Ein zwei Jahre alter Bub liegt tot in seinem Bett. Stunden zuvor war er eine Treppe hinabgestürzt. Nach Auffassung des Richters ist der damalige Freund der Mutter schuld daran.
Sieben Jahre und sechs Monate muss ein 26-Jähriger aus dem Kreis Kronach ins Gefängnis. Der Mann habe den Tod des zweijährigen Sohnes seiner Lebensgefährtin im Januar "nicht nur verursacht, sondern auch verschuldet", sagte Gerhard Amend, Vorsitzender Richter am Landgericht Coburg. Anders als Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein, die elf Jahre Haft gefordert hatte, sieht die große Strafkammer den Vorfall aber nicht als Totschlag, sondern als Körperverletzung mit Todesfolge.
Man habe sich schwer getan, der Wahrheit nahezukommen, erklärte Amend bei der Urteilsverkündung am Donnerstag. Das liege vor allem daran, dass der Angeklagte selbst keine Angaben zum Tathergang machen wollte. "Wenn er nichts sagt, können wir nur schwer nachvollziehen, wie er den Tod des kleinen Jungen empfunden hat", erklärte Amend. Deshalb stütze sich das Urteil der großen Strafkammer im Wesentlichen auf die Erkenntnisse des Sachverständigen Peter Betz, Professor am Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg. Er hatte erklärt, dass die Verletzung des Zweijährigen im Bauchraum nicht durch den Treppensturz entstanden sein könne.
Verletzung vor dem Tod "Diese Verletzung muss dem Jungen vor seinem Tod zugefügt worden sein", sagte Amend. Von der Mutter wisse man, dass der Bub diese noch nicht hatte, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, nämlich am Tag vor seinem Tod. Und der Sachverständige erklärte, dass ein solcher blauer Fleck 15 bis 30 Minuten nach dem Schlag oder Stoß sichtbar wird. "Das heißt, das Hämatom kann nur in der Zeit entstanden sein, als der Angeklagte den Jungen in seiner Obhut hatte." Der Angeklagte ließ stets erklären, er habe es nicht gesehen. "Das glauben wir dem Angeklagten auch, denn wenn er den Jungen nach dem Sturz aufgehoben und angezogen hat, dann konnte er es auch nicht sehen, weil es ja - wie gesagt - erst nach 15 bis 30 Minuten entsteht", sagte Amend.
Das Gericht habe aber keinen Zweifel daran, dass der 26-Jährige schuld am Tod des Kindes sei. "Man muss sich in die Situation des Angeklagten versetzen." Der junge Mann sei heillos überfordert gewesen. "Er ist wütend. Und dann kommt der Junge die Treppe hinauf. Der Angeklagte gibt ihm einen Tritt, der Bub fällt hinunter", schilderte Amend den Abend, an dem der Zweijährige ums Leben kam.
Der junge Mann habe das Kind seiner Lebensgefährtin zwar geliebt, der Kleine habe sogar Papa zu ihm gesagt ."Aber wir wissen, in welcher Situation der Angeklagte an dem Abend war. Er war aufgewühlt", so Amend. Deshalb könne man nicht den Schluss ziehen, dass er vorsätzlich gehandelt habe, "aber er hat den Tod in Kauf genommen". Der Strafrahmen bei Körperverletzung mit Todesfolge betrage drei bis 15 Jahre. Seiner damaligen Lebensgefährtin, der Mutter des zweijährigen Buben, muss der junge Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von 8000 Euro zahlen.
Noch einige Zeit nach dem Urteil saß der 26-Jährige wie erstarrt auf seinem Stuhl im Gerichtssaal. Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein sagte derweil, dass man mit keinem Urteil zufrieden sein könne, wenn ein Kind tot ist, sie aber insofern froh sei, als das Gericht ihre Auffassung geteilt habe, dass der Angeklagte den Tod des Jungen verschuldet hat. Der Verteidiger des jungen Mannes hatte während des Prozesses auf unterlassene Hilfeleistung plädiert.