Ob es sein Traumberuf ist, weiß Schreinerlehrling Lukas Theilacker im Moment zwar noch nicht. Sicher ist aber, dass er sich bei der Firma Ackermann in Wiesenbronn viel wohler fühlt als im Hörsaal - dem Pilotprojekt "Karriere im Handwerk" sei Dank.
Es ist laut. Lukas hat einen Ohrenschützer aus Kunststoff auf dem Kopf. Das war neu für ihn. Er kannte es vor allem leise, sehr leise. Zum Schutz vor Lärm steckte er sich sonst kleine Stöpsel ins Ohr - zum Lernen in der Bibliothek war er aber trotzdem nicht gemacht. Drei Monate studierte er Englisch und Geografie auf Lehramt. "Das war nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte." Heute fühlt er sich an seinem Arbeitsplatz bei der Firma Ackermann in Wiesenbronn so wohl wie ein Holzwurm in seinem Baumstamm.
Möglich gemacht hat das ein bundesweites Pilotprojekt mit dem Titel "Karriereprogramm Handwerk - Studienanschluss statt -abbruch". Handwerk und Hochschule arbeiten dafür eng zusammen - im Fall von Unterfranken die Handwerkskammer Service GmbH mit Thomas Gauer und Gabriele Wachter und die Universität Würzburg mit Dr. Petra Zaus.
Sie sind die ersten Ansprechpartner für Studenten, die ihr Studium nicht fortsetzen können oder wollen und einen Wechsel in eine berufliche Ausbildung anstreben.
Fit fürs Handwerk Sie waren es auch, als Lukas Theilacker nicht mehr weitermachen wollte an der Uni. Über eine Zeitungsanzeige war er aufmerksam geworden auf das Programm, meldete sich dann bei Gabriele Wachter. Die hatte drei Berufszweige für ihn: Hörgeräteakustiker, Metallbauer oder Schreiner. "Holz ist ein lebendiges Material, das Wärme ausstrahlt. Das hat mich gleich angesprochen."
Und der Auftritt von Lukas bei der Firma Ackermann hat die Verantwortlichen dort gleich angesprochen. Andrea Ackermann hatte ein gutes Gefühl - Lukas war der erste Azubi, den die Firma noch im Vorstellungsgespräch eingestellt hat.
Was vor allem überzeugte, war der Ehrgeiz des Oberpleichfelders.
"Die Studienabbrecher, die an diesem Programm teilnehmen, sind hochmotiviert, leistungsbereit und für eine Führungsposition prädestiniert", weiß auch Petra Zaus. In einem sogenannten Anamnese-Gespräch wird den Kandidaten auf den Zahn gefühlt und ein Profil erstellt. Gabriele Wachter hat das auch im Fall von Lukas so gemacht und als Vermittlerin zwischen Betrieb, Azubi und Uni fungiert.
"Wenn eine Arbeitsstelle nicht die richtige ist, werden eben andere Unternehmen abgeklopft", erklärt sie. "In der Regel leben sich die Leute aber sehr schnell in ihren Betrieben ein und werden unverzichtbar." Das sieht auch Lutz Schmiedel so. Er ist Lukas' Ausbilder im Betrieb und weiß um seine Stärken - aber auch um seine Schwächen. "Er hängt sich richtig rein und versucht, das aufzuholen, was ihm andere voraushaben.
Aber er hat auch Defizite, die er inzwischen kennt. Und er arbeitet intensiv daran."
Grundlagen nachholen Die sind natürlich vor allem praktischer Natur. Das Berufsgrundschuljahr fehlt Lukas nunmal, ein Jahr, in dem die Grundlagen in Praxis und Theorie gelegt werden. "In unserer Berufsschulklasse merkt man die Unterschiede schon", gibt der Lehrling zu. Auch wenn die Hände, versehen mit Holzleim und Hornhaut, inzwischen nicht mehr die eines Studenten sind - das Anpacken und Handwerken kam in seiner schulischen Karriere bisher zu kurz.
Das ist aber kein Beinbruch, schließlich hat Lukas noch ganz andere Qualifikationen.
"Die Studierenden haben an der Universität lernen gelernt", erklärt Petra Zaus. Davon wird der Betrieb profitieren - Stichwort Fachkräftemangel.
"Es gilt, an der Uni erworbene Kompetenzen und Kenntnisse für eine Karriere im Handwerk einzubringen", findet sie. "Die Universität Würzburg möchte auch denjenigen Perspektiven aufzeigen, die im Abschluss des Studiums nicht ihr persönliches Ziel sehen", sagt Petra Zaus. Das Projekt versucht, einen Beitrag zur Durchlässigkeit zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung zu leisten. Zur Freude aller Beteiligten - auch wenn die Strukturen noch nicht ganz ausgegoren scheinen.
Eine Zumutung? So vermutet Andrea Ackermann, dass gerade die Qualifikation zum Fachwirt, die schon nächstes Jahr auf den Querein-steiger zukommen soll, des Guten zu viel sein könnte. "Ich denke, man wollte so viel wie möglich hineinpacken - auch unter dem finanziellen Aspekt." Die Finanzierung der Fortbildung wird schließlich komplett übernommen.
Die Befürchtung ist, dass den ehemaligen Studenten zu viel zugemutet wird.
Thomas Gauer gibt zu, dass das Programm noch kleine Schwächen hat. "Aber es ist ja auch noch ein Pilot." Bis 2015 ist es angelegt, dann wird geprüft, ob die Struktur übertragen werden kann - möglicherweise leicht überarbeitet. Auf Lukas kommt bis dahin noch einiges an Arbeit zu - auch solche, für die er die kleinen Ohrstöpsel wieder aus der Schublade kramen darf.
Das Projekt Top-Betriebe bieten eine Premium-Ausbildung vorwiegend in Berufsfeldern wie Wirtschaft, Elektro- und Informationstechnik sowie Feinwerk-, Metall- und Holztechnik. Die Ausbildung inklusive Fortbildungen sind für den Lehrling kostenfrei, das Programm wird durch den europäischen Kulturfonds und die bayerische Staatsregierung gefördert.
Die Ausbildung Sie ist um ein Jahr verkürzt.
Parallel dazu erwerben die Teilnehmer die Qualifikation zum Technischen Fachwirt (HWK) und die Ausbildereignungsprüfung. Schon im dritten Jahr kann man eine gut bezahlte Stelle übernehmen und gegebenenfalls die fehlenden Teile der Meisterprüfung, nämlich Fachpraxis und Fachtheorie, nachholen. So erwerben die Premium-Azubis in kurzer Zeit die Grundlagen für Führungsaufgaben im Handwerk.
Die Effekte Die bisher weitgehend unbeachtete Zielgruppe der "Akademiker" kann einen Teil dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Griff zu bekommen und die Unternehmensnachfolge zu gewährleisten. Dabei ist die Premium-Ausbildung für Betrieb und Teilnehmer kostenlos.
Handwerk und Hochschule werden enger verzahnt, das Programm bietet neue Perspektiven für den Stellenwert und das Image der beiden Felder Handwerk und Hochschule.
Mehr Info gibt es unter
www.karriereprogramm-handwerk.de