Fahr langsam - es pressiert!

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Ein Privatwagen mit dem Schild "Feuerwehr im Einsatz" fährt bei der Zeiler Feuerwehr vor. Die Szene ist für unseren Artikel gestellt. Foto: Klaus Schmitt
Ein Privatwagen mit dem Schild "Feuerwehr im Einsatz" fährt bei der Zeiler Feuerwehr vor. Die Szene ist für unseren Artikel gestellt.  Foto: Klaus Schmitt
Peter Pfaff
Peter Pfaff
 
Martin Volpert
Martin Volpert
 

Wenn Feuerwehrleute zum Einsatz gerufen werden, müssen sie so schnell wie möglich zum Gerätehaus kommen. Diese Strecke hat ihre Tücken.

Diese Szene hat der eine oder andere Autofahrer vielleicht schon einmal beobachtet: Man ist innerorts mit dem eigenen Wagen unterwegs, und plötzlich taucht ein Pkw auf, dessen Fahrer das Warnblinklicht eingeschaltet hat und ordentlich aufs Gaspedal drückt. Im ersten Moment denkt man: Spinnt denn der? So eine rücksichtslose Raserei!

Kann sein, dass es ein Raser ist. Kann aber auch sein, dass es ein Feuerwehrmann ist, der zu einem Einsatz gerufen wurde und sich auf dem Weg zum Gerätehaus befindet, um mit anderen Einsatzkräften so schnell wie möglich zu einem Verkehrsunfall oder einem Brand zu gelangen. Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, zählt oft jede Minute, manchmal jede Sekunde.

Trotzdem stellt sich die Frage: Darf ein Feuerwehrmann in seinem Privatwagen, die Verkehrsregeln missachtend, so schnell wie möglich zum Feuerwehrhaus und damit zu einem Einsatz fahren? Die Antwort: im Prinzip ja, dann kommen jedoch einige "Aber" hinterher.

Die Straßenverkehrsordnung besagt, dass bestimmte Einsatzfahrzeuge von den Regelungen befreit sind, die Fahrer sich also beispielsweise nicht an Tempolimits oder Vorfahrtsvorschriften halten müssen, wenn sie hoheitliche Aufgaben erfüllen. Hoheitliche Aufgaben sind die Rettung von Menschenleben (bei Unfällen) oder der Schutz besonderer Sachwerte (bei Bränden). Die Befreiung von den Verkehrsregeln spricht der Gesetzgeber für Polizei, Bundeswehr, Katastrophenschutz, Zolldienst, Rettungsdienst und die Feuerwehr aus. Diese Befreiung gilt ab dem Zeitpunkt der Alarmierung, damit auch für die Feuerwehrleute bei der Anfahrt mit dem Privatwagen zum Gerätehaus.

Das heißt aber nun nicht, dass der Alarmierte mit seinem Wagen rasen und jedes Schild missachten kann, wie er will. Es gilt, auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu achten. Sicherheit und Sorgfalt gehen vor der Schnelligkeit. Auch bei Fahrten zu Einsätzen ist höchste Vorsicht geboten.

Die Polizei beschreibt das richtige Verhalten so: Feuerwehrleute dürften ihre "Sonderrechte mit den Privatfahrzeugen nur unter gebührender Berücksichtigung der anderen Verkehrsteilnehmer ausüben. Es darf durch die Abweichung von Verkehrsregeln zu keiner Gefährdung oder Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer kommen. Dafür gilt der Grundsatz: Sicherheit vor Schnelligkeit", betont Philipp Hümmer vom Polizeipräsidium für Unterfranken in Würzburg.


Ein Beispiel

Wie die Sonderrechte richtig angewendet werden, lässt sich am besten mit einem Beispiel erklären: Ein Feuerwehrmann nähert sich nachts auf der Fahrt zum Gerätehaus einer Kreuzung. Die Ampel zeigt Rotlicht. Er sieht, dass kein Verkehr herrscht und keine anderen Autos unterwegs sind. Da kann es der Fahrer wagen, das Rotlicht zu missachten und weiterzufahren. Gleiche Situation am Tag an der gleichen Kreuzung. Es herrscht starker Verkehr und die Ampel steht auf Rot. Dann sollte der Feuerwehrmann das Ampelsignal beachten und anhalten.

Die Empfehlung der Polizei teilen die Führungskräfte der Feuerwehr. "Fahr langsam - es pressiert", zitiert der Zeiler Kreisbrandinspektor Peter Pfaff als Faustregel für richtiges Verhalten. Mindestens einmal im Jahr werde bei internen Unterrichtseinheiten die Problematik angesprochen, erklärt der Kommandant der Haßfurter Feuerwehr, Martin Volpert. Und er rät immer dazu, vorsichtig zu fahren. Sowohl Volpert als auch Pfaff wissen: Es nutzt nichts, wenn ein Helfer rast und - im schlimmsten Fall - dann selber einen Verkehrsunfall verursacht. Ein verunglückter Feuerwehrmann kann niemandem mehr helfen. Die Feuerwehrleute sollten laut Pfaff "langsam und kontrolliert fahren. Wir brauchen Helfer, die ankommen."

Wenngleich: Man kann ein gewisses Maß an Verständnis haben, wenn ein Alarmierter mal zu heftig aufs Gaspedal tritt, es hat manchmal auch mit jugendlichem Leichtsinn zu tun, und es geht auch immer um die konkrete Situation. Man stelle sich vor, es kommt die Alarmierung: Person eingeklemmt in einem brennenden Auto! Da geht es wirklich um jede Sekunde.

Gleichwohl gilt: Vorsicht und Sorgfalt vor Schnelligkeit. Peter Pfaff weiß, "der eine oder andere Feuerwehrmann ist vielleicht zu hitzig. Wir versuchen, das einzubremsen."

Eines müssen die Feuerwehrleute wissen: Sollten sie auf der Anfahrt zum Gerätehaus einen Unfall verursachen, sind sie nicht aus dem Schneider, auch wenn sie das Sonderrecht in diesem Fall genießen. Das Haftungsrecht, wie es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt, und das Strafrecht gelten weiterhin. Und Gerichte haben in solchen Fällen unterschiedlich geurteilt, schildert der Haßfurter Kommandant Martin Volpert.

Und noch eine Problematik sollten die Feuerwehrleute im Hinterkopf haben: Der "normale" Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer kann meist nicht erkennen, wenn ein Feuerwehrmann alarmiert worden ist und mit seinem Privat-Pkw zum Gerätehaus fährt. Die eingeschaltete Warnblinkanlage lässt diesen Schluss nicht zu - außerdem ist sie nach Ansicht von Martin Volpert gefährlich, weil der Fahrer ein Abbiegen mit seinem Wagen nun nicht mehr anzeigen kann. Manche Feuerwehrleute haben gelbe Schilder mit der Aufschrift "Feuerwehr im Einsatz", die sie per Magnet auf das Dach ihres Privat-Pkw stellen können. Solche Schilder haben nur die Funktion, dass sie anderen Verkehrsteilnehmern anzeigen: Da ist ein Feuerwehrmann auf dem Weg zum Einsatz. Die Schilder drücken keinen Vorrang für das Fahrzeug aus.

Das ist nur mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht möglich. Die Straßenverkehrsordnung regelt, dass ein Feuerwehrauto mit Sirenen- und Lichtsignal Sonderrecht und das Wegerecht hat. Das heißt, dass andere Fahrzeuge Platz für die Einsatzfahrzeuge machen müssen. Hier nimmt die Feuerwehr hoheitliche Aufgaben wahr.

Übrigens: Das Gebot zu Sorgfalt und Vorsicht gilt auch für die Fahrer bei den Einsatzfahrten mit Martinshorn und Blaulicht.



Kommentar

Jeder kann einmal die Feuerwehr brauchen

Wer bei der Feuerwehr ist, hat schon einiges erlebt. Das gilt für positive Erfahrungen ebenso wie für negative.
Bleiben wir mal bei den negativen Erscheinungen. Der Haßfurter Kommandant Martin Volpert schilderte unserem Portal Fälle, die nur noch den Kopf schütteln lassen. Und es sind keine Einzelfälle.

Da ist ein Feuerwehrmann in der Kreisstadt mit seinem privaten Auto zum Gerätehaus unterwegs, weil er für einen Einsatz alarmiert worden ist. Auf dem Dach seines Wagens hat er das gelbe Schild "Feuerwehr im Einsatz", um anderen Verkehrsteilnehmern deutlich zu machen: Ich fahre hier nicht zu meinem Vergnügen, sondern muss Hilfe leisten!

Und was machen andere Autofahrer? Sie reduzieren ihre Geschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer und bremsen den Feuerwehrmann offenbar in voller Absicht nach dem Motto aus: Da kommt sowieso nur ein Wichtigtuer.

Das passiert ausgerechnet in einer Stadt, in der es zu manchen Zeiten ohnehin schwierig ist voranzukommen. Im Berufsverkehr am Morgen und am Abend staut sich der Verkehr meistens vor dem Ezo-Kreisel. "Das ist manchmal Wahnsinn", stöhnt Kommandant Volpert. Das Haßfurter Feuerwehrhaus liegt nicht weit vom Ezo-Kreisverkehr entfernt und ist deshalb für seine Einsatzkräfte mitunter schwer zu erreichen.

Warum manche Zeitgenossen dann auch noch ihre "Scherze" treiben, bleibt ein Rätsel. Sie sollten sich mal vor Augen halten, dass auch sie in eine Notlage geraten können. Dann sind sie froh, wenn rasch die Hilfe kommt. Oder sind das dann die, die am lautesten schreien, weil die Feuerwehr "ewig nicht kommt"?

Es gibt aber auch positive Nachrichten: Viele Autofahrer machen in Haßfurt Platz, obwohl sie es nicht müssten, wenn sie ein Auto mit dem gelben Schild auf dem Dach sehen.