Zu Besuch bei einer Darmkrebs-OP

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Teamwork am OP-Tisch: Kristina-Teresa Guist (links), Olimov Daler (Mitte) und Volker Fackeldey. Fotos: Sabine Herteux
Teamwork am OP-Tisch: Kristina-Teresa Guist (links), Olimov Daler (Mitte) und Volker Fackeldey. Fotos: Sabine Herteux
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Im OP-Saal der Klinik Kitzinger Land wird über Leben und Tod, das Schicksal vieler Menschen entschieden. Tag für Tag. Ein Besuch bei einer Darmkrebs-Operation.

Lose hängt sein Mundschutz unter seinem Kinn. Die Haare verdeckt unter der Haube. Die Hektik auf dem Flur ausgeblendet. Bis zehn Uhr abends war er gestern im OP. Gleich steht er wieder am Tisch. Bösartiger Enddarmtumor. Für Dr. Volker Fackeldey, Chefarzt an der Klinik Kitzinger Land, nichts Neues, schon dutzende Male gemacht, vorbereiten muss er sich darauf nicht mehr. Alles Routine.

Nicht jedoch für die Patientin. Erst einmal wurde sie operiert, der Blinddarm kam raus, ein vergleichsweise kleiner Eingriff. Diesmal ist es anders, ganz anders. Nur noch eine Suppe durfte sie gestern zu sich nehmen. Nervös starrt sie jetzt an die Decke. Praktikant Florian versucht sie zu beruhigen, streichelt ihr über die Schulter. I

n wenigen Sekunden wird sie schlafen, von all dem nichts mehr mitbekommen, erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist. Fackeldey hält vor der Scheibe für einen kurzen Moment noch einmal inne, wirft einen letzten Blick auf sie, während sie die Narkose in Tiefschlaf versetzt.

Schnitt mit elektrischem Messer
Und dann geht alles ganz schnell. Kaum in den Operationssaal geschoben, wird sie an sämtliche Geräte angeschlossen, zig mal verkabelt, mit Decken und Polstern so bequem wie möglich gelagert. Schwester Beate bereitet die Instrumente vor. Tupfer, Klemmen, Pinzetten, Scheren und Messer. Gleich hat sie alles beisammen - die letzten Handgriffe bevor es losgeht. Auch die beiden Assistenzärzte Olimov Daler und Kristina-Teresa Guist, die zusammen mit Fackeldey den Eingriff vornehmen, sind inzwischen da, bekommen von Schwester Kathrin den OP-Kittel umgehängt.

Im Radio läuft "Imagine" von John Lennon. "Imagine there's no heaven, it's easy if you try", still im Hintergrund. "Auf geht's", ruft Fackeldey mit dem elektrischen Messer in der Hand und setzt zum Schnitt an. Der Geruch steigt unangenehm in die Nase. Wie angekokelt. In nur wenigen Augenblicken liegt der Bauch offen da. Unterhalb des Brustkorbs bis runter zum Bauchnabel. Mit speziellen Haken muss er zurückgehalten werden. Es ist kurz vor 9 Uhr.

"Ich hab schon Angst", sagte die Patientin noch einen Tag vor der Operation. "Aber der Herrgott wird's schon richten", glaubt sie ganz fest. Sechs Wochen Bestrahlung und Chemotherapie liegen bereits hinter ihr. Im Januar diagnostizierte ihr Hausarzt den Krebs, nachdem sie eher nebenbei erzählte, dass sie ab und zu Blut im Stuhl habe. "Ich dachte erst an Hämorrhoiden", sagt sie. Gestreut hatte der bösartige Tumor im Mastdarm bis dahin zum Glück noch nicht.

Ins Schwitzen gekommen
Ins Schwitzen kommt Fackeldey dennoch. Immer wieder wischt er sich seinen Schweiß ab, wenn es gerade nicht anders geht auch mal am Kittel von Schwester Beate, die direkt neben ihm steht. "Darmkrebs-Operationen hatten wir dieses Jahr schon mehr als das ganze letzte Jahr", sagt Fackeldey. Dieser Tumor liegt allerdings besonders ungünstig. Direkt am Schließmuskel. Mit entfernt werden muss er jedoch nicht. Um an das betroffene Stück heranzukommen, müssen Verwachsungen des Darms mit Bauchspeicheldrüse, Magen und Milz gelöst werden.

Anästhesist Thomas Rötzer hat derweil einen Blick auf die Vitalparameter, den Kreislauf und alles andere, lässt die Patientin nicht einen Moment aus den Augen. Das Herz schlägt gleichmäßig, der Puls liegt bei 73. "Keiner ist so gut überwacht wie bei einer Narkose", versuchte er sie kurz vor dem Eingriff noch zu beruhigen.Viel geredet wird während der Operation nicht. Das ist aber nicht immer so: "Es gibt Operationen, da unterhält man sich schon mal über die Fußballergebnisse vom Wochenende", sagt Fackeldey.

Und dann ist es so weit. Kurz nach halb elf Uhr. Fackeldey setzt erneut zum Schnitt an. 30 Zentimeter des Darms kommen ab. "Wir entfernen ein bisschen mehr, um sicher zu gehen", erklärt er. Der Tumor selbst ist nicht größer als zwei Zentimeter. "Vor der Strahlentherapie war er mehr als das Doppelte groß." Das Geschwulst kommt zur Untersuchung direkt zu einem Pathologen. Der Patientin wird nun für zwei Monate ein künstlicher Darmausgang gelegt. "Damit die Wunde in Ruhe heilen kann", erklärt Guist. Heute Abend darf sie schon wieder trinken, wenn sie mag, auch eine Suppe oder einen Joghurt zu sich nehmen. Acht Tage muss sie jetzt im Krankenhaus bleiben, es folgen drei Wochen Reha und vier Monate Chemo.




Ihr Bauch ist inzwischen fast wieder zu, nur noch ein paar Stiche fehlen. Es ist kurz nach halb zwölf Uhr. Gleich hat sie es geschafft. Rötzer holt sie langsam zurück aus der Narkose, streichelt ihr über die Wange. Fackeldey braucht jetzt erst einmal einen Kaffee, sein Mundschutz hängt inzwischen wieder lose am Kinn. Aber nicht lange. Denn die nächste OP wartet schon, diesmal an der Galle.

Diagnose Darmkrebs ist der dritthäufigste Krebs. Frauen erkranken am häufigsten an Brust-, Männer an Prostatakrebs. Lungenkrebs ist bei Frauen und Männern auf dem zweiten Platz. Die Heilungschancen beim Darmkrebs sind umso besser, je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird. Eine Operation ist meistens unausweichlich. Nur bei einer weit fortgeschritten Erkrankung ohne Aussicht auf Heilung wird von einer Operation abgesehen.