Kunst geht fremd und zeigt Kante

Bismarck hätte getobt, wenn man ihm eine Monstranz in die Wohnung gestellt hätte. Hat man aber. Das ist der Witz an der Aktion „Kunst geht fremd“, die diesen Mittwoch in 15 unterfränkischen Museen startete. Dabei leihen Sammlungen ausgewählte Stücke für ein Vierteljahr an Kollegenhäuser aus. Zum Beispiel legt das Jüdische Kulturmuseum Veitshöchheim ein Steinbruchstück mit Davidstern unter die Versteinerungen des Euerdorfer Trias-Museums – ein epochaler Bruch in den Vitrinen. Geschichte liegt im Auge des Betrachters.
Ebenfalls eine historische Chance sah die bischöfliche Museenverwaltung, die das Museum Johanniskapelle in Gerolzhofen betreibt. Von hier ging das eingangs erwähnte Hostien-Prunkgefäß nach Bad Kissingen, mitten in den Historischen Festsaal der Bismarckwohnung. Da hätte der Reichskanzler sich arg dran gestoßen, schließlich wollte er dem frisch gegründeten deutschen Kaiserreich ab Anfang der 1870er möglichst viele Rechte aus der Verfügungsgewalt der Kirchen sichern – Stichwort Kulturkampf. Beide gar so beredten Gastexponate erfüllen auf ihre Weise ideal das Jahresmotto „Kante zeigen“. Die Leiterin der Schweinfurter Kunsthalle, Andrea Brandl, gab gern zu: „Die Lösungen in den einzelnen Häusern sind zum Teil ein bisschen verrückt.“ In den neun Jahren im Dienst des Reihumtausches haben die Altertumsverwalter jedenfalls eine erfrischend unkonventionelle Denke entwickelt. Das heißt: Die Katholiken mit ihrem Museum Johanniskapelle sind heuer das erste Mal dabei. Vorgeschlagen hatte sie der unterfränkische Bezirksheimatpfleger Klaus Reder. Die Schweinfurterin Andrea Brandl berichtete von bundesweiten Konferenzen ihrer Branche: Wenn sie dort die Reihe „Kunst geht fremd“ vorstelle, bekomme sie große Aufmerksamkeit für diese „geniale Idee mit so einfachen Mitteln“. Für die stellvertretende Kulturreferentin Kitzingens, Elvira Kahnt, ist bezeichnend, dass dabei weder Größe noch Bedeutung der Sammlung zählen, sondern „die Originalität des Tauschobjekts“. Kahnt war gemeinsam mit Hausleiterin Daniela Sandner Gastgeberin im Deutschen Fastnachtmuseum Kitzingen, wo alle Leihgeber ihre Objekte vorstellten, zumindest als Lichtbild. Das Fastnachtmuseum hat übrigens eine große dämonische Holzmaske („kantig“) aus der Schweiz an die Kunsthalle Schweinfurt spediert. Georg zeigt dem Drachen Kante: Die ritterliche Figur aus Schloss Aschach thront diesen Sommer in der Kreisgalerie Mellrichstadt – als einziger Mensch inmitten reiner Tiergemälde.
Die Rhöner demonstrieren auf diese Weise ihre Sicht auf den herrschenden Bezug des Menschen zur Natur. Der Glasspezialist Leonhard Tomczyk aus dem Lohrer Spessartmuseum erhellte die Hintergründe eines Steingutservices: In den 1950er und frühen 1960er Jahren lebte eine anthroposophische Künstlerkolonie in Lohr, sei aber von den Einheimischen so wenig geachtet gewesen, dass sie sich schließlich wieder ins Land Rudolf Steiners zurückgezogen hätte.
Die Trinkgefäße blieben und machen jetzt einen Abstecher zu anderen, formal gewöhnlicheren Haushaltsgegenständen in Schloss Aschach. Hier ist die Kante einmal bemerkenswert rund. Weitere beteiligte Häuser sind das Schlossmuseum Aschaffenburg, das Museum Obere Saline Bad Kissingen, das Heimatmuseum Ebern, Knauf-Museum Iphofen, Museum Burg Miltenberg und Barockscheune Volkach sowie das Würzburger Museum im Kulturspeicher. Zu sehen gibt es außer den genannten Exponaten je drei Bilder und Skulpturen, eine Versteinerung, eine Wetterfahne und einen Bauhaus-Baukasten. Mainfranken-Ausflügler sollten also außer Weinkauf und Bratenmahlzeit bis 3. November stets auch einen kleinen Museumsbesuch einkalkulieren.