Der schwere Verzicht: Warum die Diabetesberater am Haßfurter Klinikum nichts von strengen Essensverboten halten

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Dr. Frank Schröder und Larissa Weinhold (links) bringen Diabetespatientin Annette Wagner das Insulinspritzen bei. Foto: Teresa Hirschberg
Dr. Frank Schröder und Larissa Weinhold (links) bringen Diabetespatientin Annette Wagner das Insulinspritzen bei. Foto: Teresa Hirschberg
Mittagszeit im Haßfurter Klinikum: Am Tablet werden die Essensbestellungen der Patienten notiert. Foto: Teresa Hirschberg
Mittagszeit im Haßfurter Klinikum: Am Tablet werden die Essensbestellungen der Patienten notiert. Foto: Teresa Hirschberg
 
Diätassistentin Elke Müller arbeitet seit 25 Jahren an den Haßberg-Kliniken. Foto: Teresa Hirschberg
Diätassistentin Elke Müller arbeitet seit 25 Jahren an den Haßberg-Kliniken. Foto: Teresa Hirschberg
 

Im Haßfurter Krankenhaus bekommen Patienten mit Diabetes und Darmproblemen Ernährungspläne, an die sie sich auch in der heimischen Küche halten sollen. Problematisch wird es für diejenigen, die partout auf nichts verzichten wollen.

Kuchen ist Annette Wagners alte Nemesis. Darauf zu verzichten, fällt der 62-Jährigen besonders schwer. Doch wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, muss sie sich den zuckrig-süßen Verlockungen widersetzen können - auch ohne ärztliche Hilfe.

Annette Wagner ist eine der Diabetespatientinnen, die eine Woche lang in der Akutgeriatrie der Haßberg-Kliniken in Haßfurt untergebracht sind. In der kurzen stationären Behandlungszeit wird überprüft, wie die Diabetespatienten auf Insulin reagieren. Neue Patienten lernen das selbstständige Blutzuckermessen und Insulinspritzen - und bekommen einen individuellen Ernährungsplan. Doch wie offen die Patienten für die Empfehlungen von Diätassistentin Elke Müller sind, fällt extrem unterschiedlich aus.

Richtig essen und Blähungen vermeiden

"Wir haben oft Patienten aus der Chirurgie mit Darmerkrankungen, die eine Operation hinter sich haben", erklärt Elke Müller. Vor 25 Jahren hat sie in den Haßberg-Kliniken ihre Ausbildung zur Köchin gemacht, heute übernimmt sie als stellvertretende Küchenleiterin vor allem organisatorische Aufgaben. Die einzelnen Klinikstationen schicken Diätanforderungen an Elke Müllers Team, mit einem Vermerk, weswegen die jeweiligen Patienten behandelt werden.

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"Bei Darmkrankheiten ist die Hauptsache, dass das Essen nicht bläht", sagt Müller. Sauerkraut und faserhaltige Nahrungsmittel wie Spargel, Pilze oder Mandarinen sind damit tabu. Bei älteren Patienten spricht Elke Müller die Ernährungsumstellung oft mit Familienmitgliedern ab. "Das Vorwissen der einzelnen Patienten ist sehr unterschiedlich", sagt sie. "Manche Männer haben sich vor dem Klinikaufenthalt noch nie mit dem Thema Ernährung befasst. Frauen wissen in der Regel besser Bescheid."

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Einen strengen Ernährungsplan mit Gerichten zum Nachkochen und Kalorienvorgaben gebe Elke Müller den Patienten nicht an die Hand. Es handele sich um Empfehlungen, das betont die Diätberaterin immer wieder. "Die Ernährungsweise komplett umkrempeln zu wollen, das funktioniert nicht. Damit würden wir bei den Patienten auf Ablehnung stoßen."

Ratlos im Supermarkt: Umstieg auf gesunde Lebensmittel

Einige Patienten lassen sich im Vorfeld online von trendigen "Ernährungsphilosophien" begeistern, erzählt Elke Müller. "Die nehmen dann nicht alle unserer Tipps an. Andere Patienten wollen wiederum einfach auf nichts verzichten." Manchen bereite die Umstellung auf gesündere Produkte finanzielle Sorgen: "Sie sagen, wir würden uns das zu leicht vorstellen. Und dass sie eine Stunde im Geschäft waren und nach den richtigen Lebensmitteln gesucht haben."

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Neben den häufigen Darmerkrankungen werden auch immer mehr Patienten wegen Mangelernährung eingewiesen - und wegen Diabetes. Larissa Weinhold ist seit zweieinhalb Jahren Mitarbeiterin des Diabetesberatungsteams an der Haßfurter Klinik. Ob die Ernährungstipps bei ihren Patienten gefruchtet haben, erkennt sie vor allem an den Langzeitzuckerwerten, die alle drei Monate überprüft werden. "Vor allem jüngere Patienten wollen abnehmen, um vom Insulin wegzukommen", erzählt Weinhold. "Oder sie nehmen schon alleine deswegen ab, weil sie sich ungern spritzen."

Diabetesberatung in Haßfurt: Auf Vernunft hoffen

Auch sie hält nichts von strengen Essensverboten, sondern hofft letztendlich auf die Vernunft der Patienten. Bei regelmäßigen Schulungen wird den Diabetespatienten erklärt, wie sie die Ernährungstipps am besten in ihren Alltag integrieren können. Bei 98 Prozent würde die Umstellung keine Probleme bereiten, meint Larissa Weinhold.

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Am Haßfurter Klinikum bestehe zudem die Möglichkeit, dass Diabetespatienten nach dem stationären Aufenthalt im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) direkt gegenüber weiter betreut werden können, erklärt Dr. Frank Schröder, Chefarzt der Akutgeriatrie. Annette Wagner leidet bereits seit 2002 an Diabetes. Ob sie zurück zu Hause auf ihr geliebtes Stück Kuchen verzichten kann, wird sich bei den Nachuntersuchungen im MVZ zeigen.

Elke Müllers Diät-Evergreens: Klassisch, aber effektiv

1. Viel trinken: Und zwar lieber stilles, statt kohlensäurehaltiges Wasser. Säfte sollten aufgrund ihres Säuregehaltes nicht pur getrunken, sondern zu Schorlen verdünnt werden.

2. Langsam essen und gut kauen, auch wenn es noch so gut schmeckt. Bei Brotaufstrichen reicht auch eine dünne Schicht aus.

3. Bewusst einkaufen: Im Supermarkt auf die Inhaltsstoffe der Lebensmittel achten, regionale und saisonale Produkte bevorzugen, auf Fertigprodukte verzichten.

4. Ein gesunder Lebenswandel funktioniert nicht allein durch eine Ernährungsumstellung - ausreichend Bewegung gehört auch dazu.