Der Rechtler-Streit in Stettfeld geht möglicherweise in die nächste Runde. Die Kommune hat fristwahrend Berufung bei den Justizbehörden beantragt.
In Stettfeld herrscht Unruhe. Der Rechtler-Streit berührt fast das ganze Dorf, und es ist zu befürchten, dass sich an dieser Situation so schnell nichts ändern wird.
In der vergangenen Woche hat die Gemeinde über ihre Anwälte in Würzburg einen Berufungsantrag an das Verwaltungsgericht in Würzburg gestellt, mit dem die Kommune das Urteil des Würzburger Gerichts im Rechtler-Streit anfechten möchte. Dieses Urteil des Verwaltungsgerichts, das im Dezember verkündet worden ist und Anfang Februar schriftlich zugegangen ist, gibt den Rechtlern und ihrer Position in vollem Umfang Recht. Am heutigen Montag endet die Frist, um Rechtsmittel einzulegen. Der Berufungsantrag ist also noch rechtzeitig gestellt worden.
Die Vorgeschichte
Worum geht es in der Auseinandersetzung? Im Mittelpunkt steht das Holznutzungsrecht am Stettfelder Gemeindewald. Der Gemeindewald hat gemeindlichen Angaben zufolge eine Größe von 420 Hektar. Grund und Boden dieses Waldes gehören der Gemeinde. Fällt ein Baum, so könnte man vereinfacht sagen, dann gehört er den Rechtlern. 104 Rechte gibt es, die 96 Rechtler wahrnehmen (einige Rechtler haben mehr als ein Recht). Dieses Recht, das aus der Zeit des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter im 16. Jahrhundert stammt, ist nicht an Personen gebunden, sondern an Hofstellen. Das heißt, das Recht bleibt auf dem Anwesen, dem es einst verliehen worden ist. Bis heute.
Allerdings hat sich bis in die heutige Zeit einiges geändert. Rechtler-Grundstücke wurden vererbt, verkauft oder geteilt. Die Gemeinde meint, dass bei den 104 Rechten einige Personen unberechtigterweise als Rechtler geführt werden. Sie erließ im November 2015 einen Bescheid, in dem sie den Holzeinschlag 2015/2016 nicht genehmigte, um gegen diese möglicherweise unberechtigten Holznutzungsrechte vorzugehen. Das heißt, es durften keine Bäume gefällt werden, es gab kein Holz für die Rechtler und folglich für sie kein Geld, das aus den Holzgeschäften erzielt und an die Rechtler verteilt wird. Der Bescheid der Gemeinde ging an alle Inhaber eines Nutzungsrechts aus dem Gemeindewald Stettfeld.
Über 80 Rechtler erhoben Klage
Das ließen sich die Rechtler nicht gefallen. Über 80 Rechtler erhoben Klage vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg. Mit dem Ziel: Der Bescheid soll aufgehoben werden, damit wieder Holz eingeschlagen werden kann und die Rechtler ihr Recht, das sie für sich in Anspruch nehmen, wieder umsetzen können.
Das Verwaltungsgericht hat im Dezember das Urteil gesprochen. Es hat nicht alle über 80 Fälle bewertet, sondern nur eine Klage: die des Rechtler-Vorsitzenden Werner Rümer. Das Ergebnis: Das Gericht gibt dem Kläger Recht. Danach ist der Bescheid der Gemeinde rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen für den Holzeinschlag erteilt.
Wer das Urteil liest, kommt schnell zu dem Schluss, dass das Gericht nicht nur im Fall Rümer, sondern auch bei den über 80 weiteren klagenden Rechtlern ähnlich entscheiden könnte. Das Urteil ist eindeutig und hat im Kern die Aussage, dass die Gemeinde nicht mit einem Bescheid, der den Holzeinschlag verhindert, gegen die Rechtler vorgehen darf, um die Frage zu klären, ob einige Rechtler möglicherweise zu Unrecht ein Holznutzungsrecht ausüben.
In einer ersten Reaktion auf das damalige Urteil hatte der Bürgermeister Alfons Hartlieb (CSU), der selbst Rechtler ist, angedeutet, dass die Gemeinde wohl keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werde. Das ist jetzt anders. Über ihre Anwälte in Würzburg hat die Gemeinde einen Berufungsantrag beim Verwaltungsgericht Würzburg gestellt. Sollte es zur Berufung kommen, würde die Angelegenheit in der nächsten Instanz verhandelt. Das ist der Verwaltungsgerichtshof in München. Und das könnte, wie aus einem Schreiben der Anwälte der Rechtler an den Rechtler-Vorsitzenden Werner Rümer deutlich wird, einige Jahre in Anspruch nehmen. In diesem Zeitraum würde wohl auch das Verwaltungsgericht in Würzburg keine weiteren Urteile im Fall der anderen über 80 Rechtler fällen.
"Keine Zweifel"
Werner Rümer hat inzwischen seine Rechtler-Kollegen über den Berufungsantrag informiert. Er hat "keine Zweifel", wie er schreibt, dass der Verwaltungsgerichtshof in München die Position der Rechtler bestätigen würde. Aber: Das neue Verfahren würde wieder neue Kosten und "viel Zeit" erfordern und den Streit verlängern. Rümer fordert alle seine Rechtler-Kollegen auf, selbst aktiv zu werden und Druck auf die Gemeinde auszuüben, konkret die Gemeinderäte einzuschalten: Jetzt "muss jeder selbst schauen, wie er sein Holz 2016/2017 zugeteilt bekommt... Jeder muss es anfordern und nutzen, sonst besteht die Gefahr einer längeren Unterbrechung und keiner durchgängigen Nutzung, wie seit 1922 in der Gemeindeordnung gefordert... Jetzt muss jeder persönlich um seine Holzzuteilung kämpfen." Rümer räumt ein, dass ihn selbst der Streit zermürbt: "Mir geht langsam die Luft, Kraft aus."
Die Äußerungen Rümers werfen die Frage auf, ob die Gemeinde möglicherweise auf Zeit spielt und hofft, dass sie den Rechtlern beikommt, indem diese längere Zeit ihr Recht nicht ausüben (können). Deshalb der Berufungsantrag?
Zu diesem Berufungsantrag schreibt der Rechtler-Anwalt, dass es gar nicht gewiss ist, dass es zu einer Berufungsverhandlung kommt. Der Antrag sei erst einmal gestellt worden, um die Einspruchsfrist zu wahren. Eine Begründung liegt dem Berufungsantrag nicht bei; die soll eventuell nachgereicht werden. Um eine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in München zu erreichen, müsste die Gemeindeseite, wie der Rechtler-Anwalt betont, "sämtliche vom Gericht im Urteil genannten Argumente in Zweifel ziehen und dem Verwaltungsgerichtshof gegenüber darlegen, dass das Urteil auch auf diesen unzutreffenden Argumenten beruht". Nach Einschätzung des Rechtler-Anwalts "wird dies der Gemeinde nicht gelingen können".