Eines der ältesten Häuser der Haßfurter Hauptstraße soll überregionale Bedeutung erhalten: Die Stadt will einem Künstler von Weltrang Raum bieten.
Nein, ein neues Heimatmuseum soll's nicht werden. Haßfurt will einen Punkt setzen, an dem man nicht vorbeikommt. Am Freitag beendete der Haßfurter Bürgermeister Günter Werner (FW) das Getuschel über ein Projekt, das die Attraktivität der Kreisstadt stärken würde - fast global: Das gewaltige Fachwerkhaus in der Hauptstraße 35, gegenüber dem alten Rathaus, soll Kunsthaus werden.
Gewidmet einer Persönlichkeit, die kaum in den Schlagzeilen stand, international mittlerweile aber hoch geschätzt ist: Herman de Vries. Im Landkreis Haßberge kennen ihn die Biz-Besucher als freundlich-stillen Rauschebart, ein Sonderling, der seit Jahrzehnten in dem Knetzgauer Gemeindeteil Eschenau lebt und von dem keiner so recht wusste, was er macht.
Bekannte Figur der Kunstszene
Das Wort Naturkünstler wird ihm nicht gerecht, herman de vries, wie er sich selbst lieber schreibt, zählt zu den bedeutendsten lebenden Künstlern, die mit Fundstücken aus der Natur, mit Erden, arbeiten.
Er hat sich dem Neuanfang verschrieben, wie sie die "Zero"-Bewegung in den 1960er Jahren lebte. Reinheit kontra Gesellschaft, Schweigen, Stille, reine Existenz gegen lärmenden Kunstbetrieb um Millionenwerte. Herman de Vries nahm, wie Bürgermeister Günter Werner beschreibt, das Angebot der Stadt an, ihm für sein Lebenswerk quasi ein eigenes Museum zur Verfügung zu stellen. "Es war schon ein Gang, wo ich feuchte Hände gekriegt habe", gibt Werner mit einem Schmunzeln zu.
De Vries hat künstlerische Strahlkraft in der Szene. Es wäre das erste Museum, das sein komplettes Lebenswerk zeigt. Würden die Pläne der Stadt tatsächlich wahr, entstünde hier ein Ort, der den mainfränkischen Raum mit dem Weltkulturerbe Bamberg, dem Georg-Schäfer-Museum und der Kunsthalle in Schweinfurt (das frühere Ernst-Sachs-Hallenbad) weiter aufwerten würde - ein Magnet mit touristisch internationaler Reichweite. Ein weiterer Mosaikstein in einem Bild, das auch der fränkische Marienweg mit dem Ritterkapellen-Komplex prägt.
Einst residierte in dem großen alten Fachwerkbau die Hypo-Bank, dann nutzte ein Bamberger Schreib- und Spielwarengeschäft die große Ladenfläche an der Hauptstraße, in den letzten Jahren fand man hier Sportartikel. Im Dezember 2015 kaufte die Stadt für rund 200 000 Euro das auf den ersten Blick sehr ansehnliche Fachwerkhaus, das um 1570 gebaut worden ist.
Günter Werner plauderte bei seinem Redaktionsbesuch in Zeil darüber, wie sich die Verantwortlichen gleich einig waren: "Das können wir nicht verfallen lassen." In der Stadtverwaltung bildete sich ein Team, das Nutzungsvarianten ausbaldowerte. "Die höchstmögliche Förderung gibt es nur bei öffentlicher Nutzung", stellt Werner fest und weiß, dass es bei einem solchen Vorhaben nicht nur um eine Million Euro oder zwei geht.
Ein solches Projekt will gut vorbereitet sein. Deshalb hat die Stadt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben - bei einer Spezialistin in Wien, die keine Verbindungen nach Unterfranken hat, ihr Blick soll neutral sein.
Regierung stellt Geld in Aussicht
Werner ist es wichtig, dass das Vorhaben transparent ist, dass die Haßfurter früh erfahren, was hier gedacht und geplant wird. Bestärkt fühlt er sich durch Gespräche mit der Regierung von Unterfranken: "Sie hat uns Beträge in Aussicht gestellt, die uns diese Investition ermöglichen", erklärt Werner, dem bewusst ist, dass es ein Wagnis ist, ein Museum zu führen.
Es gibt auch Alternativen
Letztlich, meint er, "gibt es auch Alternativen". Die freilich ihre Tücken hätten. Wohnraum schaffen? Das Gebäude hat nur Nord- und Ostfenster, nahe Parkplätze gibt es nicht. Im Inneren erlauben alte Stuckdecken keine großen Umbauten. Büros und Praxen wären möglich. Braucht's die hier wirklich? Der Stadtrat befasst sich wohl im Dezember mit dem Thema.
Herman de Vries
Heimat Der Niederländer lebt seit 1970 in dem Knetzgauer Gemeindeteil Eschenau. Der Steigerwald ist sein Atelier,
wie der Künstler gerne sagt.
Weltenbürger Auf der ganzen Welt ist er unterwegs, sammelt Erden und Stücke aus der Natur, auch volksheilkundlich wichtige oder psychedelisch wirkende Pflanzenteile, und lässt sie zu Kunst werden.
Berühmt sind seine "Sanktuarien", heilige Räume der Natur.
Gedankenwelt Es sind poetische Augenblicke, die Herman de Vries leiten, die Freiheit, die Natur. Weil er Hierarchien nicht mag, möchte er, dass sein Name kleingeschrieben wird. Auf keiner Karte verzeichnet - vielmehr soll man sie zufällig finden - sind seine Spuren, in Felsen gravierte und vergoldete Worte im Steigerwald, denen der Wanderer begegnen darf.
Karriere Der 85-Jährige wird heute hoch gehandelt. 2015
gestaltete er den niederländischen Biennale-Pavillon in Venedig: "to be all ways to be".