Rezepte gibt es viele, aber dafür müssen der Einzelne und die Gesellschaft etwas tun.
Der Satz ist tabu: „Ich bin einsam“, das sagt keiner. Und doch ist Einsamkeit allgegenwärtig in unserer Gesellschaft. Die Mitarbeiter der Aktionen „Eine Stunde Zeit“ spüren das bei vielen ihrer Besuche – in Halbsätzen, in Blicken, in Gesten. Und sie wissen um die vielfältigen Gründe für dieses Gefühl.
Lorenz Kleinschnitz ist Diakon in Schwarzach. Einer, der anderen gerne weiterhilft. Der für sie da ist und zuhören kann. Der sie ein Stückweit aus ihrer Einsamkeit herausholt. Aber er ist auch einer, der weiß, wie sich Einsamkeit anfühlt. Etwa 15 Jahre ist es her, da hat er seinen Job in der Industrie aufgegeben, freiwillig und ohne Zwang, aus Vernunftgründen. „Einen Tag später habe ich gemerkt, dass die Leute mir fehlen.“ Das Umfeld mit den Kollegen, die Struktur in seinem Leben waren plötzlich weg.
Wer in seine Augen blickt, wenn Kleinschnitz das erzählt, der sieht noch heute den Schmerz, der mit dieser Erfahrung verbunden war. Mit dem Gefühl, allein zu sein, ausgeschlossen aus der Gemeinschaft, der er bis dahin angehört hatte. Obwohl er Familie hat, obwohl andere für ihn da waren. Er hat sie und seine Freunde vor den Kopf gestoßen, sagt er rückblickend. „Ich wollte nicht über meine Gefühle reden.“ Ein Jahr hat es gedauert, bis er merkte, dass er seine Vergangenheit loslassen muss, damit er in der Zukunft eine Chance hat.
Eine Erfahrung, die auch Brigitte Barthel gemacht hat. Auch sie hat das Ausscheiden aus dem Beruf zunächst in die Einsamkeit geführt. Das Angebot, in Rente zu gehen, kam relativ plötzlich, und sie fand es klasse, sagt sie. Die Vorstellung gefiel ihr, Zeit für sich zu haben und für das, was bislang zu kurz kam. „Aber dann war plötzlich alles weg.“ Auch sie hat lange gebraucht, bis sie wieder Struktur in ihrem Leben hatte und das Gefühl des Verlustes, der Einsamkeit schwand.
Die Rente, ein Berufswechsel, ein Umzug, Krankheit und Tod, selbst Schwerhörigkeit – all' das sind häufig Auslöser dafür, dass Menschen sich einsam fühlen. Wobei Einsamkeit ein subjektives Gefühl ist, das andere oft gar nicht nachvollziehen können.
„In der Adventszeit fühlen sich die Menschen schneller einsam. Viele haben Angst vor dem Heiligen Abend.“
Lorenz Kleinschnitz, Diakon
Brigitte Barthel und Rosi Moser engagieren sich für „Eine Stunde Zeit“ im Raum Schwarzach. Elf dieser Kreise gibt es im Landkreis Kitzingen. Die ehrenamtlichen Mitglieder besuchen andere Menschen, die sich auf die Begegnung freuen. Nicht alle sind einsam, es gibt auch andere Gründe für die Besuche, wie die Unterstützung von Familien zum Beispiel. Doch das Thema Einsamkeit schwingt häufig mit bei ihren Begegnungen, vor allem, wenn sie zu Älteren kommen, und vor allem in der dunklen Jahreszeit. Nicht nur, weil die Tage kürzer sind, sondern auch, weil die Advents- und Weihnachtszeit so glorifiziert wird. „Da fühlen sich die Menschen schneller einsam“, weiß Lorenz Kleinschnitz. „Viele haben Angst vor dem Heiligen Abend.“
Die „Zeitverschenker“ können die Einsamkeit nicht hinfortzaubern. Aber sie bieten den Menschen ein offenes Ohr. „Vielen ist es ein Bedürfnis, einfach mal reden zu können“, sagt Rosi Moser. Da geht es nicht um den guten Ratschlag, um die konkrete, greifbare Hilfe. „Es geht ums Gegenüber.“