Angriffe auf Hilfskräfte: Wenn Retter selbst in Not geraten

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Mit solchen Bildern werden Retter häufig konfrontiert. Sie müssen mit dem Erlebten umgehen und damit fertig werden. Da brauchen sie nicht auch noch die Attacken von Dritten, die meinen, beleidigen, spucken oder gar handgreiflich werden zu müssen. Unser Archivbild entstand auf der Straße zwischen Ebern und Haßfurt.Helmut Will
Mit solchen Bildern werden Retter häufig konfrontiert. Sie müssen mit dem Erlebten umgehen und damit fertig werden. Da brauchen sie nicht auch noch die Attacken von Dritten, die meinen, beleidigen, spucken oder gar handgreiflich werden zu müssen. Unser Archivbild entstand auf der Straße zwischen Ebern und Haßfurt.Helmut Will
Michael Will
Michael Will
 
Thomas Hümmer
Thomas Hümmer
 
Detlef Hauck
Detlef Hauck
 
Thomas Habermann
Thomas Habermann
 

Im Kreis Haßberge werden Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter zum Glück eher selten ein Ziel von Attacken. Dennoch gibt es auch dort solche Fälle. Dazu ein Kommentar.

Sie helfen Menschen in Not und werden dafür beleidigt, bedroht und angegriffen - als wäre ihre Arbeit

nicht schon fordernd und gefährlich genug. Schlimm, dass man überhaupt darüber nachdenken muss, wie Polizisten, Feuerwehrleute oder Sanitäter geschützt werden müssen und können. Immer wieder ist von Entgleisungen gegenüber Einsatzkräften zu lesen, vor allem in Ballungsgebieten und Großstädten. Die Helfer stehen zwischen den Fronten.

Allein 49 Übergriffe gab es in der Silvesternacht in Berlin. In Dortmund wurden Polizeibeamte mit Silvesterraketen beschossen. Das Rote Kreuz verzeichnete für das vergangene Jahr in einem internen Meldesystem 99 Übergriffe. Bei etwa zwei Millionen Einsätzen eine vergleichsweise geringe Zahl, aber jeder Angriff ist einer zu viel. Und wie sieht es im Landkreis Haßberge aus? Auf jeden Fall besser.

Der stellvertretende Leiter der Polizei in Ebern, Detlef Hauck, sagt, dass Beleidigungsdelikte gegen Polizeikräfte bei der Inspektion Ebern vorherrschten. Der Schwerpunkt liege auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder auch in Privatwohnungen, wenn die Polizei nach einen "Hilferuf" anrückt. Gewaltdelikte gebe es häufiger bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, bei Identitätsfeststellungen oder Sachverhaltsklärungen. Eine Steigerung kann Hauck nicht erkennen. "Die Anzahl der Delikte und damit verbundene Verletzungen von unseren Einsatzkräften liegen in den letzten fünf Jahren etwa auf gleichbleibendem Niveau", sagt er.

Gewalt gegen Einsatzkräfte des Rettungsdienstes im Kreis Haßberge hat das Rote Kreuz Haßberge bisher nicht hinnehmen müssen. Michael Will, Pressesprecher des Rot-Kreuz-Kreisverbandes Haßberge, beschreibt aber: "Verbale Entgleisungen kommen ab und zu vor, weil Alkohol oder andere berauschende Mittel im Spiel sind." Dass Patienten oder Betroffene bewusst und geplant in aggressiver Art und Weise gegen den Rettungsdienst vorgehen oder ausfällig werden, stelle man zum Glück nicht fest. Das bestätigt auch Christoph Grimmer, der Leiter für den Rettungsdienst beim Roten Kreuz Haßberge. "Die eine oder andere Handgreiflichkeit ist bei uns dokumentiert, aber im Verhältnis zu rund 16 000 Einsätzen im Landkreis pro Jahr liegen diese im niedrigen einstelligen Bereich." Ernsthaft verletzt wurde bei solchen Situationen kein Rettungsdienstmitarbeiter, ergänzt Michael Will.

Fälle, in denen neben den Kollegen der Polizei ab und an auch Rettungskräfte beleidigt werden, seien durch Alkohol bedingt, wissen die Helfer. Dabei kommt es nach den Worten des Pressesprechers durchaus vor, dass Patienten das Bemühen des Rettungsdienstes um deren Gesundheit und bei der Versorgung von Verletzungen oder Erkrankungen nicht verstehen. "Da fallen dann schon mal beleidigende Ausdrücke." Das nähmen sich die Einsatzkräfte aufgrund professioneller Distanz allerdings nicht zu Herzen, da die Patienten durch den Einfluss von Alkohol und Drogen oft nicht Herr ihrer Sinne seien und derartiges Verhalten im nüchternen Zustand in aller Regel nicht an den Tag legen würden. Weniger angenehm sei es natürlich, wenn Rettungskräfte durch plötzlich randalierende Patienten bespuckt oder gar getreten werden, was jedoch extrem selten vorkomme.

"Gewalt gegen den Rettungsdienst kommt in unserem Zuständigkeitsbereich sehr selten vor", fasst Michael Will zusammen. Der Landkreis Haßberge ist keine Großstadt mit ihren Auswüchsen. Dennoch werden Vorfälle, wenn sie doch vorkommen, vom Roten Kreuz ernst genommen und betroffene Kollegen nicht alleine gelassen. Wer eine solche Situation erlebt hat, die ihn gegebenenfalls psychisch belastet, kann sich jederzeit an das interne Team der psychosozialen Notfallversorgung für Einsatzkräfte wenden. Die Helfer für die Helfer sind rund um die Uhr telefonisch erreichbar.

Bei der Polizeiinspektion in der Kreisstadt Haßfurt gab es im Jahr 2017 genau 25 Übergriffe gegen Polizeibeamte, wie der derzeitige Leiter, Polizeioberkommissar Thomas Hümmer, und sein Vertreter, Erster Polizeihauptkommissar Kurt Etzel, auf Anfrage mitteilten. Im Jahr 2018 waren es mit 33 Fällen acht Beleidigungen, Widerstandshandlungen und Körperverletzungen mehr. Zwei Beamte wurden für einige Tage dienstunfähig. Es sei eine Tendenz zu erkennen, dass die Einsatzkräfte mitunter mehr provoziert werden, als das noch vor einigen Jahren der Fall war, sagt Etzel. Thomas Hümmer hält die Body-Cam, die bei der Polizei in Haßfurt jetzt im Einsatz ist, grundsätzlich für eine gute Sache. "Wenn angekündigt wird, dass sie eingeschaltet wird, überlegt sich der Gegenüber eher, was er tut", sagt der Dienststellenleiter. Beide Polizisten stellen fest, dass die Akzeptanz für polizeiliche Maßnahmen gesunken ist.

Für seinen Zuständigkeitsbereich erklärt Kreisbrandinspektor (KBI) Thomas Habermann, dass ihm zwei Fälle bekannt sind, in denen Feuerwehrleute im Einsatz beleidigt oder Absperrungen missachtet wurden. "Das bringen wir zur Anzeige", so Habermann. Sicher gebe es die eine oder andere Entgleisung von Mitbürgern. "Um unser Ehrenamt und damit auch unsere Feuerwehrleute zu schützen, würde ich persönlich härtere Fälle vor Ort mit dem Einsatzleiter und der Polizei besprechen und wenn notwendig auch zur Anzeige bringen", sagt der KBI.

Insgesamt erfahren die Feuerwehrleute bei ihren vielfältigen Einsätzen nach seiner Kenntnis meist große Dankbarkeit. Das gehe mitunter so weit, dass bei längeren Einsätzen die Feuerwehrleute von Anwohnern mit Getränken oder einer Brotzeit bedacht werden. Ihn ärgert, dass oft falsch geparkte Fahrzeuge die Einsätze erschweren. "Damit haben jedoch die Einsatzkräfte massiver auf Autobahnen zu tun, wenn keine Rettungsgasse gebildet wird", sagt Habermann. Aber: "Wenn man mit dem Blick der Feuerwehr durch Städte und Dörfer fährt, stellt man leider fest, dass Falschparker es oft schwierig bis unmöglich machen, dass die Fahrzeuge der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes durchkommen. Hier müsste meiner Meinung nach konsequenter gehandelt und die Fahrzeugführer verwarnt oder abgeschleppt werden."

Dazu ein Kommentar von Helmut Will:

Wie eine Umfrage bei den Polizeiinspektionen im Haßbergekreis, beim Rettungsdienst und der Feuerwehr ergab, sind Übergriffe auf die Dienstkräfte relativ selten, gemessen an den Einsätzen im Jahr. Allerdings ist jeder Übergriff, jede Beleidigung, jedes Anpöbeln zu viel und da darf auch nicht gelten, dass so etwas häufig im alkoholisierten Zustand geschieht. Egal, welche der genannten Einsatzkräfte, ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, sie führen ihre Arbeit zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger aus und verdienen deshalb unser aller Respekt und Solidarität. Wenn ich nur auf den schweren Verkehrsunfall mit drei teils schwer verletzten Personen blicke, der sich am Sonntagnachmittag auf der B 303 in Höhe der Ortschaft Lendershausen ereignet hat, oder auf den Großbrand in Knetzgau einen Tag später, wird die Wichtigkeit der genannten Berufsgruppen deutlich. Da macht die Polizei ihre Arbeit, um die Schuldfrage zu ermitteln, da sind die Feuerwehren da, die verletzte und eingeklemmte Personen aus den Fahrzeugen schneiden und den Verkehr regeln, Brände löschen, und da sind die Frauen und Männer des BRK mit großem Aufgebot und Notarzt zur Stelle, um die Verletzten zu versorgen. Alles wird professionell abgearbeitet und da fragt niemand, wie es den Rettern, in angesprochenen Fällen bei weit über 30 Grad im Schatten, unter den oft schweren Einsatzanzügen, die aus Sicherheitsgründen getragen werden, geht oder ob sie durch solche Einsätze auch selber belastet werden. Auch darüber sollte vor allem von jenen im nüchternen Zustand nachgedacht werden, die sich unter Alkoholeinfluss nicht im Griff haben. Die Berufsgruppen verdienen unsere Unterstützung und auch die von Staatsanwaltschaften und Gerichten.