Gericht: Junger Mann muss in die Entzugsklinik

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Ein junger Mann hatte großes Glück, dass bei seinen Taten keine Todesopfer zu beklagen waren. Erst legte er einen Brand in seiner Estenfeld, dann fuhr er im Vollrausch fast 50 Kilometer bis zu seinen Großeltern.

Wenn er trinkt, kann er nicht mehr aufhören, wird aggressiv und neigt zum Ausrasten: Eine Große Strafkammer des Landgerichts hat einen 24-Jährigen wegen vorsätzlichem Vollrausch zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entzugsklinik angeordnet.

Mit knapp drei Promille hatte der junge Mann, dessen Lebensinhalt bis dahin überwiegend aus "Feiern" bestand, in seiner Wohnung in Estenfeld gegen fünf Uhr in der Früh Feuer gelegt. Er hat sich dann, ohne Führerschein, ans Steuer eines nicht zugelassenen und nicht versicherten Fahrzeugs mit 300 PS gesetzt und war zu seinen Großeltern im Landkreis Schweinfurt gefahren. Dort legte er sich ins Bett und schlief seinen Rausch aus. Seinen Hinweis, dass man Polizei und Feuerwehr benachrichtigen solle, hielten die Großeltern für alkoholbedingt - und nahmen ihn nicht ernst.

Der Mann habe großes Glück gehabt, so der Vorsitzende Richter Burkhard Pöpperl, denn es hätte leicht Tote geben können: Erst an der Brandstelle, denn die Vermieter schliefen fest. Der Rauch hatte, als sie von Passanten geweckt wurden, bereits das Erdgeschoss des Einfamilienhauses erreicht. Tote hätte es auch auf der über 40 Kilometer langen Fahrt nach Oberschwarzach geben können. Das Gericht hatte angesichts des ungewöhnlichen Falls eine schwierige Aufgabe: Den Angeklagten einerseits zu bestrafen, ihm aber auch zu helfen.
"Ohne Therapie mit Druck sind weitere Straftaten zu befürchten", meinte der Vorsitzende.

Kein Verständnis für Verteidiger


Bleich und wie versteinert, ohne die geringste Reaktion, hörte sich der Angeklagte das Urteil an: Nach dem Plädoyer seines Verteidigers, der sowohl für eine Freiheitsstrafe wie auch für die Unterbringung Bewährung beantragt hatte, war er offensichtlich davon ausgegangen, dass er am Freitag nach über sieben Monaten Untersuchungshaft in die Freiheit entlassen werde. Für die Argumente des Verteidigers fehlte dem Gericht jedoch "jedes Verständnis".

Von dem jungen Mann mit einem langjährigen Hang zum übermäßigen Alkoholkonsum seien ohne schnelle Behandlung, so der Vorsitzende, weitere schwere Straftaten zu befürchten. Für eine freiwillige Therapie sei der Angeklagte viel zu labil. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung sei zunächst einmal der Druck zum Durchhalten.

"Sie sind jung genug, um ihr Leben noch in den Griff zu bekommen", sagte der Vorsitzende Pöpperl und wandte sich zum Angeklagten. Wenn er eine Therapie erfolgreich hinter sich bringe, nach maximal zwei Jahren, könne die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Er könne das Abitur nachmachen und habe dann noch alle Chancen vor sich. In einem Würzburger Hotel hatte man die Ausbildung des Angeklagten abgebrochen, weil sich zu häufig Polizeibeamte im Personalbüro nach ihm erkundigt hatten.

Intelligent und voller Selbstmitleid


Zwischen dem Angeklagten, wie er vor den Richtern saß und dem hauptberuflichen Party-Gänger, wie er sowohl von guten Freunden, von einem Türsteher und in früheren Urteilen beschrieben wurde, liegen für das Gericht "Welten": Einerseits sympathisch und hoch intelligent, mit besten Startbedingungen fürs Leben, leider aber auch sehr labil, voller Selbstmitleid und auf Saufen ausgerichtet.

Bereits mit 14 oder 15 habe er das Trinken begonnen und auch synthetische Drogen in voller Bandbreite ausprobiert. Über schnelle Autos habe er sich Ansehen verschaffen wollen, aber es nicht erreicht. "Aufs Gymnasium fuhr er mit einem BMW- Cabrio und als er das Fahrzeug im Suff zu Schrott fuhr, war auch die Motivation für Schule und Lernen ziemlich weg. Trotz wiederholter 13. Klasse packte er das Abitur nicht.

Am Abend vor der schweren Brandstiftung hatte der Angeklagte erst zuhause allein "vorgeglüht" und sich mit mindestens fünf Flaschen Bier und einer Flasche Rotwein zum Ausgehen in Stimmung gebracht, bevor er gegen Mitternacht mit einem Taxi von Estenfeld nach Würzburg fuhr.

In einer Disko in der City lag sein Alkoholkonsum in den folgenden Stunden zwischen zehn und 20 Gin Tonic und ein Türsteher, der schon oft Probleme mit ihm hatte, sagte als Zeuge vor Gericht, so laut, so aggressiv und so unverschämt wie an dem Morgen, als man ihn gegen halb fünf aus der Disko entfernt hat, sei der Gast noch nie gewesen. Dennoch hatte der Angeklagte kein Problem, einen Taxifahrer mit Migrationshintergrund zu seiner Wohnung in Estenfeld zu lotsen. Er gab ihm auch ein Trinkgeld, der Fahrer aus Indien verstand alles, was sein Fahrgast sagte und hatte nur den Eindruck, dass der sehr müde sei, mehr nicht.

Bett in Flammen


In seiner Wohnung will der 24-Jährige dann wegen Post vom Würzburger Amtsgericht, die er kurz vorher erhalten hatte, wieder in Wut geraten sein: Per Strafbefehl war er zu einer Geldstrafe und Entzug der Fahrerlaubnis verurteilt worden. Die Entscheidung hielt er für ungerecht und deswegen wollte er das Papier endgültig vernichten. Er hat es angezündet, weggeworfen und als sein Bett in Flammen stand, floh er aus der Wohnung.

Er hat, so das Gericht, weder selbst zu löschen versucht, noch die Feuerwehr verständigt und daher ein Ehepaar in der Etage über seiner Wohnung in höchste Lebensgefahr gebracht.

Ausdrücklich bedankte sich das Gericht bei einem Autofahrer, der angesichts von Rauch und Qualm nicht, wie vermutlich einige andere, vorbeigefahren war, sondern anhielt und zusammen mit einem weiteren Helfer das Ehepaar über der brennenden Wohnung durch heftiges Klopfen weckte.