Viele Stückchen Schlossgeschichte

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Erinnerungen und jede Menge Werkzeuge: Blick in die Werkstatt von Peter Brandner.
Daniela Röllinger
Die Kapelle ist mit Figuren geschmückt und wird noch saniert.
Daniela Röllinger
Moderne Elemente wie der Fahrstuhl sind klar zu erkennen und das ist auch Absicht.
FotoS: DANIELA Röllinger
Schlüssel über Schlüssel für die alten Türen, die über die Jahre im Schloss eingebaut waren.
Foto: Daniela Röllinger

Die Sanierung des Ebracher Hofs in Mainstockheim dauert fünf Jahre - und bringt so manche Überraschung ans Licht. Eine Herausforderung für Schlossherr Peter Brandner.

Peter Brandner springt auf, nimmt ein Stück Kreide und malt auf den Boden. Ein paar Striche hier, ein paar dort, schon ist der Grundriss der Anlage fertig. Kreise, Vierecke, ein paar Pfeile. Die logistische Herausforderung, ein Seniorenheim im laufenden Betrieb umzubauen, die Sanierung eines alten Schlosses, ein Millionenprojekt – das alles packt er innerhalb von Sekunden in seine Zeichnung. Man merkt: Da erzählt einer, der anpacken kann.

Wir hätten in einen Besprechungsraum des Seniorenheims Schloss Ebracher Hof gehen können. Mit weißen Wänden, einem viereckigen Tisch und einigen Stühlen. Stattdessen plaudern wir in der Werkstatt, umgeben von Werkbänken und Schränken, Stapeln von Kisten, hunderten von Werkzeugen an den Wänden. Aber auch umgeben von jeder Menge Schlossgeschichte.

Historische Funde

Da hängen Ringe mit zig riesigen rostigen Schlüsseln. Ein Brett, in das vor mehreren 100 Jahren ein Mühlespiel geritzt wurde. Da steht ein Glas voller Scherben, Nägel, Knochen und ledriger Überreste von Tieren. „Treppengewände Schloss“ steht darauf. Es sind viele Funde, die im Lauf der fünfjährigen Sanierung aufgetaucht sind. Nicht alle konnte Peter Brandner aufbewahren.

Die Grüße der Handwerker, die 1820 am Haus gearbeitet hatten, zum Beispiel. Sie wurden unter einer Wandvertäfelung entdeckt. Nachrichten an diejenigen, die nach einem kommen – das ist ein handwerklicher Brauch, dem auch Brandner selbst folgt, und so hat auch er bei der Sanierung Münzen, Zeitungen oder Inschriften hinterlassen, bevor Wände bedeckt und Löcher verschlossen wurden.

Dass Peter Brandner ein Schlossherr ist, verdankt er seiner Großmutter. Sie kaufte das Anwesen in den 1960er Jahren. Zu einer Zeit, als von Seniorenheimen noch keine Rede war, hat sie eine Einrichtung für alte Menschen eröffnet. Offiziell terminiert der Firmenbeginn des Heimes auf 1968, es ist das Jahr, in dem in Bayern das Gesetz über den gewerbsmäßigen Betrieb von Altenheimen erlassen wurde. Tochter Gabriele Brandner übernahm später die Leitung, Peter Brandner ist jetzt Geschäftsführer und baulicher Leiter.

Der Schmied als Restaurator

Dabei war das lange gar nicht sein Plan gewesen. Nach der Schule ging er ins Handwerk, „das ist meine Berufung“. Er hat Schmied gelernt. Mehr zufällig, weil er im früheren Pferdestall unter dem Boden das alte, eiserne Gitter des Eingangsportals entdeckt hatte und bei einem Schmied nachfragte, wie man so etwas restaurieren kann. Nach der Lehre ging er auf die Walz, blieb in Frankreich hängen, lernte seine Frau kennen, fertigte Metallskulpturen. Alles schien perfekt: Ein Haus in der Bretagne, das Meer in der Nähe, eine Kunst, von der er leben kann – was will man mehr. Doch dann kam der Anruf der Mutter. Wie soll es in Mainstockheim mal weitergehen?

„Tu dir das nicht an“, hatte die Oma immer gewarnt, wenn das Gespräch auf die Leitung des Seniorenheims kam. Peter Brandner hielt das nicht ab. Er siedelte mit der Familie zurück in seinen Heimatort. Erst mal für eine dreijährige „Wanderzeit“. Um zu prüfen, „ob man in einem Altenheim kreativ arbeiten kann“. Man kann. Und so sind Peter Brandner und seine Frau Melinda Hillion geblieben. Ihrer beider Kunst spielt im Alltag der Senioren heute eine besondere Rolle, sei es bei der therapeutischen Arbeit oder beim Werkeln im Barock-Garten.

Wie bei einem Oldtimer

Wie viele Jahre das Schloss Ebracher Hof, einst gebaut als Kloster der Zisterziensermönche, genau auf dem Buckel hat, ist unbekannt. Erwähnt wurde es erstmals 1140. Nach der letzten Untersuchung wird eine Bauzeit um zirka 1530 angenommen. Jedoch stammen erhebliche Teile des Gebäudes noch vom Vorgängerbau. Erweitert und renoviert wurde es 1618 bis 1630. Mit den Jahren wurde immer wieder etwas verändert. So gibt es im unteren Stock Kreuzgewölbe der Renaissance, im oberen stuckverzierte Barock-Decken.

Peter Brandner vergleicht den Besitz eines Denkmals mit dem eines Oldtimers. „Wenn etwas zu machen ist, legen Sie sich entweder drunter oder Sie suchen jemanden, der das für Sie macht.“ Brandner ist einer, der sich drunter legt. Und deshalb hat er mit seinem Technik-Team angepackt bei der Sanierung. Bretter geschleppt, Wände mit Kalk verputzt, gestrichen und auch sonst überall mitgeholfen.

Seniorenheim für 32 Bewohner

Eine alte Wand zu renovieren sei etwas Spezielles, kein Vergleich mit Arbeiten in einem Neubau. Auch ein solcher gehört zum Seniorenheim. 32 Bewohner sind dort untergebracht. Tagsüber herrscht ein reger Austausch zwischen den beiden Bereichen, man besucht sich, macht gemeinsame Beschäftigungen. Aber gewohnt wird dort, wo man sich wohlfühlt. „Bei uns gibt es Schlössler und Herrenbergler“, sagt Peter Brandner lachend. Ein Gespräch mit Bewohnern bestätigt das. Eine Frau wurde von ihrer Freundin gefragt, ob sie rüberzieht in den Neubau, falls dort ein Raum frei wird. „Auf keinen Fall“, sagt sie, „hier ist es viel gemütlicher.“

Und das, obwohl die historischen Wände eine gewisse Kahlheit vermitteln und trotz des „Schlosses“ kein Luxus vorherrscht. „Ein Schloss bedeutet ja nicht, dass man goldene Wasserhähne hat“, macht Brandner deutlich. Auch persönliche wirtschaftliche Ansprüche schraubt man herunter, sagt er. „Von einem Porsche träume ich längst nicht mehr.“ Hätte er 100 000 Euro übrig, „ich würde sie in die Freitreppe und die Löhne investieren.“

Denkmalpfleger reden mit

Die Anforderungen des Denkmalschutzes mit denen der Heimaufsicht unter einen Hut zu bekommen, war nicht immer einfach. Es gab viele Gespräche, bis alle Fragen gelöst waren. Neues musste integriert werden. Zwei angebaute Türme aus Glas und Stahl beherbergen behindertengerechte Nasszellen, die sich mehrere Bewohner teilen. Ein stählerner Anbau ist Balkon und Fluchtweg zugleich, führt zur dicken Mauer, die das Grundstück umrandet.

Mit der Sanierung wurde vieles, was in den 70er Jahren ins Haus kam, wieder herausgerissen. Linoleum wich Holz, es wurde mit Lehm und Kalk gearbeitet. „Es geht auf ehrliche Substanzen zurück“, so Brandner. Manchmal waren Kompromisse gefragt. Im Prälaten-Zimmer wurden die noch vorhandenen historischen Fenster wieder eingebaut, innen aber aus energetischen Gründen neue Fenster davorgesetzt.

Sommerfest nächste Etappe

Beim Boden war es schwieriger. Unter dem Kunststoff tauchte ein wunderschöner Dielenboden auf. Bretter wurden ausgebaut, angeschliffen, die Balken instand gesetzt, die Bretter mit den alten Nägeln, die Brandner in stundenlanger Arbeit gerade geklopft hatte, wieder eingebaut. Doch ein Holzfußboden ist in Senioreneinrichtungen nicht zulässig, er musste überdeckt werden. „Das sind halt so Niederlagen“, sagt Peter Brandner, damit müsse man leben.

Beim Sommerfest feiert das Seniorenheim am 15. Juli das Ende der Innensanierung – auch wenn längst nicht alles erledigt ist. Malereien an den Wänden konnten nur konserviert werden und sind wieder unter Kalk verschwunden, der Stuck wurde nur zum Teil freigelegt, die Kapelle mit ihren bunten Deckengemälden ist noch nicht saniert. Die Arbeit wird Peter Brandner noch viele Jahre nicht ausgehen.