Monika Meyer und Karl Pfeiffer haben das Pfefferspray in ihrer Tasche noch nie gebraucht. Geduld ist ihre beste Waffe.
Blitzschnell springt die junge Frau aus dem Sattel. Sie ist gerade auf ihrem Fahrrad in den Marktplatz eingebogen. Und hat aus den Augenwinkeln offenbar Karl Pfeiffer gesehen. Der 61-Jährige ist an seinem Funkgerät und dem dunkelblauen Shirt mit bayerischem Ärmel-Wappen als Mitarbeiter der Sicherheitswacht (Siwa) zu erkennen. Wenn er über den Marktplatz streift, übermannt einige Radler plötzlich doch das schlechte Gewissen.
Andere jedoch geben sich völlig ahnungslos. Oder sind es wirklich. "Vor allem Touristen übersehen vor lauter Gucken oft die Schilder ,Fußgängerzone‘, in der man nicht Rad fahren darf", erzählt Pfeiffer. Seine Kollegin Monika Meyer ergänzt: "Andere wollen die Schilder nicht sehen. Gerade viele Kitzinger!" Dabei sei es wirklich gefährlich, übers Kopfsteinpflaster zu düsen. Meyer und Pfeiffer sprechen alle Delinquenten an: "Wenn plötzlich ein Kind vors Rad rennt, kann das schnell auch für den Fahrer schmerzhaft werden. Und ob die Haftpflichtversicherung dann einspringt?"
"Nicht über alles aufregen"
Oft kommt ihr freundlich-mahnender Ton gut an. Ab und zu schlägt den vermeintlichen Cops aber auch ein blöder Spruch entgegen. "In dem Job darf man sich nicht über alles aufregen", stellt Meyer schulterzuckend klar.
Sie muss es wissen. Sie hat viele Jahre lang in der Verkehrsüberwachung Dettelbach gearbeitet und sorgt jetzt im Auftrag der Bahn für Sicherheit am Würzburger Bahnhof. Nebenbei ist sie einige Stunden pro Woche "Siwanerin" in Kitzingen. "Ich mache das gern. Man ist an der frischen Luft, sieht viele Leute. Aber man braucht auch Fingerspitzengefühl und sollte nicht unbedingt große Autorität rauskehren."
Karl Pfeiffer nickt. Der frühere Telekom-Beamte nutzt seinen Vorruhestand, um in seiner Heimatstadt "etwas Sinnvolles" zu tun. "Am Anfang wurden wir oft gefragt, was wir eigentlich machen." Inzwischen wissen die Leute Bescheid, dass die Siwa als "kurzer Arm der Polizei" die Sicherheit der Bürger im Blick hat und schützt - ohne freilich die rechtlichen Möglichkeiten der "echten" Polizisten. Die Siwa darf Menschen zwar festhalten, bis die Polizei kommt, nicht aber selbst festnehmen.
"Wir wollen keine Hilfs-Sheriffs, sondern Leute, die reden können. Leute, die mit Jung und Alt, Groß und Klein gut ins Gespräch kommen", erklärt Joachim Strittmatter, stellvertretender Leiter der Kitzinger Polizeiinspektion und Siwa-Verantwortlicher. Er habe die Entstehung der Siwa mit "gesunder Skepsis" begleitet, sagt er. Nach fast eineinviertel Jahren ist sein Fazit aber eindeutig: "Die Siwa in Kitzingen hat meine Erwartungen ganz klar übertroffen." Von Bürgern, Touristen und Stadtverwaltung seien viele positive Rückmeldungen gekommen. "Der Nutzen rechtfertigt den Aufwand auf jeden Fall." Besonders freut Strittmatter, dass keiner der neun ausgewählten und geschulten "Siwaner" abgesprungen ist. "Wir haben offenbar die richtigen Leute."
Gleiches Recht für alle
Diese haben ihr Pfefferspray, das sie in Notwehr zum Beispiel gegen Hunde einsetzen könnten, noch kein einziges Mal gebraucht. Das Gros ihrer Tätigkeit ist Kommunikation - mit Touristen, die ein nettes Lokal suchen, mit leichtsinnigen Mainschwimmern, mit Betrunkenen, die auf die Altstadt-Grünflächen pinkeln, oder mit Rauchern, die ihre Kippen achtlos wegwerfen.
Apropos: Bei allen, die das Stadtgebiet unbedacht vermüllen, können die "Siwaner" nur an die Einsicht appellieren: "Leute, achtet auf Eure Umwelt!" Manchmal wünschen sie sich, man könnte mehr tun: "Erzieherische Maßnahmen gehen bei vielen wohl nur über den Geldbeutel..."
Noch während Monika Meyer spricht, wird sie in der Herrnstraße von einem älteren Radler fast touchiert. Sie weist ihn auf das Fahrverbot hin. Da wird der Mann sauer. "Ich fahr' doch langsam! Sagt das mal denen, die nachmittags über den Marktplatz rauschen!", schimpft er - und steigt wieder auf. Meyer und Pfeiffer schauen einander an. "Manche Radfahrer sind einfach unbelehrbar und hätten gern ein eigenes Recht für sich." Das aber spricht ihnen die Siwa ab. Immer wieder. Geduld ist ihre stärkste Waffe.