Vor 30 Jahren fiel die Grenze. Tore wurden geöffnet, Wege entstanden. Und dann, um die Weihnachtszeit herum, wurde die Verbindung zwischen Ost und West fest zementiert. Der Bau der Straßen begann.
Als SED-Funktionär Günter Schabowski live im DDR-Fernsehen die Öffnung der Grenze verkündete, nahte das Wochenende. Es war ein Donnerstagabend - und die nächsten Tage standen im Zeichen von Begrüßungsfeiern. Überall an der Grenze. In Ermershausen und Maroldsweisach umarmten sich die fast vereinten Deutschen von hüben und drüben innig. In Ebern wurde der Bürgermeister am Sonntagmorgen aus dem Bett geklingelt, weil er das Begrüßungsgeld auszahlen sollte.
In Bamberg dasselbe Bild: Freudige Mienen auf allen Gesichtern, Geschäfte und Kaufhäuser, die einfach geöffnet hatten. Ohne Genehmigung. Sie hätten auch nicht gewusst, wo sie hätten fragen sollen. Für diese Ausnahmesituation gab es keine Vorgaben. Es herrschte euphorische Aufbruchstimmung. Es war Wirklichkeit geworden, was selbst Visionäre und Träumer kaum für möglich gehalten hatten. Ein deutscher (Nachkriegs-)Traum wurde wahr.
Wettlauf der Politiker
Danach begann vom Westen her der Wettlauf der politischen Gruppierungen in Richtung Grenzzaun. Während der Kronacher Landrat Werner Schnappauf an jedem Wochenende einen Verbindungsweg nach dem anderen eröffnete, dauerte es am südlichsten Zipfel des zerfallenden Arbeiter- und Bauernstaates, dem Heldburger Unterland, einige Wochen: Erst am Samstag, 2. Dezember, kam es am Grenztor, das mitten in einem Urwald den Verlauf der einstigen Landstraße zweiter Ordnung (Staatsstraße) markierte, zu einem Treffen.
Zunächst sollte es nur ein Meinungsaustausch zwischen den Verantwortlichen aus den Kreisen Haßberge und Hildburghausen werden.
Historische Stunde im Straßenbau
Als aber von Hellingen her die Riether Blaskapelle mit flotten Weisen aufmarschierte, gab es kein Halten mehr. Die vielen Interessenten aus Ost und West stürmten an den Grenzpolizisten der DDR und der BRD einfach vorbei. Die Menschen umarmten und herzten einander. Es wurde gefeiert und getrunken, Einige Maroldsweisacher mussten den Heimweg über Eisfeld oder Eußenhausen nehmen, da zur später Stunde das Grenztor im Wald längst wieder verschlossen worden war. Das änderte sich ab Weihnachten. Mitte Dezember war mit Rodungs- und Bauarbeiten begonnen worden, auf der Trasse der künftigen Staatsstraße pendelten schon Busse zwischen Hellingen und Maroldsweisach. Mit dem Rad, zu Fuß und mit Kinderwägen wurde der Weg in den Osten und Westen angetreten.
Ende Januar 1990 wurde die komplett ausgebaute Verbindung zwischen dem Franken- und dem Heldburger Unterland eingeweiht. Auf unterster Ebene hatten die Landräte Keller (Haßberge) und Müller (Hildburghausen) Vorabsprachen getroffen und die Bagger der Baufirma aus Bad Königshofen einfach auf Thüringer Seite weiterrollen lassen, nachdem der Ministerrat der bayerischen Staatsregierung in München der Kostenübernahme zugestimmt hatte. Die Straße gehört also eigentlich den Bayern.
"Ich frage mich heute noch, wie wir so schnell eine fertige Straße hingekriegt haben", wunderte sich der zuständige Amtsleiter im Haßfurter Landratsamt noch Jahre später. Kleinlaut schob der Jurist nach: "Weil eigentlich haben wir uns ja Bundesrecht angemaßt."