Wildkräuter in Wiesen und Wäldern werden häufig unterschätzt. Kräuterführer wissen um ihre Heilkraft, aber auch um ihre Gefahr.
Maria Halbleib streckt die Hand aus, streicht zart über eine Pflanze. „Die Knoblauchsrauke blüht heuer wie verrückt“, sagt die Iphöferin über das Gewächs, an dem die meisten achtlos vorübergehen, weil es einer Brennnessel ähnelt. Die Kräuterführerin weiß aber genau, was da wächst am Wegesrand und gibt beim Spaziergang so manchen Tipp – vom Gelee aus Löwenzahnblüten über Pesto aus der Knoblauchsrauke bis hin zum Gänseblümchen als essbare Dekoration für Speisen.
Treffpunkt Mittelwaldpavillon zwischen Iphofen und Birklingen, im Schatten der Bildeiche: Hier startet ein Rundwanderweg durch Wiesen und Wälder. Ein idealer Ort, um in die Vielfalt der heimischen Wildkräuter einzuführen, findet Maria Halbleib. Hier und am historischen Weinberg in Iphofen hält sie am liebsten ihre Kräuterführungen. An beiden Stellen sind teils völlig unterschiedliche Gewächse zu finden.
Eine markante und den meisten daher auch bekannte Pflanze sticht schon beim Aussteigen am Parkplatz ins Auge: Schlüsselblumen säumen den Wegesrand. Sie siedeln sich gerne auf mageren Böden an und sehen nicht nur schön aus. „Aus ihren Wurzeln lässt sich Tee herstellen, der bei Bronchialproblemen hilft“, erzählt Maria Halbleib. „Er wirkt schleimlösend. Und die Blüten schmecken im Salat“. Allerdings sind Schlüsselblumen geschützt und dürfen nur in ganz geringer Zahl gepflückt werden. Wer ihre Wirkung nutzen will, muss auf Produkte aus kommerziellem Anbau zurückgreifen.
Zweitname Hühnerdarm
Wenige Meter weiter geht Maria Halbleib kurz in die Hocke, pflückt ein Stück einer Pflanze ab: die Vogelmiere, die sich gerne ansiedelt, wo der Boden frisch bearbeitet wurde. Sie ist gut für die Mineralstoffversorgung des Körpers und lässt sich in Smoothies verwerten. Aber Vorsicht: „Sie heißt auch Hühnerdarm, weil Fäden in den Stängeln sind. Schneidet man sie nicht klein, wickeln sie sich in den Mixer und lassen sich nicht mehr lösen.“ Zudem wächst die Miere, auf die Maria Halbleib gerade zeigt, direkt am Parkplatz, ein fürs Kräutersammeln eher ungeeigneter Ort. „Man muss schon ein bisschen aufpassen, wo man die Kräuter holt.“ Neben Feldern, die gespritzt oder gedüngt werden, rät sie davon ab, und auch dort, wo Hunde ihr Geschäft erledigen – was ja an Parkplätzen oft der Fall ist.
Nach der Vogelmiere geht es Schlag auf Schlag. Alle paar Meter, oft alle paar Zentimeter, ein neues, interessantes Gewächs. Was für den Laien aussieht wie ein grünes Durcheinander von Gräsern, Blumen und Kräutern, ist für den Kenner eine Fundgrube an Heil- und Genusspflanzen. Und für Maria Halbleib eine wahre Freude.
Sie begeistert sich schon lange für Kräuter, „berufsbedingt“, wie sie sagt: Sie arbeitet in einer Apotheke und hat somit täglich mit Heilmitteln zu tun, sowohl aus der Natur, als auch aus dem Labor. Vor drei Jahren hat sie bei dem Würzburger Biologen Joachim G. Raftopoulo eine Ausbildung zur Kräuterführerin absolviert. Sie hat gelernt, Wildkräuter zu bestimmen, weiß, wie sie aufgebaut sind, wann sie blühen, hat Brauchtum und Mythologie kennen gelernt und die Anwendung, sowohl in der Heilkunde, als auch beim Kochen.
Um Kräuter zu verzehren, muss man natürlich wissen, welche genießbar und welche gefährlich sind. „Finger weg!“, sagt sie über die Dotterblume, die wie alle Hahnenfußgewächse giftig ist. Äußerste Vorsicht ist beim Wiesenkerbel angebracht, dessen junge Blätter zwar essbar sind, der aber leicht mit giftigen Doldenblütlern wie dem Schierling oder dem betäubenden Hecken-Kälberkropf zu verwechseln ist. Letzterer ist auch als Taumel-Kälberkropf bekannt. „Da wird einem ganz taumelig“, warnt die Kräuterführerin.