Drei Chefinnen hinterm Tresen

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Margit Kröner arbeitet im Service.
Margit Kröner arbeitet im Service.
 
Dagmar Weschenfelder zaubert Gutes in der Küche.
Dagmar Weschenfelder zaubert Gutes in der Küche.
 
Anja Hey kümmert sich um die kaufmännischen Belange und packt an, wo Not an der Frau ist. Fotos: Katja Kölbl
Anja Hey kümmert sich um die kaufmännischen Belange und packt an, wo Not an der Frau ist.  Fotos: Katja Kölbl
 
Das Gasthaus Strätz in Stettfeld
Das Gasthaus Strätz in Stettfeld
 
Der Eingangsbereich im Gasthaus Strätz in Stettfeld.
Der Eingangsbereich im Gasthaus Strätz in Stettfeld.
 
Der Eingang zur Gaststube
Der Eingang zur Gaststube
 

Als dem Gasthaus Strätz in Stettfeld Ende 2005 die Schließung droht, retten drei Angestellte die Wirtschaft vor dem Aus und übernehmen die Pacht. Die Frauen - damals 33, 39 und 43 Jahre alt und alle Mütter - stürzen sich ohne große Vorbereitung ins Abenteuer. Mittlerweile sind sie seit acht Jahren erfolgreich im Geschäft. Ein Ende ist in Sicht.

2005 sah es in Stettfeld gastronomisch düster aus. Von den drei Wirtshäusern schien nur die Existenz des Gasthauses Adler Bräu der Familie Merklein sicher. Der Goldene Adler (heute geschlossen) war bereits im Sinkflug und Martin Strätz im Begriff, den Gasthof Strätz ohne Nachfolger zurückzulassen. Der Stettfelder wollte mit seiner Familie in die Heimat seiner Frau, nach Österreich, umsiedeln.

Für Strätz´ Angestellte schien der Schritt in die Arbeitslosigkeit nur noch eine Frage der Zeit. Dagmar Weschenfelder, Margit Kröner und Anja Hey - die eine Küchenhilfe, die anderen beiden Bedienungen - zermarterten sich das Hirn, wie es beruflich weitergehen sollte.
Bis ihnen ihr Chef überraschend den Vorschlag machte: "Übernehmt doch Ihr den Laden!"

Sprung ins kalte Wasser

Spontan beriefen die drei Arbeitskolleginnen bei Margit Kröner, einer gelernten Hotelfachfrau, ein Krisen-Kaffeekränzchen ein. "Da haben wir beschlossen: Wir machen`s", erzählt Anja Hey. Die 41-Jährige regelt seitdem die kaufmännische Seite der Gastronomie.

"Am Anfang haben wir schon Angst gehabt. Aber dann ging alles Schlag auf Schlag und wir haben`s einfach gemacht", erzählt Dagmar Weschenfelder. Die 51-Jährige aus Stettfeld, die seit bald 25 Jahren in der Küche steht, kocht im Gasthaus Strätz. Sie bringt großzügig portionierte, gutbürgerliche Küche auf den Tisch. Margit Körner (47, ebenfalls aus Stettfeld) arbeitet im Service.

Im Winter 2005, kurz vor der drohenden Schließung, blieb den Dreien also nicht viel Zeit zum Nachdenken. Im November fiel der Entschluss, eine GmbH zu gründen und das Gasthaus zu pachten. Im Dezember wurden die Verträge unterzeichnet, am 27. Dezember war der Notartermin und am 1. Januar 2006 die Eröffnung. "Martin Strätz hat am 31. Dezember aufgehört und wir haben den Tag darauf eröffnet", sagt Anja Hey lachend.

Der berufliche Neuanfang war für die Frauen eine große Umstellung. "Es ist etwas anderes, wenn Du angestellt bist als wenn Du die ganze Verantwortung hast", sagt Dagmar Weschenfelder. Auch die Familien der drei Mütter waren skeptisch. "Was tut Ihr Euch da an?", haben die gefragt, erinnert sich Anja Hey zurück.

Alles eine Sache des Vertrauens

Die Sanderin und Margit Kröner sind Cousinen, zu Dagmar Weschenfelder bestehen keine Familienbande. Drei Arbeitskolleginnen, die ein Unternehmen gründen - das ist ein großer gegenseitiger Vertrauensbeweis. An einer Geschäftsbeziehung ist schon so manche Freundschaft zerbrochen.

Doch die Vorschusslorbeeren, die sich die drei Damen vom Gasthof Strätz gegenseitig zugestanden, haben sich gelohnt: Die Frauen sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Auch ihre drei Männer - die witzigerweise alle Jürgen heißen - helfen fleißig mit. Jürgen Kröner ist ein gelernter Schlosser und begabter Handwerker, Jürgen Hey packt beim Holzmachen und Streichen mit an, Jürgen Weschenfelder hilft seiner Frau beim wöchentlichen Einkauf für die Küche. Und alle drei müssen akzeptieren, dass ihre Frau an Sonn- und Feiertagen arbeitet.

Finanziell? "Ein teueres Hobby"

Auf die Finanzen angesprochen, rollen die Pächterinnen vielsagend mit den Augen. Letztlich haben sie im Angestelltenverhältnis mehr verdient als jetzt, wo sie jeden Cent in den Betrieb stecken. "Es ist ein teueres Hobby", fasst Anja Hey zusammen und die anderen nicken. In den vergangenen acht Jahren haben sie Zehntausende Euro in das Gasthaus investiert: Die Herrentoiletten wurden saniert, die Kaffeemaschine ersetzt, für den Biergarten neue Garnituren gekauft, das Kassensystem modernisiert, die Fernseher ausgetauscht, die Stühle und Bänke neu bezogen und eine neue Spülmaschine angeschafft. In den sieben Zimmern, die sie an Urlauber und Arbeiter vermieten, wurden die Teppichböden durch Laminat ersetzt. Das kostet.

Stammgäste, Busreiseunternehmen, Wanderer, Radfahrer und Ausflüger bescheren den Pächterinnen ein regelmäßiges Einkommen, das in den Betrieb investiert wird. Man kann sehen, dass sie gerne und gut zusammenarbeiten. Trotzdem dauert ein Arbeitstag in der Gastronomie schnell elf bis 13 Stunden lang. "Das geht auf die Knochen", sagt Dagmar Weschenfelder. So sehr sie die Arbeit auch mag: "Der Pachtvertrag läuft bis Ende 2016. Dann überlege ich aufzuhören", sagt die 51-Jährige.

Ist das das Ende vom Gasthof Strätz? Margit Kröner und Anja Hey schauen sich an. "Wenn Dagmar nicht mehr mitmacht, werden wir auch aufhören", sagt Anja Hey dann. Margit Kröner nickt. Wenn sich kein neuer Pächter findet, wird Ende 2016 ein weiteres Gasthaus in Stettfeld seine Türen schließen. Ein düsteres Kapitel.