Zu Weihnachten locken noch mehr kulinarische Schmankerln die Naschkatzen und andere Genießer. Diätassistent Andreas Kaiser weiß, wie man ihnen widersteht - oder eben auf die richtige Art und Weise nachgibt.
Weihnachten steht vor der Tür - und in den meisten Haushalten steht auch schon das Menü für die Feiertage fes:. Würstchen mit Kartoffelsalat am Heiligen Abend, Gänsebraten mit Blaukraut und Klößen und danach ein leckeres Eis mit heißen Kirschen - das sind die Klassiker für die Feiertage. Dazu kommen Plätzchen, Glühwein und deftige Brotzeiten am Abend. Und die Figur? Die verabschiedet sich bis zum Neujahrstag, wenn man den Vorsatz gefasst hat, endlich ein bisschen abzunehmen. Diätassistent Andreas Kaiser kennt diese Vorsätze - die in der Regel schnell wieder gebrochen werden. Er versucht, seine Patienten langfristig auf den richtigen Ernährungsweg zu bringen - und hat auch für die fetten Feiertage einige Tipps parat.
Im Moment locken allerlei kulinarische Verheißungen - Plätzchen, Glühwein, Rostbratwurst.
Können Sie da widerstehen?
Andreas Kaiser: Ich bin da wie jeder andere Mensch auch, ich esse auch mal eine Bratwurst oder ein paar Plätzchen. Bei Glühwein kann ich widerstehen, den mag ich nicht. Aber ansonsten kommt es grundsätzlich darauf an, was, wann und wie viel ich davon esse.
Haben Sie dann ein schlechtes Gewissen, wenn Sie in die Bratwurst beißen?
Ich habe dann kein schlechtes Gewissen. Es geht immer um die Frage, wie viel ich esse und wo ich es begrenzen kann. Das ist nicht nur bei den Plätzchen so, sondern bei allen Lebensmitteln.
Gibt es dann einen optimalen Ausgleich, zum Beispiel Sport?
Natürlich kann man die Situation mit Bewegung verbessern, es geht aber auch ohne Sport. Man kann bei anderen Mahlzeiten große Kalorienquellen weglassen, mal auf Gemüse ausweichen, Fleisch und Kohlehydrate weglassen.
So kann ich die ein oder andere Bratwurst schon mal ausgleichen, esse vielleicht zu Mittag mal nur einen Salat und kann so Kalorien einsparen, ohne dass ich mich groß bewege.
Das klappt vielleicht bei Erwachsenen - und schon da ist es schwer. Gerade an Weihnachten kann man aber doch erst recht Kindern kaum klarmachen, dass irgendwann Schluss sein muss mit Schokolade und Plätzchen?!
Das ist nicht unbedingt ein Problem von Weihnachten und Nikolaus, das ist eigentlich ein Ganzjahresproblem. Wenn die Kinder das ganze Jahr über Süßigkeiten verfügen können, wie sie wollen, dann werden sie das an Weihnachten erst recht machen. Wenn sie es aber schon gelernt haben, dass es vielleicht ein Mal am Tag einen Schokoriegel gibt, dann wissen sie auch, dass sie zu besonderen Anlässen nicht alles auf einmal in sich hineinstopfen dürfen.
Andererseits kann es auch so sein, dass die Kinder, die das ganze Jahr über nicht so viel Süßes bekommen dann bei der Menge, die es an Weihnachten gibt, erst recht zuschlagen - aus Verlustangst und weil sie sich sagen: "Das muss ich jetzt ausnutzen, ich kriege ja das ganze Jahr über nichts mehr".
Und wenn die Eltern dann versuchen, die Kleinen auszubremsen, hat das wenig Erfolg - schließlich ist alles, was verboten ist, umso interessanter. Wenn man aber vernünftig erklärt, dass es ihnen niemand wegnimmt, wenn sie es sich aufheben und immer wieder ein bisschen was naschen, dann werden alle zufrieden sein. Schokolade und Plätzchen und andere Näschereien tauchen im Ernährungsplan der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Beispiel gar nicht auf, das sind Genussartikel.
Wenn ich die aber in meine tägliche Ernährung mit einbaue, kann ich mich gar nicht so richtig freuen, wenn ich dann MAL etwas davon bekomme.
Da müssen die Eltern dann aber auch mit gutem Beispiel vorangehen und nicht selber alles in sich hineinfuttern. Wenn die Kinder dann zuschauen müssen und irgendwann sagen: "Ihr macht es ja selbst so" ist das nicht konstruktiv.
Natürlich kommt es auch immer darauf an, wie das Kind körperlich beieinander ist. Hat es vielleicht schon Adipositas? Dann muss man natürlich aufpassen - das ist schließlich keine ungefährliche Krankheit.
Und man kann einen Ausgleich schaffen durch gesunde Mahlzeiten - viel Gemüse, vitaminreiche und kalorienarme Gerichte?
Auf jeden Fall. Was Sie da mitgebracht haben (siehe Einkaufsliste und Rezept) ist auf jeden Fall schon einmal ein guter Anfang - wenn das Gemüse nicht mit fetten Sahnesoßen oder Einbrenne gekocht wird.
Einfach dünsten, mit Kräutern und Gewürzen abschmecken und fertig. Wichtig ist auch, dass man keine "Wirtshausportionen" serviert. Da ist das Gemüse nur als Dekoration vertreten für die übergroßen Fleisch- und Kohlehydrate-Portionen. Dabei ist das richtige Verhältnis mit einer großen Gemüse-Portion, weniger Kohlehydrate und eine kleine Fleischportion. 600 Gramm Fleisch und Wurst sollte ein erwachsener Mensch höchstens in der Woche essen - das hat man schnell beieinander mit zwei normalen Fleischportionen und der Wurst aufs Brot.
Dann kommt wieder das Gemüse ins Spiel: Drei Portionen sind am Tag empfohlen, und wenn beim Mittagessen schon eine größere Menge verspeist wird, hat man auch das schneller beieinander. So wird man auf andere, gesündere Weise satt. Wenn man bedenkt, dass 50 Prozent der Bevölkerung übergewichtig ist, wäre das die sinnvollste Variante für alle.
Natürlich brauchen manche mehr Eiweiß und andere mehr Kohlehydrate. Aber das hat nichts mit einem bestimmten Nahrungstyp zu tun, sondern einfach damit, wie viel derjenige an Energie verbraucht.
Dann ist an diesem uralten Spruch mit Kaiserfrühstück, königlichem Mittagessen und am Abend Speisen wie ein Bettler, schon etwas dran?
Da ist schon etwas dran - ohne sich jetzt an die Begrifflichkeiten zu klammern. Am praktischsten wäre, frühs die kalorienreichste Mahlzeit zu sich zu nehmen, mittags dann etwas weniger und abends noch etwas weniger. So wird die Energie optimal eingeteilt. Aber da macht es Sinn, sich den individuellen Tagesablauf anzuschauen und dann einen Plan zu erstellen. Gerade bei übergewichtigen Personen macht es Sinn, sich seine Essstruktur einmal anzuschauen.
Bei vielen ist es eben so, dass sie ohne Frühstück aus dem Haus gehen, mittags auf der Arbeit keine Zeit haben zum Essen und dann am Abend denken: "Ich hab ja den ganzen Tag noch nichts gegessen, also her damit".
Wie sinnvoll ist es dann, am Abend zum Beispiel die Kohlehydrate wegzulassen?
Das ist schon sinnvoll in dem Sinne, dass man weniger Kalorien zu sich nimmt - schließlich macht man am Abend ja fast nichts mehr, außer auf der Couch zu sitzen und sich dann ins Bett zu legen. Da sind wir dann bei der Kalorieneinlagerung, weil die Energie nicht verbraucht wird. Überhaupt werden viel zu viele Kohlehydrate gegesssen. Wenn eine Familie zu viert 500 Gramm Nudeln (Trockengewicht) isst, dann sind das eigentlich acht Portionen und damit doppelt so viele Kohlehydrate wie empfohlen. Das ist dann das Energieplus, das auf die Dauer eingelagert wird.
Um abzunehmen, muss ich aber ein Energiedefizit schaffen - also entweder mehr verbrauchen oder weniger zu mir nehmen.
Aber ein Schnaps nach dem Essen hilft doch, die Verdauung anzuregen?
Das ist definitiv ein Mythos. Das einzige, was wirklich hilft, ist ein Spaziergang danach, weil die Energieverbrennung angeregt wird. Der Schnaps nach dem Essen ist eigentlich eine Bremse, weil Alkohol ein Gift für den Körper ist, das schnellstens abgebaut werden muss. In der Zeit werden die anfallenden Endprodukte des Essens - Zucker, Proteine, Fett - nicht abgebaut und für schlechte Zeiten eingelagert. Das ist grundsätzlich das Problem mit dem Alkohol, gerade wenn man viel davon trinkt. Dann liegt man im Bett, tut nichts mehr, und die Leber ist mit dem Alkoholabbau beschäftigt. Da hat sogar schon das Feierabendbier seine Tücken.
Um auf Weihnachten zurückzukommen: Stellen wir uns doch mal den klassischen 1.
Feiertag vor: Kein Frühstück, weil man noch von Würstchen mit Kartoffelsalat am Vorabend satt ist, zu Mittag den Gänsebraten mit Kloß und Blaukraut und als Nachspeise Eis, am Nachmittag Kaffeetrinken bei der Verwandtschaft mit Plätzchen und Zimttorte und abends bei der anderen Verwandtschaft eine gscheite Brotzeit mit Schwarzbrot, Hausmacher und Essiggurken. Das ist doch der Horrortag für einen
Diätassistenten?
Das ist ein heftiger Tag. Vor allem: Man isst mehr, als man eigentlich bräuchte - und als man eigentlich will. Gans gibt es nicht alle Tage, und obwohl man die Plätzchen so langsam satt hat, will man ja niemanden verärgern und doch irgendwie die letzte Chance nutzen, so richtig alles abzugreifen.
Die Kombination zu Mittag ist ja gar nicht so verkehrt, aber man sollte keine zwei Portionen Gans mit fünf Klößen und wenig Blaukraut nehmen, sondern wenig Fleisch, vielleicht auch ohne Haut, eine Kloß und viel Blaukraut. Nachmittags heißt es nicht umsonst "Kaffeetrinken" und nicht "Kuchenessen" - im Zweifel gibt es dann aber eben ein kleineres Stück. Und am Abend kann man sich mehr an die Essiggurken halten und ein bisschen mit Wurst und Brot sparen. So esse ich auch,
aber mit weniger Kalorien. Schließlich gibt es ja auch noch einen 2. Feiertag (lacht).
Was gibt es denn bei Ihnen an Weihnachten?
Am Heilig Abend gibt es bei uns tatsächlich traditionell Würstchen und Kartoffelsalat. Ansonsten weiß ich es noch gar nicht, weil wir an den Feiertagen eingeladen sind. Ich lasse mich überraschen, werde versuchen, mich an die richtigen Maßen zu halten - und daran zu denken, wie viel ich esse, was und wann.