"Gefahr für Leib und Leben": So wild geht es auf der illegalen Rennstrecke des Frankenwalds zu

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Mehrmals rasen die Biker die 3,4 Kilometer lange Strecke auf und ab. Foto: Sandra Hackenberg
Mehrmals rasen die Biker die 3,4 Kilometer lange Strecke auf und ab. Foto: Sandra Hackenberg
Während ein Fahrer die Strecke auf- und abrast, vertreiben sich die anderen die Zeit auf der Bierbank in der "Jubelkurve". Foto: Sandra Hackenberg
Während ein Fahrer die Strecke auf- und abrast, vertreiben sich die anderen die Zeit auf der Bierbank in der "Jubelkurve". Foto: Sandra Hackenberg
 
Die junge Bikergang schlendert über die Fahrbahn und inspiziert frische Ölspuren. Foto: Sandra Hackenberg
Die junge Bikergang schlendert über die Fahrbahn und inspiziert frische Ölspuren. Foto: Sandra Hackenberg
 
Mehrmals rasen die Biker die 3,4 Kilometer lange Strecke auf und ab. Foto: Sandra Hackenberg
Mehrmals rasen die Biker die 3,4 Kilometer lange Strecke auf und ab. Foto: Sandra Hackenberg
 
Sogar ein Getränkestützpunkt mit Malzbier und Limo steht bereit. Foto: Sandra Hackenberg
Sogar ein Getränkestützpunkt mit Malzbier und Limo steht bereit. Foto: Sandra Hackenberg
 

Wegen ihrer Kurven ist die Strecke zwischen Schauberg und Jagdshof vom Geheimtipp in der Bikerszene zur illegalen Rennstrecke mutiert. Anwohner berichten von kuriosen bis lebensgefährlichen Szenen.

Dort oben, wo die Langenau in die Tettau mündet und sich der Frankenwald von seiner märchenhaftesten Seite zeigt, liegt der 140-Seelenort Schauberg. Doch die Postkartenidylle an der Grenze zu Thüringen trügt: Seit die Landesstraße zwischen Schauberg und Jagdshof vor drei Jahren freigegeben wurde, ist sie zur illegalen Rennstrecke mutiert.

14 Kurven auf 3,4 Kilometern Länge locken Motorrad-Raser aus ganz Deutschland und sogar dem Ausland an. Dass dort rennstreckenmäßig geheizt werden kann, hat sich in der Szene längst herumgesprochen. Erst am vergangenen Wochenende sollen laut der Polizei Sonneberg wieder Rennen stattgefunden haben. Die Beamten haben vor Ort dutzende Motorradfahrer angetroffen - von 16 Personen wurden die Personalien aufgenommen.

Überholmanöver in den Kurven

Zu den Stoßzeiten am Wochenende sollen sich bis zu 60 Biker auf und am Rande der Strecke aufhalten. Werktags hält sich das Aufkommen zwar in Grenzen - los ist trotzdem einiges, wie sich vor Ort zeigt. Das Brummen der Maschinen ist am vergangenen Dienstagabend bereits in Schauberg zu hören.

Nach dem Ortsschild dauert es nicht lange, bis der erste Motorradfahrer in lederner Rennmontur entgegenkommt. "Würde mich nicht wundern, wenn der gleich wieder hinter uns auftaucht", kündigt der Informant an, der das Auto fährt und lieber anonym bleiben möchte. "Die fahren die Strecke mehrmals hintereinander auf und ab und werden dabei immer waghalsiger."

Getränkestützpunkt mit Bierbank

Er soll recht behalten: Etwa auf halber Strecke taucht besagter Fahrer mit Gothaer Kennzeichen urplötzlich wieder hinter dem Fahrzeug auf und überholt, obwohl die beginnende Kurve nicht einsehbar ist. Das Spiel wiederholt sich am Ende der Strecke ein weiteres Mal. "Das muss man sich mal vorstellen: Die fahren 100 Kilometer aus Gotha her, um dann hier zu rasen."

In einer Einmündung haben fünf weitere Fahrer ihre Maschinen abgestellt. Sie sitzen auf einer Bierbank, beobachten die Fahrt ihres Kollegen und trinken Malzbier. Dann laufen sie die Straße ab und inspizieren eine mit Sand abgedeckte Ölspur. "Die ist ganz frisch. Da hat einer wieder den Abflug gemacht", mutmaßt der Informant. Lediglich zwei Unfälle wurden im vergangenen Jahr dokumentiert. Die Dunkelziffer liegt wohl viel höher. Bremsspuren auf dem Asphalt und Dellen in den Leitplanken sind stille Zeugen unzähliger Stürze - die Gemeindeverwaltung Judenbach schätzt mehrere pro Woche.

100 km/h zu schnell

Wegen den vielen Kurven ist die Geschwindigkeit auf der gesamten Strecke auf 70 Stundenkilometer begrenzt - der Informant berichtet von bis zu 170 km/h, von Kameras, die an den Maschinen angebracht werden, um die Manöver zu filmen und von Rowdys, die ihre Maschine auf dem Hinterreifen durch Schauberg bugsieren.

"Die Rennen werden gezielt über die sozialen Netzwerke beworben und organisiert", heißt es in einem Schreiben vom Landratsamt Sonneberg, das unserer Redaktion vorliegt und das ganze Ausmaß beschreibt. "Das geht so weit, dass die Straße durch Fahrzeuge ("Rennleitung") abgesperrt wird, um ungehindert und bewusst gegen geltende Verkehrsregeln zu verstoßen." In der sogenannten Jubelkurve wurde sogar ein dauerhafter Getränkestützpunkt mit Malzbier, Limonade und einer Bierbank eingerichtet.

"Es ist hanebüchen, was da abgeht", fasst Tettaus Bürgermeister Peter Ebertsch zusammen. "Hier herrscht wirklich Gefahr für Leib und Leben. Es sind ja auch Radfahrer und Familien mit ihren Kindern unterwegs." Er selbst habe mehrere brenzlige Situationen erlebt. "Mir haben auch schon Augenzeugen berichtet, dass Motorradfahrer direkt vor ihrem Fahrzeug gestürzt sind."

Viele Bürger hätten inzwischen Angst, die Strecke zu fahren oder sie zu überqueren, wenn sie auf dem Weg zwischen Heinersdorf und Jagdshof wandern. "Irgendwo ist mit dem Freiheitsdrang Schluss. Sie sollen zum Lausitz- oder zum Nürburgring fahren. Dort können sie sich austoben."

Radarkontrollen sind wegen der vielen Kurven nicht möglich. Die Straßenverkehrsbehörde des Landratsamtes Sonneberg will nun sogar durchsetzen, dass die Strecke an Sonn- und Feiertagen für Motorradfahrer gesperrt wird. Das Verfahren liegt derzeit beim Thüringer Landesverwaltungsamt. Ob und wann die Sperrung kommt, ist derzeit noch unklar.

Kommentar von FT-Redakteurin Sandra Hackenberg: Den Schuss nicht gehört

Biker, die eine Landesstraße absperren, damit ihre Kumpels ungehindert Rennen fahren können, eine Jubelkurve mit Getränkestand und Videokameras, die an den Maschinen angebracht werden, um die waghalsigen Manöver zu filmen - solche Szenen klingen eher nach den Fast-and-the-Furious-Actionfilmen als nach Realität.

Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, glaubt es wahrscheinlich nicht. Das Ganze klingt einfach zu abenteuerlich. Doch dann bekam ich einen guten Eindruck davon, was die Bürger Schaubergs, Wanderer und anderen Verkehrsteilnehmer bei schönem Wetter jedes Wochenende aufs Neue ereilt.

Die Motorradfahrer fühlen sich von Anwohnern und der Polizei gegängelt. Doch was sich auf dieser Strecke abspielt, ist lebensgefährlich. Wer das herunterspielt, hat den Schuss nicht gehört. Ich hoffe, dass nicht erst jemand zu Schaden kommen muss, bis sich etwas ändert.