Mutmaßlicher Schwarzfahrer kam in Fußfesseln

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Seinen Führerschein hatte der Beschuldigte bereits vor eineinhalb Jahrzehnten endgültig abgeben müssen. Weil er sich dennoch offenbar regelmäßig ans Steuer setzte, landete er nun vor Gericht - wieder einmal! Der graue "Lappen" (unser Bild) wurde bis 1986 ausgestellt. Eckehard Kiesewetter
Seinen Führerschein hatte der Beschuldigte bereits vor eineinhalb Jahrzehnten endgültig abgeben müssen. Weil er sich dennoch offenbar regelmäßig ans Steuer setzte, landete er nun vor Gericht  - wieder einmal! Der graue "Lappen" (unser Bild) wurde bis 1986 ausgestellt. Eckehard Kiesewetter

Das Amtsgericht in Haßfurt unterbrach die Verhandlung gegen einen 50-Jährigen, der offenbar permanent ohne Führerschein ein Auto gesteuert hat.

Ohne Fahrerlaubnis soll der Angeklagte (50 Jahre) zwischen Mai 2017 und Februar 2019 mindestens 92 Mal einen Pkw gesteuert haben. Diesen Vorwurf erhob der Staatsanwalt, der die Anklage in dem Strafprozess am Amtsgericht in Haßfurt vortrug. Die Nachbarn des gelernten Kfz-Mechanikers bestätigten im Zeugenstand übereinstimmend, dass der Mann seit vielen Jahren fast täglich in sein Fahrzeug steige. Da der Betroffene alles abstreitet und behauptet, in der fraglichen Zeit dauerhaft in Spanien gewohnt zu haben, wurde der Prozess unterbrochen. Das Gericht legte einen Fortsetzungstermin in zwei Wochen fest.

Weil er metallisch klirrende Fußschellen trug, gelangte der Beschuldigte nur langsamen Schrittes in den Haßfurter Gerichtssaal. Zwei Justizbeamte begleiteten den bereits seit acht Monaten im Knast in Kronach sitzenden mutmaßlichen Schwarzfahrer. Weshalb er eine Freiheitsstrafe absitzen muss, wird man erst bei dem Fortsetzungstermin erfahren, weil dann das Vorstrafenregister verlesen wird.

Die jetzt in Haßfurt verhandelte Anklage stützt sich vor allem auf die schriftlichen Aufzeichnungen von zwei älteren Nachbarn. Im Zeugenstand erklärten ein pensionierter Beamter und dessen Frau, dass der Angeschuldigte im Sommer 2016 mit seiner Lebensgefährtin in das Nachbarhaus eingezogen sei. Das Anwesen liegt in einem kleinen Dorf im nördlichen Kreis Haßberge. Von Anfang an sei mit dem Neuen nicht gut Kirschen essen gewesen, sagten die Zeugen. Ärger habe es vor allem mit dessen beiden riesigen, aggressiven Hunden gegeben. Die Tiere seien nicht ausgeführt worden und die Kinder, die ihre Großeltern besuchen wollten, hätten sich gefürchtet und seien nur über den Hintereingang gekommen.

Als die Senioren dann beobachteten, dass ihr neuer Nachbar des Öfteren die Nummernschilder von einem Auto abschraubte und an einem anderen befestigte, dämmerte ihnen, dass die ganze Sache nicht sauber sei. Von da an informierten sie die Polizei und führten Listen. Darin dokumentierten sie per Datum und Uhrzeit, wann der Mann wegfuhr oder zurückkam. Seine Aufzeichnungen, betonte der ehemalige Beamte, seien "hieb- und stichfest." Wenn er sich einmal nicht sicher gewesen sei, habe er sein Opernglas genommen und sich Gewissheit verschafft.

Der ermittelnde Polizist gab zu Protokoll, dass dem Angeklagten bereits im April 2004 die Fahrerlaubnis endgültig entzogen worden sei. Als er einmal den Schwarzfahrer in flagranti erwischte, habe dieser ihm die Kopie eines peruanischen Führerscheins gezeigt und behauptet, dass sich seine deutsche Fahrerlaubnis beim Konsulat befinde. Was sich als Lügenmärchen herausstellte.

Angesichts einer Flut von Briefpost des Angeklagten aus dem Knast sprach Amtsrichterin Ilona Conver von "hanebüchenen Anträgen." Selbst Rechtsanwalt Willy Marquardt gab an, dass in diesem Fall eine zielgerichtete Verteidigung nur schwer möglich sei. Er habe den Eindruck, dass bei seinem Mandanten die "Grenzen zwischen Realität und Wunschdenken mitunter verwischt" seien. Trotzdem nahm er das von dem Angeklagten vorgebrachte Alibi ernst. Dieser behauptete, von Mai 2017 bis Juli 2018 dauerhaft in Spanien gewohnt zu haben. Er benannte auch zwei spanische Zeugen, die das angeblich bestätigen könnten.

Der Vorsitzenden kamen die Angaben des Mannes aber spanisch vor und sie äußerte erhebliche Zweifel an dem vorgebrachten Alibi. Insofern war sie nicht gewillt, Zeugen von der iberischen Halbinsel vorzuladen. Vielmehr will sie bei dem Fortsetzungstermin die Ex-Freundin und weitere Zeugen verhören. Fällt dann das Alibi wie ein Kartenhaus in sich zusammen?