Bis zu seiner ersten Büttenrede galt es allerdings, noch einige kalte Füße zu überstehen. Zurück in Franken zog es ihn 1994 in Steinberg erstmals als Redner auf die Faschingsbühne. Zur Jahrtausendwende übernahm Haagen dann als sogenannter Pfarradministrator die drei Pfarreien Pressig, Rothenkirchen und Posseck samt der dazugehörenden Filialen Welitsch, Gifting und Förtschendorf - wo er seitdem zur Faschingszeit sogar doppelt in der Bütt steht.
Zwergen-Kostüm
;
Während in der Kirche bei Büttenpredigten (gereimte Predigten) noch das Geistige im Mittelpunkt steht, wird es in den Sitzungssälen spitzzüngiger. Sei es als grantelnder Fußballfan, Dirndl-tragende Weinkönigin oder Pfarrer auf der Suche nach einer Haushälterin.
Was auffällt: Ein Gag-Feuerwerk, das in alle Richtungen zielt, ist keine seiner Büttenreden. Viel lieber schlüpft der Mann mit den schulterlangen grauen Haaren und dem gleichfarbigen Schnauzbart, der auch Handball-Legende Heiner Brand alle Ehre machen würde, in eine konkrete Rolle. "Das muss eine Person sein, die in den Orten bekannt ist. Als ich mich 2015 als Weinkönigin verkleidet habe, hat das ja auch nur deshalb so gut funktioniert, weil die Geschichte rund um Pressig allen bekannt war", erzählt er und spielt auf ein zurückliegendes Weinfest an.
Zwischen brünette und blonde Damen hatte sich plötzlich auch ein grauhaariger Pater gemischt, um sich als Weinkönigin zur Wahl zu stellen. "Mit der Begründung ,Kurvenmanipulation‘ haben sie mich aber disqualifiziert", erinnert er sich schmunzelnd.
Dieses Jahr hätte er das Dirndl gegen ein Zwergen-Kostüm getauscht. Als Eila-Zwerg habe er erzählen wollen, was ihn aus dem Staffel- in den Eila-Berg gezogen hat und weshalb der Pressiger Gemeinderat, der es auf seinen Schatz abgesehen hat, gegen ihn chancenlos ist.
Ein laufender Prozess
;
Wie er auf seine Ideen kommt? "Ach, das passiert ganz spontan. Ich habe zufällig einen Ausschnitt aus einem der Zwergen-Filme von Otto Waalkes gesehen, dann habe ich mich an die Sage mit den Zwergen aus dem Staffelberg erinnert und schon habe ich angefangen zu überlegen und zu reimen." Was folge, sei ein Prozess. Stück für Stück, Idee für Idee ergänze sich die Rede. "Das kann zwischen einem halben und einem dreiviertel Jahr dauern."
Diesmal habe sie zu großen Teilen bereits Ende des vergangenen Jahres festgestanden - und das, obwohl er auf Hilfe aus dem Internet verzichten musste. Natürlich habe er es sich leichter machen wollen, und schauen, ob ihm der Datenstrom nicht einige Zwergenwitze ins Netz treibt. "Aber die konnte ich nicht nehmen", erzählt Haagen. "Die waren alle zu versaut."
Pointen müssen bei ihm nämlich zwei Kriterien erfüllen. Erstens: Sie dürfen niemanden verletzten. Zweitens: Platt sollten sie auch nicht sein.
Dass ihm beides gelingt, hat er in den vergangenen Jahren oft genug bewiesen. "Ich will den Menschen einfach Freude bereiten", sagt der 62-Jährige, was ihn immer wieder neue Ideen finden lässt. "Außerdem treffe ich bei Büttenabenden auch mal ganz andere Leute als die, die sonntags immer in die Kirche kommen. Dadurch erreiche ich viel mehr Menschen."
Freud und Leid
;
Das Argument, die Funktionen Büttenredner und Geistlicher würden nicht zusammenpassen, weist er entschieden von sich. "Freud und Leid gehören beide zum Leben dazu", betont Haagen und zitiert Theresa von Avilar. "Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten", soll die Ordensfrau aus dem 16. Jahrhundert, die in der katholischen Kirche als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt wird, einmal gesagt haben. Nach dem Motto: alles zu seiner Zeit. Und jetzt ist Rebhuhn-Zeit. Helau!