Die Stadt Ebern dreht für einen Tag die Zeit zurück und erlebt den Bereich um Grauturm und "Wolzngarten" als ideale Kulisse für ein historisches Spektakel. Auch den mittelalterlichen Akteuren gefällt die kleine, aber feine Premiere. Und sie wollen wiederkommen.
Wenn Jürgen Hofmann zu "Schabernackrakeel" wird, dann müssen sich Pressefotografen in acht nehmen. Ein teuflisch böses Auge hätten sie da im Gesicht, womit er die Kamera meint, und da es auch noch Blitze schleudere, sollte es am Besten der Leibhaftige holen.
Wie gut, dass es im Mittelalter noch keine Paparazzi gab! Dabei mimt der Mann aus dem Kreis Hildburghausen, der den fahrenden Spielmann und Gaukler zu seinem Beruf gemacht hat, gewissermaßen einen frühen Vertreter der Nachrichtenzunft. Possenreißer und Scharlatan zwar, aber auch Überbringer der Neuigkeiten von weither. Mit Drehleier und Dudelsack verpackt er seine Botschaften marktschreierisch und kommuniziert mit den Massen.
Alter Trinkspruch
Trinkfest ist er zudem und schon von daher der ideale Gast für fränkische Fest-Gelage. "All voll!", ruft er den Gästen des Mittelaltermarktes in Ebern von seinem Planwagen aus zu, ein Trinkspruch von anno dazumal: "Mögen Eure Fässer und Humpen allzeit voll sein." Während er das Trinkhorn erhebt, lassen es viele Eberner bei der Premiere mit Biergläsern bewenden. Mancher aber entdeckt Neues und labt sich am Honigwein, den es in "Odins Met-Halle" zu kosten gibt. Ein mittelalterlicher Gaumenkitzel.
Odin heißt eigentlich Benjamin Tietje, stammt aus Hallstadt und ist im normalen Leben in Ebern mit Großküchentechnik beschäftigt. Ihn begeistert der "nette kleine Markt" rund um den Grauturm ebenso wie Schmied Ulf Erdmann nebendran, der seit zehn Jahren auf derartigen Märkten zuhause ist. Das alte Handwerk hat der Zeiler Anfang der 80er Jahre von der Pike auf gelernt und hält, auch wenn er inzwischen in der neuzeitlichen Kunststoffindustrie gelandet ist, fürs Mittelalter-Publikum an Hammer und Amboss fest, facht die 2500 Grad heiße Steinkohleglut per Kurbelgebläse an und lässt unter Funkenflug Pfeilspitzen, Zierblätter, Ess-Spieße und Schmuckfibeln entstehen.
Kitzelpinsel aus dem Langhaar von Edelziegen sind eine Spezialität der Besenbinderin Kerstin Weber aus Prappach. Sie lässt ihre Kunden gern selbst Hand anlegen, und bringt ihnen manche Kniffe bei. So tun dies mehrere Vertreter alter Zünfte, die zu Füßen der Stadtmauer und in den Altstadtgassen ihre Künste zeigen. Bei der Zahl der Stände könnte das Fest noch um einiges zulegen, findet eine zwölfköpfige Mittelalter-Gruppe, die eigens aus Markt Erlbach angereist ist: "Aber für den Anfang passt das hier schon!"
Wie in einer anderen Welt
Verzaubert von mittelalterlichen Klängen der Gruppe "Intermusica" um Karin Meyer Jungclaussen und beschwingt von den Klängen des Ensembles "Dumdideldei" gelangt man am Hof des Heimatmuseums vorbei (Spezialität: Sau am Spieß und Wildschweinbratwürste) zu einem Lager im "Wolzngarten".
"Ein einmalig schöner Ort", findet Tanja aus Bamberg-Theuerstadt, die sich als Mitglied der Mittelaltergruppe "armoricum gaudii" Elisabeth von der Tuirstadt nennt. Der lauschige kleine Park im Schatten alter Bäume hat es ihr und ihren Freunden angetan. "Die Leute betreten den Garten wie durch eine Pforte und werden plötzlich ruhiger, als fänden sie sich in einer anderen Welt", hat sie beobachtet. Dort, am Fuße des Grauturms, haben Tanja und Andi, der sich hier Asfur al nar el Farangi ibn Salah ed Din al Ayoubi nennt, ihr Lager bezogen. Dazu auch die Pfalzgräfin Karin von Wallenrode mit ihrem Gefolge oder der Ordensritter Günter Josef Wagenpfeil, dessen Real- Name schon so abenteuerlich klingt, dass es keines "Stage-Namens" mehr bedarf. Zelte und Waffenlager, Lagerfeuer, Esstische und Schlafgemächer geben Einblick in das Leben der Menschen vor Jahrhunderten. "Alles von Mitgliedern der Gruppe erarbeitet und meist in Handarbeit gefertigt", erklärt Araber Andi, der als Leibarzt der Wallenrodes fungiert und abends neben Daniela Gärtner alias Ignis Artifex als Feuerschlucker auftreten wird.
Gewusst, wie
Er, wie die meisten in der Gruppe sind bereits seit Jahren vom Mittelalter-Virus infiziert und als "Lageristen" unterwegs. Da hat sich jede Menge Fachwissen angesammelt. "Promovieren kann man damit nicht," sagt Tanja, "aber profitieren". In der Gruppe, die aus ganz Franken kommt, habe sie tolle Menschen und Charaktere kennen gelernt.
Die Mittelalter-Akteure finden den Markt in Ebern prima organisiert. Das Ambiente sei ideal, sagen die meisten, und das ganze Fest vor allem eines: ausbaufähig.
Kerstin Zwinkmann, die Leiterin des Tourismusamtes in Ebern, ist heilfroh, dass sie die Premiere so gut hinbekommen hat, denn für die Verwirklichung ihrer Idee blieb wenig Zeit. Sie erntet reichlich Lob an diesem Tag, auch von Ingo Hafenecker, dem Vorsitzenden des Bürgervereins. Wäre er nicht nur fürs Fest in die Rolle eines Ratsherrn geschlüpft, er hätte gewiss dafür gesorgt, dass mehr Geld aus dem Stadtsäckel für dieses Ereignis geflossen wäre. Aber das kann ja beim nächsten Mal noch werden.
Das Problem mit dem Termin
Günter Lipp, der Kreisheimatpfleger, sieht wohl die Unterschiede zwischen tatsächlicher Geschichte und historisierendem Darstellen. Aber er freut sich über den gelungenen Anfang. "Der Ort ist günstig", findet er, "und die alte Stadtbefestigung eine ideale Kulisse". Auch der zeitliche Abstand zum Altstadtfest sei gut gewählt.
Das allerdings hätten Vertreter diverser Ortsvereine, vor allem in den Stadtteilen, an diesem Tag wohl nicht unterstrichen. Denn während das Mittelalterfest mit einem Feuerzauber zu Ende geht, lodern in vielen Dorfern die Sonnwendfeuer. Diese längst feststehenden Einträge im Terminkalender des Kulturrings hatten die Veranstalter, Stadt und Tourismusgemeinschaft, offenkundig übersehen. "Teufelszeug", würde der Gaukler Schabernackrakeel dazu frotzeln, mit seinen Schellenschuhen stampfen und sich über das Missgeschick lustig machen.
Super Fest,
hoffendlich nächstes Jahr wieder
Danke an alle Helfer
Gruß
Gast