Als die Kerzen im Frankenwald ersetzt wurden

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Maschinensaal des Elektrizitätswerkes Ludwigsstadt mit Schaltertafel um 1910
Maschinensaal des Elektrizitätswerkes Ludwigsstadt mit Schaltertafel um 1910
Der Industriepionier Franz Itting Reproduktion der Fotos: Gerd Fleischmann
Der Industriepionier Franz Itting Reproduktion der Fotos: Gerd Fleischmann
 

Wie im 19. Jahrhundert immer mehr Teile des Frankenwaldes mit Energiequellen versorgt wurden, hat Siegfried Scheidig herausgearbeitet.

In unserem hochtechnisierten Zeitalter ist alles lahmgelegt, wenn die Elektrizitätsversorgung - und sei es nur für kurze Zeit - ausfällt. Dann geht nichts mehr. Eine Welt ohne Elektrizität ist heutzutage kaum mehr vorstellbar.
Die elektrische Kohlebogenlampe auf der Weltausstellung 1878 in Paris läutete eine neue Zeit ein. Nach der Erfindung der Dampfkraft als Energiequelle beschleunigte die Elektrifizierung die industrielle Revolution. An dieser rasanten Entwicklung führte auch im Frankenwald kein Weg vorbei.

Kreisheimatpfleger Siegfried Scheidig aus Lauenstein leistete mit der Erforschung dieser Entwicklung Pionierarbeit. Im heimatkundlichen Jahrbuch des Landkreises Kronach, Band 28, publiziert er auf 49 Seiten mit wissenschaftlicher Akribie die Elektrifizierung im Bezirksamt Teuschnitz. Und zwar von den Anfängen in Ludwigsstadt im Jahr 1908 bis zum Anschluss Friedersdorfs 1941.

Die elektrische Energie eröffnete Anfang des 20. Jahrhunderts ungeahnte Möglichkeiten und schuf Erleichterungen in vielen Lebensbereichen. Zwar war die Nutzung Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland schon geraume Zeit in der Entwicklung, doch verstrichen noch etliche Jahrzehnte, bis die entlegensten Gebiete in den Genuss der neuen technischen Errungenschaft kamen.

Schon frühzeitig gab es im thüringisch-fränkischen Grenzland Kommunen und weitsichtige Unternehmer, die darin einen gewaltigen technischen Fortschritt erkannten. 1904 ging in Deutschland die erste Überlandzentrale, die Gemeinden mit Energie auf Wechselstrombasis versorgte, in Betrieb.
1906 entstand auch in Thüringen ein derartiges Versorgungsunternehmen. Im Landkreis Kronach spielte Ludwigsstadt eine Vorreiterrolle, fand Siegfried Scheidig heraus, der seinen bedeutsamen Beitrag mit 36 teils hochkarätigen Fotos und Illustrationen bereicherte.


Franz Itting treibt Ausbau voran

Schon im Herbst 1908 wurde ein Elektrizitätswerk errichtet, das seit Anfang 1909 Ludwigsstadt und im Jahresverlauf 1909 auch Ottendorf, Lauenstein und Lauenhain mit elektrischer Energie versorgte. Noch im gleichen Jahr folgte Steinbach an der Haide, das von der Anfang September in Probstzella in Betrieb gegangenen Überlandzentrale von Franz Itting profitierte. Ab 1912 kam auch Ebersdorf bei Ludwigsstadt in den Genuss von Strom. Der projektierte Ausbau des Ludwigsstädter Werkes über den Rennsteig Richtung Süden stieß auf den erbitterten Widerstand der inzwischen auf den Plan getretenen Großunternehmen. Ein jahrelanger Kampf entwickelte sich mit dem Ergebnis, dass im übrigen Bereich des Bezirksamtes Teuschnitz vorerst nichts mehr voranging. Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) machte dann ohnehin alle Ausbaupläne zunichte.

1915 kaufte Franz Itting das Ludwigsstädter Versorgungsgebiet und erhielt dann auch die Zusage für den weiteren Ausbau des Versorgungsnetzes im gesamten Bezirksamt Teuschnitz. Ab 1919 ging dann der Ausbau zügig weiter. Nun wurde auch der Tettauer Winkel elektrifiziert und die Überlandleitung von Probstzella über Teuschnitz, Pressig bis Heinersdorf 1920 fertiggestellt. Und im Rennsteiggebiet um Steinbach am Wald gründete sich eine eigene Elektrizitätsgenossenschaft, die von Franz Itting mit Strom versorgt wurde. Dagegen hinkte der östliche Teil des Bezirksamtes um Nordhalben noch hinterher, da dort ein erneuter Streit um die Ausbaupläne entstand. 1925 ist, bis auf Welitsch sowie Einöden, das gesamte Bezirksamt überregional mit Elektrizität versorgt.
Untrennbar verbunden mit dieser Entwicklung im Landkreis Norden ist der thüringische Industriepionier Itting, 1875 in Saalfeld geboren und 1967 in Ludwigsstadt gestorben.

Itting machte sich durch sein soziales Engagement einen Namen. Von 1925 bis 1927 baute er in Probstzella das Haus des Volkes als kulturellen Mittelpunkt in der Region. In der NS-Zeit wurde der Sozialdemokrat politisch angefeindet und inhaftiert. Nach Kriegsende galt Itting in der DDR als Kapitalist und wurde 1948 erneut inhaftiert. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis und Enteignung siedelte Itting nach Ludwigsstadt über.