Schüsse auf Janina: Was in der Silvesternacht geschah

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Aug' in Aug' mit dem Angeklagten: Die Mutter der getöteten Janina (am rechten Bildrand) beobachtet Roland E. zu Prozessbeginn. Foto: M. Hoch
Aug' in Aug' mit dem Angeklagten: Die Mutter der getöteten Janina (am rechten Bildrand) beobachtet Roland E. zu Prozessbeginn.  Foto: M. Hoch
Janinas Gedenkstätte am Tatort in Unterschleichach Foto: dpa
Janinas Gedenkstätte am Tatort in Unterschleichach  Foto: dpa
 

Im Prozess um die getötete Janina berichten Zeugen von den letzten Momenten im Leben der Elfjährigen. Für die Angehörigen ist das nur schwer zu ertragen.

Der Notruf geht in der Leitstelle in dieser Silvesternacht um kurz nach ein Uhr ein. Eine zittrige Frauenstimme ist zu hören. Die Anruferin klingt völlig aufgelöst. "Bitte, bitte, bitte", flüstert die Frau immer wieder. Ein Mädchen läge ohnmächtig auf der Straße. Sie atme nicht mehr, überall sei Blut, die Lippen seien schon blau angelaufen.
Beruhigend redet die Stimme am anderen Ende auf die Frau ein, gibt erste Anweisungen. Knapp zehn Minuten dauert das Telefonat. Dann kommt der Rettungswagen. Immer wieder hört man die schluchzende Frau flehen: "Bitte, bitte, bitte."

Der dramatische Notruf, der zum Auftakt des Mordprozesses um die getötete Schülerin Janina im Bamberger Gerichtssaal abgespielt wird, lässt keinen der Anwesenden unberührt. Für die Eltern der Elfjährigen sind die Details nicht zu ertragen. Beide verlassen den Raum, warten im Gang. Sie wissen: Kurz vor diesem Anruf ist ihre Tochter durch einen Revolverschuss tödlich verletzt worden.


Mehrere Operationen

Janinas Mutter stürmt im Laufe des ersten Verhandlungstages mehrmals unter Tränen aus dem Sitzungssaal. Zu belastend ist das, was vor Gericht besprochen wird, zu nahe sitzt sie dem mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter. Von den Plätzen der Nebenklage sind es nur zwei Meter bis zur Anklagebank. Immer wieder fixiert sie Roland E.

Der sitzt meist zusammengesunken auf seinem Stuhl und zeichnet vor dem Landgericht Bamberg das Bild eines gebrochenen Mannes. Krankheiten hätten ihm schwer zugesetzt, mehrfach muss der gelernte Maurer operiert werden. "Lunge, Zwerchfell, Speiseröhre. Beim Essen bleibt mir die Luft weg. Die Schmerzen sind nicht auszuhalten." Der 54-Jährige leidet zudem an Depressionen, nimmt täglich Medikamente. Eine feste Beziehung hat er seit 2010 nicht mehr, seinen Sohn sieht er alle zwei Wochen.

E. berichtet zudem von Schlafstörungen, durchschlafen könne er praktisch nie. So wie in jener Silvesternacht vor knapp einem Jahr: E. sagt aus, er sei kurz nach Mitternacht auf der Wohnzimmercouch aufgewacht. Nach Feiern sei ihm nicht zumute gewesen. "Silvester interessiert mich nicht so." Ein Satz, der zu mehreren Zeugenaussagen passt. "Er lebte zurückgezogen, hat lange nicht mehr gegrüßt", berichtet ein Nachbar.


In Richtung Wald geschossen

In jener Nacht geht Roland E. in den Keller, nimmt sich einen Revolver und Munition aus dem Holzschrank. 15 Jahre hat er nicht mehr geschossen. "Ich zittere zu sehr, hätte meine Waffen schon längst verkaufen sollen." E. geht die Kellertreppe hoch, tritt aus der Haustür, ein paar Schritte sind es noch bis in den Garten. Dort versteckt er sich an einer Hausecke. "Ich weiß ja, dass man privat nicht schießen darf."

Um ihn herum knallen Raketen. Menschen, sagt der Beschuldigte, habe er nicht gesehen. Von der Wiese aus schießt er in Richtung Wald. Drei bis vier Mal, sagt er, im Abstand von zehn Sekunden. Dann steigt er die Kellertreppe hinab, reinigt den Revolver, geht zurück ins Wohnzimmer, legt sich auf die Couch und schläft ein.

Am Morgen steht die Polizei vor seiner Tür. E. gibt zu Protokoll, dass er die ganze Nacht geschlafen hat. "Ich habe gehofft, dass ich es nicht war." Irgendwann wird der Verdacht konkreter, E. wird an seiner Arbeitsstelle, der JVA Ebrach, verhaftet. In seinem Haus finden Ermittler fünf Patronenhülsen im Aschekasten eines Kachelofens.
 


Gründe für die Schüsse nennt er nicht

Die Tat geht Roland E. nicht mehr aus dem Kopf. "Das verfolgt einen." Bei den Angehörigen entschuldigt er sich vor Gericht aber nicht. Über seinen Anwalt lässt er lediglich erklären, dass er die Tat bereut. Bewusst auf Menschen habe er nicht gezielt.

Den Grund für die Schüsse nennt er nicht. Auch nicht, als ihm Oberstaatsanwalt Otto Heyder und der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt ins Gewissen reden. "Das waren alles zielgerichtete Handlungen. Was sie sagen, ist schwer nachvollziehbar", sagt Schmidt. Eine konkrete Begründung sei er auch den Angehörigen schuldig. "Ich weiß es nicht", flüstert Roland E. immer wieder.
 


Janina hüpfte glücklich über die Straße

Einige Stunden später verlassen die Eltern der getöteten Janina das Gerichtsgebäude. Sie haben heute vieles erfahren - auf die wichtigste Antwort warteten sie aber vergeblich. Der Anwalt des Vaters findet deutliche Worte: "Seit zwölf Monaten quält meinen Mandanten die Frage, warum seine Tochter sterben musste. Das ist sehr belastend."

Nicht viel kann den Eltern an diesem ersten Verhandlungstag Trost spenden. Vielleicht die Tatsache, dass ihre Tochter in dieser Nacht lange sehr glücklich war. Bis kurz vor dem tödlichen Schuss hüpft die Elfjährige kichernd mit ihrer Freundin über die Straße. Bis sie plötzlich auf dem Boden liegt. "Ich hörte einen tiefen Seufzer. Dann fiel Janina um. Sie hat in den Himmel geschaut mit offenen Augen", erinnert sich eine Augenzeugin unter Tränen.