Nach Corona-Ausbruch bei Tönnies: Bei den Metzgern im Kreis Kronach gibt es statt Akkordarbeit eine Portion Herzblut gratis

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Supermarkt-Fleisch kommt ihnen nicht in die Tüte: Diana Passador-Schramm und ihre Tochter Simona kaufen seit vielen Jahren beim Metzger ihres Vertrauens ein - nette Gespräche und Beratung bei Familienfeiern inklusive. Foto: Sandra Hackenberg
Supermarkt-Fleisch kommt ihnen nicht in die Tüte: Diana Passador-Schramm und ihre Tochter Simona kaufen seit vielen Jahren beim Metzger ihres Vertrauens ein - nette Gespräche und Beratung bei Familienfeiern inklusive. Foto: Sandra Hackenberg
Arbeitsteilung bei den Feicks: Jürgen kümmert sich um die Tiere, der Hofladen ist das Revier von Ehefrau Marga. Foto: Sandra Hackenberg
Arbeitsteilung bei den Feicks: Jürgen kümmert sich um die Tiere, der Hofladen ist das Revier von Ehefrau Marga. Foto: Sandra Hackenberg
 
Zertifikate und Strohpuppen zieren den Hofladen von Jürgen und Marga Feick in Küps - einen größeren Kontrast zur Großindustrie gibt es nicht. Foto: Sandra Hackenberg
Zertifikate und Strohpuppen zieren den Hofladen von Jürgen und Marga Feick in Küps - einen größeren Kontrast zur Großindustrie gibt es nicht. Foto: Sandra Hackenberg
 
Jede Wurst und jedes Stück Schinken wurden von Gerald Bayer oder seinem Gesellen in Handarbeit zerlegt. Foto: Sandra Hackenberg
Jede Wurst und jedes Stück Schinken wurden von Gerald Bayer oder seinem Gesellen in Handarbeit zerlegt. Foto: Sandra Hackenberg
 
Den Rindern von Jürgen Feick stehen insgesamt neun Hektar Weidefläche zu Verfügung. Von Anfang April bis Ende Oktober leben sie an der frischen Luft. Foto: Sandra hackenberg
Den Rindern von Jürgen Feick stehen insgesamt neun Hektar Weidefläche zu Verfügung. Von Anfang April bis Ende Oktober leben sie an der frischen Luft. Foto: Sandra hackenberg
 

Seit dem Corona-Ausbruch beim Fleischriesen Tönnies sind die Verbraucher verunsichert. Unsere Metzger können zwar nicht mit Supermarkt-Preisen mithalten. Dafür gibt es, neben gewohnter Qualität, hier etwas, dass man mit Geld nicht kaufen kann.

Unter den wachsamen Augen des Bullen grasen die Kälber mit ihren Müttern auf der Weide. Einige von ihnen haben es sich im Schatten der Bäume gemütlich gemacht. "Uns stehen hier insgesamt neun Hektar Weidefläche zur Verfügung." Jürgen Feick lässt den Blick über die weiten, grünen Wiesen schweifen, wo seine Tiere von Anfang April bis Ende Oktober weiden.

Hier und da klingelt es am Hofladen - das Signal für Ehefrau Marga. "Gestern war sehr viel los, aber das ist von Tag zu Tag unterschiedlich", berichtet die 71- Jährige hinter der Theke. Wer den Hof der Eheleute in Küps betritt, merkt sofort: Skandale wie aktuell bei Deutschlands Fleischriesen Tönnies sind hier ganz weit weg.

Marga und Jürgen sind ein eingespieltes Team. Er kümmert sich um die 36 Fleckvieh-Limousin-Kühe samt Nachzucht, sie steht im Laden, verkauft Schinken, Kasseler und Würste. Etwa vier Rinder schlachten die Feicks jedes Jahr, zwei im Frühjahr und zwei im Herbst. Bis vor ein paar Jahren hatten sie auch Schweine. "Das hat sich aber nicht mehr rentiert, weil wir mehrere tausend Euro in neue Maschinen hätten investieren müssen", erklärt Feick. Jetzt kauft er die Schweine von einem befreundeten Landwirt zu.

"Wir können unser Vieh mit unserem eigenen Eiweißfutter versorgen", erklärt der erfahrene Rinderwirt. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich - die Felder liefern wegen des warmen Klimas weniger Futter. "Außerdem haben wir auf Bio umgestellt, das gibt dann noch weniger Ertrag." Fleisch mit Bioqualität. Es ist der Wille des Verbrauchers, wie auch der 76-Jährige weiß: "Jeder sagt, dass er bereit ist, für Fleisch von glücklichen Tieren mehr Geld auszugeben." Häufig würden die Verbraucher ihre Meinung dann aber an der Fleischtheke ändern."Und dann hört man immer, dass das Fleisch zu teuer ist."

Preise wie vor 50 Jahren

Er blickt auf den Schnupftabak in seiner Hand. Der habe vor 50 Jahren 70 Pfennig gekostet, heute seien es 2,50 Euro. "Wenn die Preise für unsere Produkte genauso gestiegen wären, könnte ein Bauer von 20 Kühen leben", vermutet er. "Aber die Preise von Milch und Eiern sind die gleichen wie vor 50 Jahren." Das hat Feick in den alten Betriebsunterlagen nachgelesen. Mit den Preisen im Supermarkt kann er nicht mithalten - und will es auch nicht. "Die Konsequenz sich solche industriellen Großbetriebe." Das sagt Feick, ohne es abwertend zu meinen. Aber überrascht hat es ihn nicht, dass praktisch die komplette Belegschaft eines solchen Konzerns am Corona-Virus erkrankt ist.

Ein paar Kilometer weiter in Stockheim hat auch der stellvertretende Obermeister der Kronacher Fleischerinnung Gerald Bayer die Nachrichten in dieser Woche verfolgt. Er verurteilt Großkonzerne wie Tönnies nicht - immerhin würden sie den Fleischbedarf der Bevölkerung abdecken. "In keinem Betrieb ist man vor so etwas gefeit", weiß er - und ein Infektionsrisiko durch den Verzehr von Tönnies-Fleisch bestehe für den Verbraucher ebenfalls nicht. Trotzdem sorgen solche Nachrichten für Verunsicherung, was dazu führt, dass mehr Kunden als gewöhnlich den Metzger ihres Vertrauens aufsuchen.

Klar ist: Das Risiko eines Covid-19-Ausbruchs in Bayers Metzgerei, die er mit seiner Frau Sabine und fünf Beschäftigten betreibt, ist deutlich geringer als in einem Großkonzern, in dem ständig wechselnde Leiharbeiter in Akkord arbeiten. Bayer hofft, dass der Konzern seine Lehren aus dem Fall zieht: "Wichtig ist, dass diese Menschen dort vernünftige Löhne bekommen und vor allem in anständigen Wohnungen leben und unter vernünftigen Bedingungen arbeiten."

Was den 57-Jährigen freut: "Wir merken, dass die Leute jetzt noch mehr Wert auf Qualität legen." Und die können er und seine Metzger-Kollegen garantieren. "Ich beziehe mein Fleisch von zwei Landwirten aus der Nähe. Mit dem einen hat sogar schon mein Vater zusammengearbeitet." Fleisch aus der Großindustrie sei häufig wässrig, weil die Tiere wenig Auslauf haben und gemästet werden, um schnell ihr Schlachtgewicht zu erreichen. "Bei dem Fleisch von unseren Erzeugern merke ich dagegen beim Zerlegen, dass es schön fest ist."

Das Leberwurst-Dilemma

Kunden wie Diana Passador-Schramm sind rundherum zufrieden. "Ich komme seit 22 Jahren mindestens ein bis zwei Mal pro Woche", erzählt sie, während sie sich - wie jeden Freitag - Fleischsalat und Leberkäse einpacken lässt. Mit Leberwurst aus dem Supermarkt bräuchte sie bei ihren Kindern gar nicht erst ankommen. "Die essen nur diese, weil sie ihnen am besten schmeckt." Auch die alltäglichen Gespräche möchte sie nicht missen. "Und wenn wir mal eine Familienfeier haben, werde ich hier auch beraten, was am Besten passt."

Reich kann man als Metzger oder Direkterzeuger auf dem Land zwar nicht werden. "Aber für mich war es eine Ehrensache, den Betrieb meines Vaters weiterzuführen - wir werden heuer 60 Jahre alt", erzählt Bayer. Und nicht nur darauf ist er stolz: "Wenn unsere Kunden seit vielen Jahren immer wieder kommen, kann nicht alles so schlecht sein, was wir machen."

Auch Feick und seine Frau möchten so lange weitermachen, wie es die Gesundheit zulässt. "Obwohl ich Rentner bin, muss ich weiter Krankengeld zahlen, weil ich ja noch arbeite", berichtet der 76-Jährige amüsiert. "Aber die Arbeit hält uns fit. Das ist unser ganzes Herzblut."

Und das gibt es hier zu Wurst und Fleisch gratis dazu.