Der Herr der Namen

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Er findet heraus, warum wir heißen, wie wir heißen: Oliver Ultsch ist in Sachen Namensforschung ein Fuchs. Fotos: Pia ULTSCH
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Lkr Kitzingen
Die Rangliste der häufigsten Nachnamen im Kreis Kitzingen (Quelle: https://legacy.stoepel.net/de/Infos).
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Hassdenteufel und Morgenschweiss: Oliver Ultsch weiß, warum Menschen auch in Franken teils kuriose Namen tragen – oder eben Güntner, Bischof und Vierrether heißen.

Namen sind Schall und Rauch. Für einen solchen Satz erntet man bei Oliver Ultsch pure Missbilligung. Der Coburger beweist: Jeder Name hat eine Geschichte – und viele davon sind richtig spannend. Vor allem die fränkischen.

Nomen est Omen, heißt es – der Name ist Programm. Stimmt das?

OLIVER ULTSCH: Früher war das auf jeden Fall so. Jeder Name hatte einst einen Hintergrund und half, die Menschen zu unterscheiden. Heutzutage wäre es unfair, den Namensträger so eindimensional zu behandeln. Denn in jedem steckt ja mehr als „nur“ der eine Nachname. Ich heiße zwar Ultsch – aber ich bin viel mehr als diese thüringische Variante des Vornamens Ulrich.

Jetzt bin ich neugierig. Was sind Sie noch alles?

Ich bin auch ein Müller und ein Fischer, ein Steiner und ein Faber, ein Eckstein und ein Schultheiß und ein Koch und ein Morgenroth. Diese Namen trugen meine Vorfahren. Und noch Hunderte mehr. Im Prinzip bin ich ein buntes Sammelsurium. Und wenn man dann von Schicksalsschlägen liest, gerade während des 30-jährigen Kriegs, und dass nur ein einziges Kind – mein Vorfahre – aus der ganzen Familie überlebte, dann stellt man fest: Wäre eine einzige Sache mal anders ausgegangen, gäbe es mich so, wie ich bin, gar nicht.

Betreiben Sie etwa auch Ahnenforschung?

Das ist mein Hobby, ja. Die Ahnenforschung war schuld daran, dass ich mich überhaupt für Nachnamen interessiert habe. Es steckt so viel in einem. Mir fiel auf, dass je nach Herkunft die Nachnamen doch gehörig variierten.

Heißt das, bestimmte Namen kann man bestimmten Regionen zuordnen?

Ja. Jeder Landstrich hat so seine typischen Namen, die 50 Kilometer entfernt gar nicht vorkommen.

Dann gibt es also auch typisch fränkische Namen?

Tatsächlich bin ich bei meinen Recherchen auf über 500 Namen gekommen, die es ausschließlich oder größtenteils in Franken gibt. Auffällig: In größeren Städten gehen diese eher unter und werden von den 08/15-Namen locker überholt. Im Ländlichen hingegen bleiben sie, zum Glück, erhalten.

Haben Sie ein paar Beispiele für echt ober-, mittel- und unterfränkische Namen parat?

In Oberfranken sind Hacker, Dörfler, Zapf und Will extrem häufig, in Unterfranken Endres, Albert, Wehner und Seufert und in Mittelfranken Fleischmann, Lechner, Schuh und Eberlein.

Welche Namen sind im Kreis Kitzingen spezielle Renner?

Auffallend oft gibt es im Landkreis Kitzingen den Nachnamen Pfannes. Auch Düll, Seufert, Weigand, Dorsch, Will, Uhl, Neubert, Dürr und Endres gehören zu den speziell Kitzinger Namen, dicht gefolgt von Höhn, Zink, Scheller und Burger.

Gibt es dafür Erklärungen?

Höhn zum Beispiel kommt von der Höhe oder aber – und das ist wahrscheinlicher – vom Charakter des Besagten. „Hoene“ stand für übermütig, zornig, stolz – es taucht heute noch in Form von „verhöhnen“ auf. Neubert ist ein Neubauer, der sich hintenraus mit der Zeit etwas abschliff. Namen wie Seufert, Weigand, Uhl und Endres kommen einfach nur von männlichen Vornamen: Siegfried, Wiegand, Ulrich, Andreas.

Unser Oberbürgermeister heißt Güntner, unser Hofrat Vierrether, unsere Landrätin Bischof. Was sind da die Ursprünge?

Güntner ist eine Form des Vornamens Günther, der von „gund“ für Kampf und „heri“ für das Heer kommt. Die Frage nach Vierrether ist spannender: Die Ziffer 4 in Kombination mit dem Wort Rether könnte auf etwas Vierrädriges hindeuten – also einen einstigen Wagner, der Fahrzeuge baute. Dass hier aus Rieth für gerodetes Gebiet oder für Sumpfgebiet ein Buchstabe verlustig ging, wäre zwar auch möglich, aber wie bekommt man dann die Vier unter? In den Online-Kirchenbucheinträgen taucht der Name gar nicht auf. Meine alternative Idee: Der Name geht auf die Ortschaft Viereth am Main bei Bamberg zurück. Von 1469 bis 1509 wurde der Ort mit Doppel-r geschrieben: Vierreth. Das unterstreicht die These nochmals. Von hier aus ist wohl mal jemand rund 55 Kilometer weiter Richtung Kitzingen gezogen und wurde nach seinem Herkunftsort benannt.

Gibt es auch für Bischof verschiedene Erklärungen?

Ja. Möglicherweise geht der Name Ihrer Landrätin auf einen Bauern zurück, der im Dienste des Bischofs stand. Oder auf einen, der damals vor rund 900 Jahren im Volksschauspiel den Bischof darstellte. Es konnte aber gut auch ein sogenannter Spottname für jemanden sein, der sich für etwas Besseres hielt und sich benahm wie der besagte kirchliche Würdenträger. Die drei Möglichkeiten bestehen übrigens auch bei allen, die König und Kaiser heißen.

Was ist mit „lebenden Legenden“ aus Franken, wie Thomas Gottschalk, Lothar Matthäus, Barbara Stamm?

Gottschalk bedeutet „Knecht Gottes“. Also ging es wahrscheinlich um einen recht christlichen Menschen. Matthäus ist ein männlicher Vorname, der zum Nachnamen wurde. Und Stamm kann der Stammhalter gewesen sein oder einer, der beruflich Stämme bearbeitete. Oder auf den ungehobelten, groben Menschen hindeuten, ein bildlicher Vergleich mit dem Baumstamm.

Woher haben Sie all dieses Wissen?

Es wurde mit der Zeit zum Hobby, alle Namen nachzuschlagen, die ich irgendwo aufgeschnappt hatte. Seien es Firmennamen in der Umgebung, Markennamen im Supermarkt oder die Namen der Schriftsteller in unserer Lieblingsbuchhandlung. Auf der Arbeit habe ich mir besonders ausgefallene Namen der Kunden notiert und abends geschaut, ob ich die Bedeutung herausfinde.

Wie kommt man auf die genauen Zahlen, welchen Namen es wie oft gibt – und wo?

Vom Einwohnermeldeamt bekommt man aus Datenschutzgründen keine Informationen. Zum Glück gibt es das Telefonbuch! Einziger Nachteil: Immer mehr Leute lassen sich nicht mehr ins Telefonbuch eintragen. Oder sind nur noch mit der Handynummer vermerkt und können keinem konkreten Ort mehr zugeordnet werden. Daher ist der Stand aller Daten das Jahr 2004 – da war das alles noch recht unverfälscht und übersichtlich. Es wird sich seitdem wenig verändert haben und dies würde sowieso in der Masse an Daten untergehen. Ich kann recht zuverlässig sagen, wo sich welcher Name konzentriert.

Menschen, die Frank oder Franke heißen, stammen aus dem Frankenland? Oder aus Frankreich?

Gute Frage. Als die Nachnamen entstanden, bezog es sich wohl schon aufs Frankenland. Wobei das damals noch ganz andere Ausmaße hatte – Mainz und Frankfurt gehörten vor über 1.000 Jahren noch zu Franken, Nürnberg und Bamberg aber noch nicht.

Was ist der kurioseste Name, auf den Sie je gestoßen sind?

Eindeutig Hassdenteufel, aber auch Morgenschweiss finde ich sehr schön – für einen, der schon in der Früh loslegte und sein Tagwerk auf dem Feld oder in der Werkstatt verrichtete, um schneller Feierabend zu haben.

Der Autor: Oliver Ultsch, geboren 1979 in Coburg, ist Versicherungskaufmann und Buchautor. In seiner Freizeit beschäftigt er sich leidenschaftlich gern mit Ahnen- und Namensforschung. Ultsch ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Niederfüllbach, einem Vorort von Coburg.