Warum die Fracht in Küps plötzlich sprach

3 Min
Wo soll's hingehen? Die Polizei nimmt immer wieder speziell Lastwagen in den Blick, die Schleuser für ihre Zwecke nutzen könnten. Oft sind es aber nicht Kontrollen an Schwerpunkten, wie die Ermittlungsbehörden auf Personen aufmerksam werden, die auf diesem Weg versuchen, illegal einzureisen. Symbolbild: Sven Hoppe/dpa
Wo soll's hingehen? Die Polizei nimmt immer wieder speziell Lastwagen in den Blick, die Schleuser für ihre Zwecke nutzen könnten. Oft sind es aber nicht Kontrollen an Schwerpunkten, wie die Ermittlungsbehörden auf Personen aufmerksam werden, die auf diesem Weg versuchen, illegal einzureisen. Symbolbild: Sven Hoppe/dpa

Am Samstag entdeckte ein Lkw-Fahrer in Küps auf der Ladefläche seines Aufliegers zwei Afghanen, die sich dort zwischen leeren Särgen versteckten. Zwar sind noch immer Fragen offen - inzwischen gibt es aber erste Antworten.

Es klingt wie auf der ersten Seite im Drehbuch eines Sonntagabend-Krimis - hat sich aber so zugetragen: Ausgerechnet leere Särge entlud ein 25-jähriger Lastwagenfahrer am Samstagnachmittag vor einem Bestattungsinstitut im Bereich Oberlangenstadt/Hummenberg (Markt Küps), als er aus dem Inneren des Sattelanhängers Stimmen wahrnahm. Stimmen, wo keine Stimmen sein dürften. Allerdings nicht aus den Särgen, sondern aus den Zwischenräumen.

Zwei junge Afghanen hatten sich im Anhänger versteckt, um offenbar so nach Deutschland einzureisen (wir berichteten). Als der junge Fahrer daraufhin die Polizei informierte, rückte diese in größtmöglicher Stärke an. "Weil man ja auch nie weiß, was einen vor Ort erwartet", erklärt Matthias Stöcker von der zuständigen Polizeiinspektion Kronach. Theoretisch hätte es sich auch einen ganzen Lkw voller Menschen handeln können, gibt er zu bedenken. "Und wenn dann am Ende der eine oder andere geflüchtet wäre, hätten wir ein Problem gehabt!"

Noch viele Fragen offen

;

Das war allerdings nicht der Fall. Kaum hatten die Beamten den Lastwagen umstellt, war schnell klar, dass es sich "nur" um zwei Flüchtlinge handelt. "Wir haben den Lkw-Fahrer und die beiden Flüchtlinge dann mitgenommen und verhört", sagt Stöcker.

Zwei Tage später sind die Ermittlungserfolge noch überschaubar und viele Fragen offen. Erste Antworten gibt es trotzdem. Etwa darauf, ob der Fahrer des Lastwagens beteiligt war und womöglich als Schleuser agierte? "Es hat sich herausgestellt, dass er nichts von der Aktion gewusst hat", teilt Thomas Neumert, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberfranken auf FT-Anfrage mit. "Wir sind ja nicht nur dafür da, die Schuld eines Menschen festzustellen, sondern auch dessen Unschuld", betont er.

Während die Kronacher Inspektion den Sachverhalt wegen des Verdachts der "illegalen Einreise" (siehe Text unter diesem Artikel) aufgenommen hat, liegen die weiteren Ermittlungen bei der Kriminalpolizei Coburg. Diese versucht unter anderem herauszufinden, ob es Hintermänner gibt, die an der Aktion beteiligt waren - was sich noch recht schwierig gestaltet. "Die beiden Afghanen haben sich bisher sehr bedeckt gehalten. Viel konnten sie uns nicht mitteilen", sagt der Pressesprecher.

Was auch an der Sprachbarriere liegen dürfte. Ein Dolmetscher habe aber bislang nicht zur Verfügung gestanden. Derzeit sind die beiden Flüchtlinge in der Aufnahmeeinrichtung in Bamberg untergebracht. Eine Befragung, in der sie auf afghanisch antworten können, soll aber zeitnah stattfinden. "Da wird sich dann hoffentlich auch herausstellen, wo sie eigentlich hin wollten und wie sie auf die Ladefläche kamen", sagt der Pressesprecher.

Auch wenn gegen den Lkw-Fahrer nicht länger ermittelt wird, wird er dennoch weiter befragt. Über ihn erhofft die Coburger Kripo zu erfahren, welche Route der Lastwagen fuhr und welche Halte er eingelegt hat. "Aber es ist ja unklar, ob er das noch so genau weiß", so Neumert. Inwieweit ein Fahrtenschreiber im Lkw darüber Aufschluss geben kann, ist eine andere der vielen noch offenen Fragen.

Verdacht erhärtet sich nicht

;

Eine Tendenz gibt es immerhin beim am Sonntag noch im Raum stehenden Verdacht, der Küpser Fall könne mit einem ähnlichen im Kreis Coburg zu tun haben. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sei davon nämlich nicht auszugehen, teilt Neumert mit.

Die Verbindung lag zunächst nahe, da in Bad Berneck am Freitag drei Jugendliche und zwei Erwachsene auf ganz ähnliche Art versucht hatten, einzureisen - in dem Anhänger eines Lkw. Ein ebenso illegaler wie gefährlicher Versuch. "Die Ladeflächen sind ja nicht beheizt. Und bei den derzeitigen Temperaturen kann das schon lebensgefährlich werden", warnt Michael Berneck, der den Küpser Fall für das Kronacher Präsidium bearbeitet.

Am Straßenrand ausgesetzt

;

Oft kommen solche Einreiseversuche im Kreis Kronach aber nicht vor, erklärt der Hauptkommissar. Dieser sei der erste seit Jahren gewesen. Was auch daran liege, dass Lastwagen gleich in Grenznähe kontrolliert werden. "Aber wenn der Lkw die Grenze an einer Stelle überquert, an der nicht kontrolliert wird, ist es schwierig, das festzustellen." In diesen Fällen bekomme die Polizei es nur dann mit, wenn Lkw-Fahrer es beim Ausladen bemerken oder wenn sich Bürger melden. "Meistens ist es nämlich so, dass Schleuser die Flüchtlinge am Straßenrand aus den Fahrzeugen lassen und diese dann an der Straße entlanglaufen", erklärt Beraneck. Wie es nun weitergeht, hänge auch davon ab, ob die beiden Flüchtlinge Asyl beantragen.

Hintergrund: So ist die rechtliche Situation bei einer "illegalen Einreise"

Die Polizeiinspektion Kronach ermittelt gegen die beiden Afghanen derzeit wegen "illegaler Einreise" beziehungsweise "illegaler Einwanderung", wie es in Paragraf 14 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) heißt. Darin sind verschiedene Fälle geregelt, bei denen die "unerlaubte Einreise" eines Ausländers vorliegt. Eine solche liegt etwa vor, wenn die betreffende Person nicht die erforderlichen Ausweispapiere und keinen Aufenthaltstitel besitzt. Ermittelt wird auch dann, wenn der Verdacht besteht, dass der Einreisende ein Visum besitzt, weil er es durch Bestechung oder Bedrohung erhalten oder es sich durch unvollständige Angaben erschlichen hat. Wird der Einreisende umgehend zurückgewiesen, stellen die Ermittlungsbehörden das strafrechtliche Verfahren in der Regel ein. Kommt es zu einer Verurteilung, liegt das Strafmaß zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Umstrittene Abschiebeflüge

;

Stammt der Einreisende allerdings aus einem Land oder einem Gebiet, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht ist, ist er von dieser Regelung ausgenommen. In diesem Fall darf er als Flüchtling umgehend Asyl beantragen. Wie hoch die Chance ist, dass der Asylantrag eines Afghanen angenommen wird, ist schwer zu sagen. Denn das hängt unter anderem davon ab, aus welcher Region ein Flüchtling stammt. Die Bundesregierung geht von sogenannten "sicheren Inseln" aus, weshalb es zwischen Dezember 2016 und diesem Oktober bereits 18 Sammelabschiebungen nach Afghanistan gab. Diese sind allerdings äußerst umstritten, weil sich in dem südasiatischen Binnenstaat der Krieg mit den Taliban und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wieder ausweitet.