Die Weltgesundheitsorganisation hat auf die Liste der krebserregenden Dinge etwas gesetzt, das die Deutschen nur zu gerne konsumieren: Wurst. Was Metzger und Ferkel-Erzeuger vor Ort davon halten? Nicht viel. Eine Ernährungsberaterin findet die Warnung dagegen wichtig.
Verägert ist Norbert Schnapp nicht. Der Schmerz sitzt tiefer. Der Obermeister der Fleischerinnung aus dem Kreis Lichtenfels, der in Ebern eine Filiale betreibt, ist enttäuscht. Die Auswertung von rund 800 Studien, die Ende Oktober in den Medien immer wieder schlagzeilenartig auftauchte, würde er gerne lesen, wenn dann aber ganz, weil die Endergebnisse seines Erachtens nach erst im nächsten Jahr bekannt werden.
Doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte trotzdem schon mal vor dem Krebsrisiko von Würstchen und Co. Verarbeitete Fleischprodukte stehen unter Krebs-Verdacht. Die WHO hatte Ende Oktober verkündet, dass der regelmäßige Konsum von verarbeitetem Fleisch - also Schinken, Dosenfleisch oder Soßen auf Fleischbasis beispielsweise - das Darmkrebsrisiko erhöhen würden.
Die internationale Krebsforscheragentur (IARC) unterscheidet zwischen "krebserregend" - dazu zählen zum Beispiel Tabak und Asbest - und "wahrscheinlich nicht krebserregend". Unverarbeitetes rotes Fleisch schneidet bei der Gesundheitsbehörde zum Beispiel mit dem Faktor "wahrscheinlich krebserregend" ab, jetzt wird auch die Bratwurst, Salami oder Gelbwurst angeklagt.
Nach einer regelrecht ausgebrochenen "Wurst-Hysterie", ruderte die WHO allerdings wieder etwas zurück. Die Organisation habe nicht dazu aufrufen wollen, gänzlich auf Produkte, die in der Metzgertheke liegen, zu verzichten. Man habe eigentlich nur zu bewussterem Konsum raten wollen.
Eigentlich nichts Neues
Für Ernährungsberaterin Ulrike Eigner aus Haßfurt, die auch in Ebern Kurse über die Volkshochschule anbietet, ist "schon sehr lange bekannt", dass bestimmte Inhaltsstoffe in Wurst wie Nitritpökelsalz gesundheitsschädlich sind. Hinter der Empfehlung, möglichst wenig Wurst und Fleisch zu essen, steht die Diplom-Ökotrophologin, die selbst schon länger darauf verzichtet, weil sie sich dadurch körperlich fitter fühlt. "Es ist schon korrekt, dass wir uns damit nichts Gutes tun", sagt sie. "Fleisch und Wurst haben wichtige Inhaltsstoffe, aber eben auch welche, die uns nicht gut tun", erklärt Eigner. 500 Gramm mageres Fleisch und Wurst sind zum Beispiel so eine wöchentliche Richtlinie, die den Nenner "möglichst wenig" etwas genauer beschreiben.
Metzger Norbert Schnapp erlebt seit längerem in seinem Geschäftsalltag, wie schwierig die Situation in der Fleischbranche ist. "Die Moral, die hört bei vielen Leuten halt an der Fleischtheke auf. Das ist schon enttäuschend." Manche seiner Kunden seien nach den ersten Schlagzeilen in den Laden gekommen und hätten es eher als witzig empfunden. Andere, sagt er, haben sich schon Gedanken darüber gemacht und nachgehakt.
Folgen der Wurst-Einschätzung haben auch die regionalen Ferkel-Erzeuger zu spüren bekommen. Im November seien die Schweinepreise noch einmal gefallen und hätten einen Tiefstand erreicht, vermeldete der deutsche Landwirtschaftsverlag.
Manfred Kraus, Geschäftsführer des Bauernverbands im Kreis Haßberge, hält es trotzdem für falsch, die Studie allein für den Schweinepreis verantwortlich zu machen: "Die Studie hat mit Sicherheit dazu beigetragen, aber nicht die Preis-Misere hervorgerufen", unterstreicht der Fachmann.
Das sieht der Ferkel-Erzeuger Klaus Schneider aus Bischofsheim bei Zeil ähnlich. Obwohl er nach dem Brandunglück auf seinem Hof noch nicht wieder voll in die Geschäfte einsteigen konnte, verfolgt er die Preisentwicklung. "Die Wurst-Studie hat eine ganz leichte Delle ergeben, der Preis ist aber generell katastrophal." Oder, wie es Manfred Kraus treffend formuliert: "Saumäßig niedrig".
Die Schweinehaltung sei seit jeher von Hoch und Tiefs geprägt. Seit zwei Jahren jedoch, da spitze sich die Lage zu: "Die Ferkel-Erzeuger müssen Eintritt in ihren Stall bezahlen", sagt Schneider. Draufzahlen würde man als Ferkel-Erzeuger, der anders als ein Milchbauer keine Quote kennt, immer wieder im Geschäftsverlauf. Nur, irgendwann sei die Grenze erreicht, die Reserven ausgeschöpft. Die Dellen, die Durststrecken würden für Landwirte immer länger, sagt Schneider. Studien, wie die der WHO, würden zudem auch moralisch an die Substanz gehen. Schneider bleibt trotzdem einigermaßen zuversichtlich: "Es wird immer wieder ein Hoch geben. Vielleicht über Blut und Tränen", stellt er klar und spricht die Tatsache an, dass Ausstiege von Ferkel-Erzeugern vermutlich nicht ausbleiben werden.
Mit dem Blick auf die Erkenntnisse aus der Studie, ist Norbert Schnapp vor allem in einem Punkt gespannt: Wie schneiden die vegetarischen Produkte ab, die zwar fleischlos sind, sich aber Tofu-Wurst nennen? Er selbst esse lieber ein Stück gutes Fleisch als einen vegetarischen Chemie-Dreck, sagt er. Das klinge zwar hart, das könne er aber so sagen, weil der Metzger selbst bisher von noch keinem vegetarischen Wurst-Produkt überzeugt werden konnte. Und so lange komme bei ihm auch kein vegetarisches "Wurst-Produkt" in die Theke.