Die Bauchverletzungen des im Januar getöteten Zweijährigen sind nicht mit einem Treppensturz erklärbar. Das teilte Peter Betz am zweiten Prozesstag mit. Der 26-jährige Angeklagte äußerte sich dazu nicht.
Der zweite Prozesstag ist beendet. Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein verlässt den Raum ebenso wie Richter Gerhard Amend und die Zuhörer. Der Angeklagte sitzt dagegen noch auf seinem Stuhl. Hinter ihm steht seine Mutter, die eine Hand auf seine rechte Schulter legt. Das Entsetzen ist beiden regelrecht ins Gesicht geschrieben. Zu deutlich waren die Erläuterungen von Peter Betz, Professor am Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg, sowie Richter Amend vor wenigen Minuten: "Sie haben gehört, dass das Hämatom im Bauchbereich mit ihrer Aussage nicht erklärbar ist", wandte sich der Richter am Ende des zweiten Prozesstages an den 26-jährigen Angeklagten.
Er wird beschuldigt, im Januar den zweijährigen Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin getötet zu haben.
Durch seinen Verteidiger Till Wagler hatte der Angeklagte bereits am ersten Prozesstag am Montag mitteilen lassen, dass es sich aus seiner Sicht um einen "tragischen Unglücksfall" gehandelt habe. Auch am zweiten Prozesstag war er selbst noch nicht bereit, eine Aussage zum Tathergang zu machen - selbst nachdem Betz seine Erkenntnisse vorgetragen hatte. Diese waren im Wesentlichen, dass sich aus den verschiedenen Schürfwunden und Kopfverletzungen ein Treppensturzableiten lässt. Dabei müsse sich der Zweijährige dann aber insgesamt dreimal überschlagen haben, um alle Verletzungen an solch einem Sturz festmachen zu können. "Die Einblutung in der Oberbauchregion kriegt man allerdings nicht durch einen Treppensturz erklärt", stellte der Sachverständige fest und fuhr fort: "Sie können mit einem relativ leichten Rempler auf dieser halsbrecherischen Treppe jemanden zum Stürzen bekommen, aber dieser Befund aus dem Bauchraum kommt definitiv
nicht von einem leichtem Kniestoß."
Der Angeklagte hatte am ersten Prozesstag durch seinen Verteidiger erklären lassen, dass er beim Hinunterlaufen der Treppe in das Kind hineingelaufen sei und es mit dem Knie berührt habe. Davon könnten die Verletzungen im Bauchraum, so der Sachverständige, allerdings nicht kommen, ebenso wenig wie vom Tätscheln, wovon der Angeklagte gesprochen hatte.
Vielmehr müsse da "richtig Energie dahinter gewesen sein. Mir fallen hier nur ein Faustschlag, Fußtritt oder ein heftiger Kniestoß ein. Andere Erklärungsmöglichkeit habe ich nicht parat", sagte Betz.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Größen der Personen und des Höhenunterschieds durch die Stufen sei der Treppensturz ebenfalls kaum durch einen Kniestoß erklärbar. So dürfe der Bauchnabel des etwa 94 Zentimeter großen Kindes etwa bei einer Höhe von 50 Zentimetern gelegen haben.
"Mein Knie liegt bei 55 Zentimetern - wenn jemand ein bisschen kleiner ist, ok -, und wenn man es dann zum Laufen noch anhebt, dürfte man das Kind damit nicht in der Bauchregion erwischen, sondern weiter oben - zumal das Kind ja noch tiefer stand als der Angeklagte."
Auf Nachfrage von Verteidiger Till Wagler bestätigte Betz, dass die Verletzung im Bauchraum theoretisch auch daher kommen könnte, dass der Junge womöglich auf einen Gegenstand gefallen ist.
Histologische Untersuchungen ließen, so Betz, nicht auf ältere Hämatome schließen. "Die Verletzungen müssen alle im engeren Zeitraum mit dem Tod gelegen haben", kam Betz zu dem Ergebnis. Als Todesursache nannte er ein Regulationsversagen infolge eines Schädel-Hirntraumas.
"Hätte das Kind noch gerettet werden können, wenn man gleich nach dem Sturz den Notarzt gerufen hätte?", wollte Richter Amend wissen.
Das konnte der Sachverständige allerdings nicht mit Sicherheit sagen.
Um sich einen besseren Eindruck machen zu können, ließ Richter Amend am Mittwoch auch den durch den Angeklagten abgesetzten Notruf vom 22. Januar abspielen: "Bei mir liegt ein zweijähriges Kind oben im Bett, das ist eiskalt und atmet nicht mehr", hatte der 26-Jährige in dem Telefonat erklärt.
Außerdem schaute man sich am zweiten Prozesstag ein Video an, das von einer Begehung des Tatorts am 9. Mai aufgenommen worden war. Dabei gewesen waren damals neben dem Angeklagten sein Verteidiger, Polizeibeamte und Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein. Der Angeklagte zeigt in dem Video detailliert, wie er aus dem Schlafzimmer heraus und die Treppe hinunter gelaufen sei, wo der Zweijährige seiner Wahrnehmung nach gestanden haben muss und wo er liegen geblieben sei.
Er habe nicht daran gedacht, dass sich der Junge etwas gebrochen haben könnte, erklärt der 26-Jährige. "Ich habe halt gedacht, wenn irgendetwas wäre, hätte er geschrien", sagt er in dem Video, woraufhin Oberstaatsanwältin Haderlein entgegnet: "Sie schildern das so, als ob der Junge ganz normal beieinander gewesen wäre und im Verhalten keinerlei Auffälligkeiten gewesen wären - da tu' ich mir schwer damit." Auf die Frage, was er sich selbst vorwerfe, antwortete der junge Mann damit, dass er den Bub nach dem Treppensturz nicht ins Krankenhaus gebracht habe.
Gleich zu Beginn des zweiten Prozesstages äußerte Verteidiger Till Wagler "äußerste Bedenken", ob die ersten beiden Vernehmungen seines Mandanten verwertbar seien. So hätte er beispielsweise nicht erst als Zeuge vernommen werden sollen, sondern gleich als Beschuldigter, schließlich sei er als einziger am Tatort gewesen.
Außerdem sei bei der Beschuldigtenvernehmung keine Belehrung erfolgt, dass die erste Aussage als Zeuge nicht verwertet wird. Die Oberstaatsanwältin hielt dem entgegen, dass zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmung weder festgestanden habe, wer anwesend war, noch, wie das Kind zu Tode gekommen ist. Diese Erkenntnisse hätten sich erst nach der Obduktion ergeben, die zwischen beiden Vernehmungen gelegen habe.
Außerdem wurden am zweiten Prozesstag mehrere Polizeibeamte vernommen, von denen einer erklärte, dass der Angeklagte insgesamt drei verschiedene Varianten des Tathergangs geschildert habe. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Dann ist ein Urteil zu erwarten.