Die Frauen des Eberner Lichtstubenabends haben vor einem Jahr Frauen aus dem Asylbewerber- heim in ihren Kreis aufgenommen.
Die Szene enthält die Symbolik der Weihnachtsgeschichte: Eberner Frauen halten Babys aus dem Morgenland im Arm, während Frauen mit Schleier nicht nur Kontakte, sondern auch Maschen knüpfen. Ein vertrautes Bild im Heimatmuseum, wo sich seit Anfang Oktober jeden Donnerstag der Strickkreis des Bürgervereins traf. Ein Ort des Friedens, der Völkerverständigung - der etwas andere Ansatz von Integration. Unbeschwert, unbürokratisch. Ehrenamtlich und ohne finanzielle Förderung. Und doch - oder gerade deswegen? - funktioniert's.
Da erwachen Mutterinstinkte: Die Kurzzeit-Leihomas halten ihren Gästen, die aus Syrien und Eritrea flüchteten, nicht nur den Rücken, sondern auch die Hände frei. Damit die Nadeln klackern, linke Maschen, rechte Maschen, bloß keine fallen lassen. Was fällt, ist das eine oder andere nette Wort. Und so manche verbindende Geste. Während die Babys auf den Arm genommen werden, wird mit den größeren Kindern eine Bastel-ecke eingerichtet: Ein Weihnachtsstern entsteht, ob er die richtige Richtung weist?
"Manche der Frauen haben das Stricken bei uns erst gelernt", freut sich Adolf Hafenecker, der einzige Mann in der Damenrunde, die von Inge Günther organisiert wird.
Im Schnitt 30 Teilnehmer
Diese Damenrunde staunte zunächst, als im November 2015 erstmals auch Damen des Asylhelferkreises mit geflohenen Frauen und Mädchen bei einem Lichtstubenabend aufkreuzten. Die Idee dazu hatte Ulrike Weber, die seither zusammen mit Anna Luckardt den Fahrdienst von der Kaserne zum Marktplatz und zurück übernimmt.
"Am ersten Lichtstubenabend kamen wir mit neun Frauen aus Syrien, der Ukraine und Äthiopien ins Heimatmuseum. Unangekündigt. Die Frauen schauten zunächst erstaunt, empfingen uns aber herzlich. Es wurden gleich Tee und Plätzchen angeboten, Strickwolle bei Freunden und Bekannten gesammelt", erinnert sich Anna Luckardt. "Schönes entstand in Handarbeit. Es wuchs eine Herzlichkeit, die bewegend war und ist. " Aus der völkerverbindenden Zusammenarbeiten entstanden Pullover und Socken. "Lauter schöns Zeug", resümiert Adolf Hafenecker über die Ergebnisse, die die 30 Frauen - so die Teilnahme im Schnitt - jede Woche fertigen.
Anfangs verständigten sich die Frauen untereinander mit Händen und Füßen. So fanden sie den Weg zueinander.
Weil die Begegnungen so schön und speziell waren, setzten Inge Günter und Adolf Hafenecker die Lichtstube noch im Januar 2016 fort.
Umsiedeln im Frühjahr
Danach traf man sich bis März jeweils im Schulraum der Gemeinschaftsunterkunft in der ehemaligen Kaserne. "Die Geflohenen und wir beherbergten nun die Ortsansässigen. Wie beglückend das war", frohlockt Anna Luckardt.
Jetzt im November ging es mit der Lichtstube im Museum weiter. "Welch eine Freude auf allen Seiten herrschte. Es gab von Seiten der Ebernerinnen Nachfragen nach den Frauen, die nicht mehr hier sind. Weil sie zurückgingen in ihr Heimatland oder umgezogen sind", beschreibt Anna Luckardt ein Klima des Miteinanders.
Es gibt inzwischen Gespräche zwischen den Frauen. Denn die Frauen aus Syrien, Afrika und der Ukraine haben - dank des Sprachunterrichts - Deutsch gelernt. Sie helfen sich gegenseitig beim Häkeln und Stricken. Und auch in Fragen des Alltags.
Die Frauen aus der Gemeinschaftsunterkunft bringen Selbstgebackenes mit, bieten es allen an. "Gutes, süßes Zeug", so Hafenecker. Im Gegenzug bewirten und bedienen die Eberner Frauen ihre Gäste zuletzt mit Tee und Punsch, Wasser und Saft für die Kinder, die sich "förmlich drauf stürzen", wie sich Hafenecker freut.
Völkerverbindende Szenen
"Wir sind einander vertraut. Und vertrauen uns gegenseitig. Jüngst haben syrische und afrikanische Teilnehmerinnen am Strickkreis Kinder geboren. Sie sollten sehen, wie liebevoll die Ebernerinnen die Babys herzen. Völkerverbindende Szenen spielen sich da ab", ist Anna Luckardt begeistert. "Denn wir haben die anfängliche Fremdheit schnell abgelegt, uns einander zugewandt. Weil wir im Fremden das Vertraute sehen, die Frauen als Mütter und Schwestern erleben."
Durch das Kennenlernen der vermeintlich fremden Menschen, durch das Anhören ihrer Berichte über ihr Leben vor und im Krieg, in großer Armut und Not, dem Einfühlen in ihre Erlebnisse auf der Flucht seien nun alle gefeit vor ungerechten, hartherzigen, dummen, unchristlichen Vorwürfen gegen Flüchtlinge. Luckardt: "Wir stellen diese Menschen nicht auf eine Stufe mit Terroristen und Kriminellen. Weil wir erfahren haben, dass sie genau vor diesem Terror geflohen sind und unsere Menschlichkeit dringend brauchen."
Auf Wunsch der Eberner Frauen gehen ab Donnerstag, 12. Januar, jeweils von 19 bis 21 Uhr die Lichtstubenabende weiter. Dann aber nicht mehr im Heimatmuseum, sondern in der Kaserne, in der Graf-Stauffenberg-Straße, gegenüber der Gemeinschaftsunterkunft. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. "Lassen Sie sich ein auf Unbekanntes und Bekanntes", werben die Organisatorinnen vom Asylhelferkreis.