Dorothea Richter feiert heute ihren 60. Geburtstag. Wir sprachen mit der Leiterin des Dekanats Kronach-Ludwigsstadt über selbstlose Geschenke, die Gleichstellung von Frauen in der Kirche und die Kunst, sich im Schaffensdrang zu begrenzen.
Wenn eine bekannte Person einen runden Geburtstag hat, besteht für die Presse Redebedarf. Dorothea Richter warnte beim Vereinbaren des Interview-Termins aber vor: Eine Homestory - so mit Kind, Katze, Hund - gebe ihr Privatleben nicht her. Über ihre Arbeit erzähle sie allerdings gern. Die hat im Fall Richters, die seit 1995 an der Spitze des Dekanats Kronach(seit 2010 mit Ludwigsstadt) steht, sowieso ziemlich viel mit dem Privatleben zu tun.
Wie feiert eine Dekanin Geburtstag?Dorothea Richter: Ich werde ihn am Osterdienstag privat feiern und lade für den 24. April ins Gemeindehaus ein. Statt Geschenken wünsche ich mir Spenden. Nicht für unser neues Gemeindehaus neben der Christuskirche - das mir auch sehr wichtig ist - , sondern ich möchte den Akzent auf die Diakonie legen.
Wie kommt's? Unser Diakonisches Werk ist zuständig für die Flüchtlingsberatung im Kreis Kronach. Wir haben da ausgezeichnete Mitarbeiter, die aber natürlich nur wenige Stunden zur Verfügung haben. Zum Glück gibt es Ehrenamtliche, die sich engagieren. Insbesondere für Flüchtlinge in dezentralen Unterkünften ist diese Arbeit ganz elementar.
Wieso braucht es Spenden für Ehrenamtliche?Wenn sie etwa Flüchtlinge zum Arzt oder zu einer Behörde begleiten oder wenn sie mit ihnen ins Schwimmbad gehen, kostet das Geld. Wir erhalten vom Staat 80 Prozent der Personalkosten für die Hauptamtlichen erstattet. Für die Sachkosten müssen wir selbst aufkommen. Fahrtkosten und Telefonkosten sollen die Ehrenamtlichen nicht selbst übernehmen müssen. Mein Geburtstagswunsch ist, dass Leute, die mir etwas Gutes tun wollen, den Ehrenamtlichen helfen zu helfen.
Ein Zeitsprung: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag als Pfarrerin?Nein. Aber an meinen ersten Tag als Pfarrerin (und Dekanin) in Kronach. Das war im September 1995. Da durfte ich die Notaufnahme der Frankenwaldklinik einweihen. Für mich klang Frankenwaldklinik so, als sei das irgendwo mitten im Wald, wie die Schwarzwaldklinik. Meine Sekretärin sagte: Nein, nein, das ist unser Krankenhaus in Kronach. Daran erinnere ich mich sehr gut (lacht).
Können Sie sich noch an die Erwartungen erinnern, die sie als Studentin an den Beruf hatten?Ich hatte bestimmte Bilder im Kopf, die ich aus unserem Familienbetrieb in München kannte. Ich bin Pfarrerstochter. Ich habe außerdem Mesnerdienst in der Kirche gemacht, Orgel gespielt, meinem Vater im Büro geholfen, wenn die Sekretärin krank war...
Das Gemeindeleben war mir vertraut. Aber ich habe lange keine Frau in diesem Beruf gekannt. 1974 war ich mit dem Abitur fertig - erst ein Jahr später hat die Bayerische Landeskirche ermöglicht, dass Frauen Pfarrerinnen werden durften.
Das ist nicht lang her. Inwieweit sind Pfarrerinnen in der Evangelischen Kirche denn heutzutage den Pfarrern gleichgestellt?Ich würde sagen, evangelischerseits ist dieses Thema durch. Wir haben ja mittlerweile auch Bischöfinnen. Anfangs war der Aufmerksamkeitsgrad höher. Ich war 1995 in Kronach die zweite bayerische Dekanin. Das war schon noch ein Thema. Es war auch sicher kein Zufall, dass die ersten Dekaninnen unverheiratet waren. Inzwischen gibt es aber auch Frauen mit Familie, die das machen. Vorher, in Nürnberg-Eibach, war ich die erste Pfarrerin. Als ich von dort weg bin, meinte der Kirchenvorstand: Wir wollen wieder eine Frau, da wir auf zwei Pfarrstellen schon Männer haben. Das hat mich gefreut. Ich selbst arbeite gern in gemischten Teams. Ich denke, man ergänzt sich.
Was schätzen Sie an diesem Beruf, den sie so lang schon machen?Als nach dem Studium mein Vikariat begann, hatte ich Sorge: Wie komme ich von den Büchern zu den Menschen? Aber es machte mir viel Freude und ich habe gespürt: Dieser Beruf ist sehr mit Vertrauen verbunden. Die Menschen erzählen mir so viel Persönliches, mit dem ich gut umgehen muss. Das habe ich schnell schätzen gelernt; von daher war der Sprung von der Theorie in die Praxis leichter, als ich gedacht hatte. Und diese Begeisterung, die ich am Anfang hatte, ist geblieben.
Sie sind nicht nur geistliche Hirtin, sondern auch Managerin eines "Unternehmens". Kollidieren geistliche Überzeugungen und ökonomische Notwendigkeiten?Geistliche Überzeugungen müssen alltagstauglich sein. Ich habe permanent die Herausforderung: Wie kann ich als überzeugte Christin eine Vorgesetzte sein und dabei glaubwürdig bleiben? Sodass ich nicht am Sonntag auf der Kanzel von der Liebe Gottes erzähle und im Alltag ungenießbar bin für meine Mitarbeitenden. Ich bekomme in der Regel die Rückmeldung, dass man bei mir weiß, woran man ist, und bemühe mich sehr, Entscheidungen transparent zu machen. Ich habe außerdem Spaß an Gremienleitung: Für mich ist eine gut geleitete Sitzung nichts, was einem geistlichen Amt widerspricht.
In diesem Amt haben Sie Erfahrung. Und bekommen mit, dass sich Religiosität in der Gesellschaft wandelt. Wie gehen Sie damit um?Wir können uns nicht ausruhen auf der Tradition und daran erfreuen, dass ältere Gemeindeglieder noch Lieder auswendig können. Wir müssen permanent Formen finden, wie wir die Botschaft von der Liebe Gottes so verkünden, dass auch junge Leute sagen: Das betrifft mich.
Zum Beispiel?Vorletzten Sonntag hielt unser Pfarrer Gundermann vor Konfirmanden eine Predigt über das Smartphone. Das hat mir gefallen. Ich glaube, damit hat er die Lebenswelt der Jugendlichen erreicht. Gospel ist auch eine Sache, die gut funktioniert. Generell halte ich Musik für eine universelle Sprache, auch im Glauben.
Internet ist beim Erreichen junger Leute stets ein Thema...Unser Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Internet affin und in Sozialen Medien persönlich vertreten. Ich sehe das Internet als nützliches Medium und arbeite mit Informationen aus dem Netz. Aber ich bin skeptisch, ob es mir gut täte, wenn ich noch mehr Zeit vor dem PC verbrächte. Natürlich darf man Soziale Medien nicht ignorieren, wenn man junge Menschen erreichen will. Wir als Gemeinde planen, dahingehend aktiver zu werden.
Abschließend interessiert mich, was Sie sich für die Zukunft wünschen.Ich wünsche mir, dass ich es gesundheitlich schaffe, bis 65 plus ein paar Monate zu arbeiten. Ich habe zudem ein Schreiben auf dem Tisch liegen, dass ich auch bis 67 arbeiten könnte. Das ist neu, weil in den Jahren 2020 bis 2022 ein Fünftel der evangelischen Pfarrer in Bayern in den Ruhestand gehen wird. Ich weiß noch nicht, ob ich das tun werde. Dank der Vielseitigkeit meines Berufes macht er mir immer noch viel Spaß und dafür bin ich dankbar. Aber ich muss an meiner Selbstbegrenzung arbeiten.
Inwiefern?Ich bin ein Workaholic und tu' mich manchmal schwer damit, zu sagen: Nun ist's gut. Ein Gegenmittel ist das Reisen. Wenn ich weg bin, bin ich weg.
Feier Am Freitag, 24. April, lädt Dekanin Richter zwischen 10.30 und 17.30 Uhr ins Gemeindehaus an der Kronachallee ein, um ihren 60. Geburtstag zu feiern.
Spenden Statt Geschenken wünscht sie sich Spenden für die ehrenamtliche Arbeit in der Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werks: Diakonisches Werk Kronach-Ludwigsstadt/Michelau, IBAN:DE7677 150000 0240109645, BIC: BYLADEM 1 KUB, Stichwort: Asylprojekt Kronach D. Richter.