Wie ein Mitwitzer Helferkreis Integration ermöglicht

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Redep (14 Jahre, links) und Robert Uka (12) kicken auf der Straße vor dem Haus in Mitwitz, in dem ihre Familie untergekommen ist. Fotos: Steffens
Redep (14 Jahre, links) und Robert Uka (12) kicken auf der Straße vor dem Haus in Mitwitz, in dem ihre Familie untergekommen ist.  Fotos: Steffens
Helfen der Familie, wo sie können: Günther und Eveline Scheler (von links), Bürgermeister Hans-Peter Laschka, Brigitte Bauersachs, Fritz Grüninger, Heike Viehweg und Edith Memmel (rechts).
Helfen der Familie, wo sie können: Günther und Eveline Scheler (von links), Bürgermeister Hans-Peter Laschka, Brigitte Bauersachs, Fritz Grüninger, Heike Viehweg und Edith Memmel (rechts).
 

In Mitwitz im Kreis Kronach leben fünf gestrandete Familien. Einige von ihnen warten seit mehr als einem Jahr auf das Recht zu bleiben oder Abschiebung. Da reicht es nicht, nur ein Dach über dem Kopf zu haben. Es braucht Integration, Rat und Hilfe beim Bewältigen eines neuen Alltags.

Redep lupft den Ball. Umkreist ihn mit dem Fuß. Und balanciert ihn kurz, bevor er seinem Bruder Robert zuspielt. "Ronaldo", so wird Redep Uka von Freunden genannt. Der 14-Jährige Kosovare lebt seit etwas über einem Jahr mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in Mitwitz. Status: Asylbewerber. Dass sie trotz wackeliger Duldung in der Gemeinschaft der Marktgemeinde angekommen sind, haben die Ukas einem wohlorganisierten ehrenamtlichen Helferkreis zu verdanken.

Ein Teil der Helfer hat am Küchentisch der Ukas Platz genommen. Für fünf Familien aus dem Kosovo, Aserbaidschan und Albanien geben zehn Mitwitzer bereitwillig einen Teil ihrer Freizeit. "Als ich gehört habe, dass Flüchtlinge zu uns in den Ort gekommen sind, konnte ich das nicht einfach ignorieren", sagt Brigitte Bauersachs. Die anderen sechs Ehrenamtlichen am Tisch nicken. Darunter auch Bürgermeister Hans-Peter Laschka und die Kreisrätin und ehemalige Landtagsabgeordnete Edith Memmel. Sie war eine derer, die den Grundstein für den Helferkreis legten.

Sonst wären die Familien allein

Mit dem vermehrten Flüchtlingsaufkommen der vergangenen Monate sind hiesige Behörden überfordert. Räume sind knapp, Geld und Personal auch. Auf einen Asyl-Sozialberater (stellt in Kronach die Diakonie), der für Aspekte der Betreuung zuständig ist, kommen 150 Asylbewerber (in Erstauf nahmeeinrichtungen wie Zirndorf ist der Schlüssel eins zu 100). Für die Unterbringung von Flüchtlingen sind die Bezirksregierungen zuständig. Für Integrationsarbeit nicht. Und da drückt der Schuh.

"Übertrieben gesagt würden unsere fünf Familien hier in Mitwitz allein gelassen", sagt Edith Memmel. Das liege nicht daran, dass die Regierung, die Diakonie oder das Landratsamt schlechte Arbeit machten. Sondern daran, dass es zu wenig Personal für zu viele Aufgaben gebe. Arztbesuche, Behördengänge, Einweisung in kulturelle Gepflogenheiten. All das leisten entweder Ehrenamtliche - oder niemand in ausreichendem Maße.

Ein Beispiel: In den Mitwitzer Flüchtlingsfamilien ist ein weit verbreitetes Problem, dass zu viel weißer Zucker konsumiert wird. Das führt zu kaputten Zähnen. Die bedingen Entzündungen und permanente Schmerzen. Das wiederum hat häufige Arztbesuche zur Folge, die die Familien - die kaum deutsch sprechen - nicht allein erledigen können.

Da kommen die ehrenamtlichen Helfer ins Spiel. Mitwitzerin Brigitte Bauersachs hat sogar einen Plan gemacht, auf dem vermerkt ist, welcher Helfer wann welche Familie betreut.

Wenig Hoffnung auf Bleiberecht

Derzeit braucht die Familie Uka viel Unterstützung. Die acht Personen sollen abgeschoben werden, zurück in den Kosovo. Ein Rechtsanwalt aus Schweinfurt hat in ihrem Namen Widerspruch eingelegt. Das Verfahren läuft. "Wenn wir zurück müssen, bekommen wir große Probleme", übersetzt die achtjährige Leonora Worte ihrer Mutter Sahida. Es gehe um Leben und Tod.

Im Allgemeinen dürfen Flüchtlinge aus dem Kosovo allerdings wenig Hoffnung auf Gewährung ihres Asylantrags haben. Selbst wenn sie, wie die Ukas, zur stark diskriminierten Volksgruppe der Roma gehören.
Die Ukas, das gibt Leonora zu verstehen, hoffen sehr darauf, in Mitwitz bleiben zu dürfen. Nicht zuletzt dank des Helferkreises haben sie sich hier eingelebt.

"Sie integrieren sich gut", meint Bürgermeister Hans-Peter Laschka. Auch er gibt einen Teil seiner knappen Freizeit, um den Anfang 2015 gegründeten Kreis mit seinen Kenntnissen zu unterstützen.

Die Anfänge des Helferkreises

Edith Memmel erinnert an die Anfänge zu Beginn des Jahres. Mit Elmar Jonas vom Fachdienst für Migration und Integration der Kronacher Diakonie war sie schon länger in Kontakt. "Er hat mir Probleme geschildert." Im Januar habe er sich gemeldet: Es sei eine neue Familie in Mitwitz angekommen. Darunter eine hochschwangere Frau. Es sei gut, wenn jemand nach ihr schauen könne. "So bin ich hineingeworfen worden in die Thematik", erinnert sich Memmel.

Im Februar organisierte die erfahrene Politikerin ein Treffen in den Räumen der Volkshochschule. Sie lud Menschen ein, die mehr über die Asylbewerber in ihrer Nachbarschaft wissen und helfen wollen. Einer Ankündigung in der Zeitung folgten 50 Leute. "Damit hatte ich nicht gerechnet", meint sie. Mit Elmar Jonas von der Diakonie und Claudia Ringhoff von Kronach Creativ gründete sie im Februar einen Organisationskreis.

Runder Tisch zum Thema Asyl

Schon letztes Jahr im Oktober wurde im Kreistag über die zunehmende Herausforderung durch Flüchtlingsströme debattiert (der FT berichtete). Memmel stellte damals einen Antrag auf einen Runden Tisch im Landkreis mit Bürgermeistern, Sozialamt, Helfern. Im März kam der erste solche Runde Tisch zu Stande. Dabei waren der Landrat sowie die Bürgermeister der acht Gemeinden, die dezentrale Unterkünfte haben, und Kronach mit seiner Sammelunterkunft.

Die Kreisstadt ist gegenüber den anderen Kommunen übrigens etwas besser gestellt: In der Sammelunterkunft gibt es einen Hausmeister. "In den dezentralen Häusern muss das von Freiwilligen übernommen werden", schildert Memmel. Die Vermieter könnten oder wollten in den seltensten Fällen helfen. Das Landratsamt sei wie die Bezirksregierung überlastet.Deshalb brauche es Helfer vor Ort.

In Mitwitz kommen immer mehr dazu. Jede der fünf Flüchtlingsfamilien im Ort - zehn Erwachsene und 14 Kinder - habe "ein bis zwei Ehrenamtliche, die sich kümmern", so Memmel. Behördengänge, Arztbesuche, Einkäufe sind abgedeckt. Jetzt soll das "Angebot" ausgebaut werden. "Ich möchte für uns alltägliche technische Geräte erklären. Zum Beispiel wie eine Waschmaschine bedient wird", sagt Fritz Grüninger, Ingenieur im Ruhestand. Andere können sich vorstellen, Deutsch zu lehren. Die Kinder, die seit einem Jahr die Schule besuchen, beherrschen die Sprache gut, die Älteren jedoch kaum.

In den Alltag einbeziehen

Eine der größten Herausforderungen sei aber, die erwachsenen Asylbewerber zu beschäftigen, die alle nicht arbeiten dürfen, meint Laschka. Es könne nicht genug Ehrenamtliche geben, die sie in das Gemeindeleben einbezögen, ihnen Aufgaben gäben. "Sie wollen immer helfen, aber sie brauchen die Möglichkeit dazu."