Berührungsängste gibt es nicht mehr

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Ihr Berufsalltag ist vom Umgang mit allen Generationen geprägt. Das Bild zeigt die Koordinatorin der Mehrgenerationenhäuser, Kerstin Hinz, mit ihrer Kollegin Theresa Schneider (Leiterin der sozialen Betreuung). Mit im Bild Edith Schultheiß und Paul Kleylein. Foto: Veronika Schadeck
Ihr Berufsalltag ist vom Umgang mit allen Generationen geprägt. Das Bild zeigt die Koordinatorin der Mehrgenerationenhäuser, Kerstin Hinz, mit ihrer Kollegin Theresa Schneider (Leiterin der sozialen Betreuung). Mit im Bild Edith Schultheiß und Paul Kleylein.  Foto: Veronika Schadeck

Mehrgenerationenhäuser sind ein Dreh- und Angelpunkt für Jung und Alt. In Kronach hat man damit gute Erfahrungen gemacht.

Was zu Großmutters Zeiten die Regel war, ist heutzutage die Ausnahme. Noch vor rund 40 Jahren war es nichts Außergewöhnliches, dass drei Generationen unter einem Dach lebten. Zwar war diese Lebensform mitunter mit Konflikten verbunden, aber diese Art zu leben hatte auch positive Seiten.

Das Zusammenleben der Generationen vermittelte Alltagskompetenzen, Erfahrungswissen, Geborgenheit und förderte den Zusammenhalt. Die ältere Generation gab nicht nur ihr Wissen weiter, sondern sie blieb durch die Jugend auch oft am Puls der Zeit. Die jüngere Generation wiederum profitierte von den Erfahrungen ihrer Großeltern und kam nicht umhin, sich mit Alter, Gebrechlichkeit und mitunter auch den Tod zu befassen.

Die Zeiten haben sich geändert. Aus den Großfamilien wurden in der Mehrzahl "Kleinfamilien", darunter auch Singles mit Kind. Es ist die Regel, dass beide Elternteile ihren Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Es ist keine Seltenheit mehr, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt in anderen Regionen haben. Die Frage von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Angehörige im Alter gewinnt daher zunehmend an Bedeutung.


Thema Demografie

Nicht zuletzt deshalb werden auch im Landkreis Kronach, nämlich in der Kreisstadt, in Buchbach und Steinwiesen, Mehrgenerationenhäuser (MGH) betrieben. Zehn Jahre ist es nun her, dass der BRK-Kreisverband unter der damaligen Leitung von Sabine Scherbel das erste Mehrgenerationenhaus in Kronach etablierte. Demografie, so erklärt BRK-Kreisgeschäftsführer Roland Beierwaltes, sei zwar schon damals ein Thema gewesen, hatte aber längst nicht die Präsenz wie heute.

Die Politik jedoch habe die Zeichen der Zeit erkannt. Es wurde ein Aktionsprogramm für Mehrgenerationenhäuser ins Leben gerufen. Das war der Startschuss für das Mehrgenerationenhaus in Kronach. "Uns ging es um die Schaffung eines Dreh- und Angelpunktes für Generationen", so Beierwaltes.

Heute ist Kerstin Hinz die Koordinatorin dieser Einrichtungen. Das bedeutet, sie ist in den BRK-Mehrgenerationenhäusern regelmäßig anwesend, sie organisiert Veranstaltungen und wirkt bei der Programmgestaltung mit. Und sie hat die Erfahrung gemacht: "Die Generation 50 plus will sich in die Gesellschaft einbringen. Die ältere Generation ist in der Mehrheit aktiv. Ihr liegt daran, ihr Wissen, ihre Erfahrungen an die Jüngeren weiterzugeben.
Bei den Jüngeren hat Kerstin Hinz festgestellt, dass bei den ersten Treffen in den Mehrgenerationenhäusern gewisse Berührungsängste vorhanden sind. Aber schon bald pflegten Kinder einen unkonventionellen Umgang mit den Senioren. "Sie helfen gerne, hören zu, wenn die Senioren aus ihrer Kindheit berichten." Und natürlich finden auch gemeinsame Aktivitäten wie Basteln, Musik machen etc. statt.

Während Kerstin Hinz und auch Roland Beierwaltes über die Entwicklung ihrer Mehrgenerationenhäuser reden, wird klar, dass diese Einrichtungen nicht nur ein generationenübergreifendes Miteinander vermitteln, sondern auch mittlerweile wichtige Betreuungseinrichtungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind. Es wird auch deutlich, dass bei den Mehrgenerationenhäusern ein Netzwerk vorhanden ist, in dem Vereine, Kindergärten, die Volkshochschule, Kommunen, und auch andere Wohlfahrtsverbände, wie beispielweise die Caritas im MGH-Steinwiesen, im Programmablauf mit eingebunden sind.

In den Mehrgenerationenhäusern stehen unter anderem Sport-, Bildungs- Beratungs- und Freizeitangebote auf dem Programm. Stark angenommen werden auch die Ferienangebote für Kinder. Es finden unter anderem musikalische Nachmittage, Strickstammtische, Bastelnachmittage, Musikstunden, Babysitterkurse, Workshops etc. statt. Wie Kerstin Hinz betont, stehen die Angebote jedem offen, egal, welcher Generation, Religion und Nationalität

Demnächst, so erzählt Kerstin Hinz, sollen die Angebote im sportlichen und auch im Umwelt-Bereich erweitert werden. Sie will auf jeden Fall Vorträge zum Thema Einbruch- und Brandschutz abhalten. Auch wird verstärkt Integration von Flüchtlingen ein Thema werden.

Sowohl sie als auch Roland Beierwaltes freuen sich nun, dass die Mehrgenerationenhäuser - nachdem das Aktionsprogramm für diese Einrichtungen zu Jahresende ausläuft - im neu aufgelegten Bundesprogramm für Mehrgenerationenhäuser Berücksichtigung finden. Das heißt, es werden weiterhin Personal- und Sachkosten gefördert.

Mehr Infos bei zu den Mehrgenerationenhäusern beziehungswiese Programmen gibt es bei Kerstin Hinz (Telefon 09261/6072-906) oder unter mgh@kvkronach.brk.de. Aktuelle Neuigkeiten gibt es zudem auf der Homepage unter www.brk-kronach.de.



Gemeinschaft Mehrgenerationenhäuser (MGH) sollen zentrale Begegnungsorte sein, an denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt wird. Das war der Grundgedanke 2006, als die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen das Konzept der "MGH" vorstellte. Als Partner sitzen Träger mit im Boot; das können Wohlfahrtsverbände oder auch Kirchen sein. Sie bewerben sich beim Familienministerium für die Einrichtung eines Mehrgenerationenhauses, das in der Kommune Raum bietet für gemeinsame Aktivitäten und ein neues nachbarschaftliches Miteinander schaffen soll.

Generationen Der generationenübergreifende Ansatz gibt den Mehrgenerationenhäusern ihren Namen und ist laut dem Bundesfamilienministerium Alleinstellungsmerkmal: Jüngere helfen Älteren und umgekehrt. Dieses Zusammenspiel soll Alltagskompetenzen und Erfahrungswissen bewahren.

Offenheit Mehrgenerationenhäuser stehen allen Menschen vor Ort - unabhängig von Alter oder Herkunft - offen. Der "Offene Treff" (Bistro oder Café) ist Mittelpunkt jedes Hauses. Hier kommen Menschen ins Gespräch und knüpfen Kontakte.

Bildung Bundesweit gibt es inzwischen weit mehr als
450 Häuser des "Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser II". Jedes MGH gibt sich einen oder mehrere Schwerpunkte und bildet damit ein eigenes Profil aus. Schwerpunkte können sein: Senioren, Familienfreundlichkeit, bürgerschaftliches Engagement; gerade in jüngerer Zeit ist zu der Bildung die Integration von Flüchtlingen hinzugekommen. Fast immer gibt es Lern- und Kreativangebote für Kinder und Jugendliche, Weiterbildungskurse für den Wiedereinstieg in den Beruf, Betreuungs- und Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige oder Demenzkranke und deren Angehörige sowie Sprachkurse für Migranten. Neben der engen Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommune kooperieren die Mehrgenerationenhäuser mit der lokalen Wirtschaft und vernetzen sich vor Ort mit Verbänden oder Kultur- und Bildungseinrichtungen. Sie verankern sich lokal.