Egal ob mit dem Auto oder auf dem Fahrrad: Trunkenheit im Verkehr ist kein Kavaliersdelikt. Das Amtsgericht Haßfurt verurteilte einen Radfahrer und einen Autofahrer.
Der Kapo war schuld. Hätte der Vorarbeiter nicht nach der Arbeit zum Grillen eingeladen und hätte es dort nicht dieses "bittere Bier" gegeben - ja dann wäre der 42-jährige Mann am 17. Mai bestimmt nicht mit 2,96 Promille nach Hause geradelt. Dann wäre er auch nicht in den Fokus einer Polizeistreife geraten, die den Mann wegen Fahrens ohne Licht ermahnen wollte.
Dabei blieb es nicht. Der Radfahrer schwankte und sprach undeutlich. Er wurde darum zur Blutentnahme aufs Revier verfrachtet. Vor Gericht gab sich der 42-jährige Arbeiter gestern zerknirscht. "Das hätte nicht sein sollen. Ich sehe es ja ein", sagte der Angeklagte. Wolfgang Titze, Vorsitzender Richter und Direktor des Amtsgerichts Haßfurt, gab dem Mann in seinem Urteil eine "allerletzte Chance". "Sie können sich vorstellen, dass mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist", sagte er.
Der Angeklagte, der so ernst und schuldbewusst vor dem Richter saß, hat nämlich bereits 18 Vorstrafen: wegen Sachbeschädigung, Diebstahls, räuberischer Erpressung, Körperverletzung - und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Da der 42-Jährige aber seit zwei Jahren einen festen Arbeitsplatz hat und gut mit dem Bewährungshelfer zusammenarbeitet, drückte der Richter Wolfgang Titze ein Auge zu. Er verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten (Bewährungszeit drei Jahre) und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Ebenfalls Glück im Unglück hatte der Fahrer eines Kleinwagens, der in der Nacht des 5. Mai im Landkreis Haßberge kontrolliert wurde und 2,05 Promille Alkohol im Blut hatte. Er erwies sich als begnadeter Erzähler, der Richter Wolfgang Titze und Oberstaatsanwalt Bernd Lieb glaubhaft die dramatische Vorgeschichte der Trunkenheitsfahrt schilderte.
Er habe sich in jener Nacht aus Angst betrunken hinter das Lenkrad gesetzt. Seine Ex-Frau habe wenige Stunden davor telefonisch gedroht, ihm den gemeinsamen Sohn wegzunehmen, für den er das Sorgerecht habe. "Sie hat an diesem Abend auf ihn aufgepasst. Ich hatte getrunken und wollte eigentlich bei meinen Bekannten übernachten. Aber irgendwann in der Nacht hat es mir den Schalter umgelegt", schilderte er.
Dieser "Schalter" habe Angst ausgelöst. Deswegen fuhr er um zwei Uhr los. "Hätte ich mich nicht fahrtauglich gefühlt, wäre ich nicht eingestiegen", versuchte er zu relativieren.
Doch der 55-Jährige kam nicht weit: Nach wenigen Kilometern wurde er von einer Polizeistreife angehalten. Den Polizisten war aufgefallen, dass er in einer Linkskurve ins Kiesbett gerutscht war. Statt heim zum Sohn im oberfränkischen Nachbarlandkreis musste der Handelsvertreter auf die Polizeiwache in Haßfurt.
"Haben Sie ein Alkoholproblem?", fragte Richter Wolfgang Titze den Mann. Der gab zu, eines gehabt zu haben, aber seit Jahren trocken zu sein. "Erst 2013 habe ich angefangen, alle paar Wochen wieder Alkohol zu trinken."
Er habe zu dem Zeitpunkt unter hohem finanziellen und sozialen Druck gestanden. Er, einst ein wohlhabender Mann mit mehreren Autos, habe sein Vermögen an einen betrügerischen Anlageberater verloren. Dieser sei mittlerweile zwar rechtskräftig verurteilt. Dennoch habe er 2004 Insolvenz anmelden müssen und stand damit vor dem Problem, seine zweite Ehefrau und insgesamt sieben Kinder zu versorgen.
2009 folgte auch die Trennung und zwei Jahre später die Scheidung von der Frau. Gemeinsam mit einem Sohn sei er vor vier Jahren nach Oberfranken gezogen. Im übrigen sei wenige Tage vor der Trunkenheitsfahrt ein Verwandter überraschend gestorben.
Der stand ihm nicht nur nah, sondern wollte ihm auch finanziell aushelfen.
Doch damit nicht genug: Parallel habe eine in ihn verliebte Bekannte gedroht, sich das Leben zu nehmen - zu viele Schicksalsschläge für einen trockenen Alkoholiker.
Der 55-Jährige war bereits vier Mal in den Jahren 1993, 1996 und 2004 wegen Trunkenheit im Verkehr angeklagt worden. 1999 hatte er sich unerlaubt von einem Unfallort entfernt.
Da der Angeklagte geständig war und sich bereits um einen Therapieplatz bemüht hat, kam er mit einer Freiheitsstrafe von vier Monaten (auf drei Jahre Bewährung), sieben Monaten Führerscheinentzug und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon.