Bürger - ab jetzt."
Das Hauptquartier in Nürnberg habe ihm diese Meldung aber nicht geglaubt. Er habe dann bei der Grenzpolizei in Rudolphstein angerufen, "die jedoch noch keine Reaktion von ihren Vorgesetzten hatten". Gegen 2 Uhr habe dann das Telefon geklingelt: "Herr Thern, die Trabis stehen im Stau auf der Autobahnbrücke über die Saale."
Er habe dann sofort nach Nürnberg gemeldet, dass die Grenze tatsächlich offen sei. "Am nächsten Morgen kam der General aus Stuttgart per Hubschrauber in die Kaserne nach Hof und ich sollte Bericht erstatten. Ich erzählte ihm, was ich erlebt hatte. Er hatte an mich nur eine Frage: ,Ist es möglich, dass die Menschen in diesem Trabiheer keine einfachen DDR-Bürger sind, sondern die Vorhut eines Angriffs?‘ Diese Frage musste ich mir auf der Zunge zergehen lassen: Die DDR überfällt die BRD mit Trabis?"
Zusammen Bier gertrunken
In den nächsten Wochen habe man in der Dienststelle der US- Army eine Notunterkunft für gestrandete Familien eingerichtet. "Wir haben Bier getrunken und miteinander unsere Begeisterung und Verwunderung über die neue Weltordnung geteilt."