Die Sickershäuser verknüpfen moderne und alte Technik – und locken alle Einwohner zweimal wöchentlich zum Lauschen der Ortsrufanlage vor die Haustüre.
Das Dorfleben, wie man es in Sickershausen kennt, gibt es gerade nicht. Keine Kaffeekränzchen auf dem Spielplatz, keine Schwatzrunden beim gemeinsamen Gassi gehen. Der Fußballplatz, der sonst jeden zweiten Sonntag zum Treffpunkt für Jung und Alt wird, ist genauso verlassen wie das örtliche Gasthaus, das seine Türen vorübergehend geschlossen hat. Der Preisschafkopf ist abgesagt, die geplante Jungweinprobe auf Eis gelegt – das Vereinsleben liegt still. Corona hat das Dorf im Griff.
„Wir sollten zeigen, dass Sickershausen trotzdem zusammenhält.“ Auf diesen Gedanken kam Tanja Backhaus beim Telefonieren mit ihrer Freundin Alex Köhler. Ein Gläschen Wein und zwei Nächte später war die Idee gereift. Weitere Sickershäuser wurden per „WhatsApp“ und Telefon ins Boot geholt und schnell die Ortsrufanlage ins Gespräch gebracht.
Sickershausen ist eine von wenigen Gemeinden, die eine solche Anlage besitzt. Im ganzen Ort verteilt befinden sich Lautsprecher, befestigt an hohen Masten oder Häusern. Im Jahr 1966 wurde die Anlage errichtet – zur Verbreitung von lokalen Neuigkeiten und amtlichen Verkündigungen. Das waren Zeiten, in denen noch keiner ans Internet dachte.
Mit der besseren Verfügbarkeit von Rundfunk, Fernsehen und Tageszeitungen in vielen Haushalten nahm die Bedeutung von Ortsrufanlagen so weit ab, dass in den meisten Gemeinden der Betrieb wieder eingestellt wurde. Nicht aber in Sickershausen!
Hier verkündet nach wie vor jeden Donnerstag, um 18 Uhr, laute Marschmusik, dass jetzt die wichtigsten Nachrichten aus dem Dorf verlesen werden. Gerade die älteren Bürger versammeln sich dann vor ihren Hoftoren und am Straßenrand. Der Sickershäuser Gerd Pfau – oder seine Frau Elke – sitzt unterdessen schon in einem kleinen „Tonstudio“ im Sickershäuser Rathaus und greift zum Mikrofon. Die Durchsagen werden nämlich nicht aufgezeichnet, sondern immer live verlesen.
Mit der Verkündung von Vereinsnachrichten sieht es in Zeiten von Corona jedoch mau aus. Da kam die Idee der Sickershäuser Bürgerinitiative also wie gerufen. Wie üblich jeden Donnerstag – plus zusätzlich am Montag – wird jetzt aktuell eine 15-minütige Sickershäuser „Sondersendung“ ausgestrahlt. Die Beiträge sind bunt gemischt. Zu Beginn erklingt ein Lied von Bernice Ehrlich, deren Corona-Version des Songs „Halleluja“ auf Facebook millionenfach angeschaut wurde. Nach persönlicher Anfrage war sie gerne bereit, die Sickershäuser Aktion zu unterstützen.
Für die kommenden Durchsagen soll dieses Lied durch ein selbst gesungenes von Sickershäuser Kindern ersetzt werden. „Ein fröhlicheres Lied, das Hoffnung macht“, sagt Carina Gringel, die die Idee dazu hatte. Ihre Tochter Celina und einige Freundinnen haben sich dafür bereit erklärt und ihr heimisches Wohnzimmer ebenfalls zum Tonstudio umfunktioniert.