Manchmal denkt man gar nichts und hat diesen Tunnelblick. Da läuft man einfach. Das ist der Optimalfall. Manchmal denkt man an alles Mögliche - an daheim oder schöne Erinnerungen. Und manchmal denke ich mir: Warum mache ich das? Der Fuß zwickt, das Knie sticht, Hunger habe ich auch. Ich könnte daheim im Garten liegen oder ein Eis essen gehen. Diese Situationen gehören eben auch dazu.
Was antworten Sie sich dann?
Irgendwann geht das wieder weg. Wenn man mitten im Gebirge im Geröllfeld steht, bei schlechtem Wetter, keine Lust mehr hat und sich hinsetzt - welche Möglichkeiten hat man da? Es ist kalt, es regnet. Bis die Bergwacht kommt, dauert es. Ein Heli kann auch nicht fliegen. Wie lange bleit man warm? Was hat man alles im Rucksack? Da kommt man zum Entschluss, dass man doch weiter muss, wenn man nicht erfrieren will. Man darf sich die Strecke nicht als Ganzes vorstellen. Ich teile sie mir in Etappen ein, bis zur nächsten Verpflegung oder bis zum nächsten Berg. Das macht es leichter.
Welcher war Ihr längster Trail?
Von den Kilometern her der Zugspitz-Ultra-Trail 2016 mit 105 Kilometern. Das waren über 20 Stunden mit 18 Stunden Starkregen, Schnee, Eisregen, Nebel - das war abartig. Das war einer der härtesten aufgrund der Witterung. Zeitlich gesehen war der Transalpinrun 2017 der längste Trail. Der ging eine ganze Woche. Sieben Etappen, knapp 300 Kilometer und 18 000 Höhenmeter. Das war Grenzerfahrung pur. Normalerweise können am Ende des Tages die Beine wehtun und man könnte einen ganzen Kühlschrank leer essen. Dort hat man aber sieben Tage am Stück Programm. Ich bin früh aufgestanden und dann acht bis zehn Stunden gelaufen. Irgendwann sind die Reserven dann weg. Ab Tag 3 war ich körperlich am Limit.
Auf den Trails sind Sie oft in der unberührten Natur unterwegs. Machen Sie sich da auch Gedanken über Umweltschutz?
Ja, natürlich. Bei den großen Läufen gibt es keine Plastikbecher, in denen Getränke ausgeteilt werden. Da hat jeder seinen eigenen Trinkbecher dabei. Alle Gels und Riegel, die man mitführt, muss man mit seiner Startnummer beschriften. Wenn jemand seinen Müll liegen lässt, wird er disqualifiziert. Ob alles richtig beschriftet wird, wird vorher kontrolliert, denn manche schreiben irgendeine Nummer drauf. Dass man ständig etwas wegschmeißt, davon bin ich generell kein Freund und im Gebirge noch weniger. Es kann schon mal sein, dass ich jemanden drauf anspreche, wenn jemand etwas wegschmeißt.
Sie sind auch ausgebildete Ernährungsberaterin. Wie ernährt man sich als Ultra-Läuferin?
Direkt vor dem Lauf ist etwas Leichtverdauliches natürlich günstiger. Fettiges kann funktionieren. Im Ultra-Bereich gibt es auf den Strecken auch Salami- oder Schmalzbrot. Fett ist ja ein Energielieferant, aber der Körper muss das auch verdauen können unter der Leistung, die er dann bringen soll. Das funktioniert nicht bei jedem. Das muss man üben.
In Ihrer Praxis geben sie auch Diabetesschulungen. Kommen wir in Deutschland langsam an unsere körperlichen Grenzen was die Ernährung betrifft?
Bei den Diabetikern sind es oft Zufallsfunde von Diabetes-2-Typen. Oft könnten sie das mit der richtigen Ernährung und Bewegung ganz gut in den Griff bekommen. Man kann ja Fast Food essen, aber eben nicht jeden Tag. Ich esse auch Pizza und Pommes, versuche es aber mit Sport auszugleichen. Das möchte ich unseren Patienten vermitteln. Besonders bei Kindern macht sich falsche Ernährung bemerkbar. Die bekommen es von klein auf so gelernt. Das finde ich schon erschreckend. In unsere Praxis kommen auch viele übergewichtige Kinder. Das hat in den letzten 20 Jahren schon zugenommen.
Kann das eine Gefahr werden?
Man sollte mehr über Ernährung sprechen, etwa in Form von Präventionsprogrammen in Kindergärten oder Grundschulen. Damit führt man die Kinder schon von klein auf heran, dass man nicht jeden Tag Schokolade essen sollte, sondern auch mal einen Apfel. Man muss ja nicht nur Gemüse essen. Aber man sollte das Verständnis für Nahrungsmittel an sich vermitteln.
Das Gespräch führte Dominic Buckreus.