Wegen der Pandemie haben viele Menschen Angst – und werfen einen genauen Blick auf ihre Umgebung. Die Grenzen zwischen berechtigter Sorge und Denunziation scheinen fließend. Eine Expertin gibt Tipps zu dem Thema.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat die Coronaeinschränkungen am 8. Mai weiter gelockert. Die bayerische Polizei schreibt hierzu auf ihrer Internetseite: "Fortan ist es erlaubt, neben der engeren Familie auch Verwandte in gerader Linie und Geschwister sowie die Angehörigen eines weiteren Hausstands zu treffen oder zu besuchen." Was nun erlaubt ist, war vereinzelt auch schon vorher zu beobachten. In den Landkreisen Bad Kissingen, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld und Haßberge kam es nach Angaben der Polizei am letzten Tag vor den Lockerungen insgesamt zu 15 Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Damit steht die Region nicht alleine da.
Aus dem privaten Umfeld
Manchmal kommen die Hinweise an die Polizei von Privatpersonen – gelegentlich sogar aus dem direkten Umfeld. Ein solches Klima der gegenseitigen Überwachung entsteht gerade dann, wenn viel Angst im Spiel ist, weiß Diplom-Psychologin Nicole Seifert: "In der Tat sind Menschen, die sich in Angst befinden, aufmerksamer und eher bereit andere Menschen anzuzeigen, weil sie ihr Leib und Leben in Gefahr sehen", erklärt sie.
Die Eltmannerin betont, dass es also erst einmal wichtig sei, an der eigenen Angst zu arbeiten – die könne sehr mächtig sein. Vor allem wenn sie das Verhalten steuert, werde es bedenklich. Dafür nennt die Psychologin erschreckende Beispiele aus Geschichte, ohne sie jedoch mit der aktuellen Situation gleichzusetzen. Mithilfe eines Angstgefühls konnten die Machthaber in der DDR beispielsweise das Volk spalten und so ihr Staatssystem aufrechterhalten.
Realistische Einschätzung
Um der Angst dieser Tage nicht die Überhand zu gewähren, hat Seifert ein paar Ratschläge: Einerseits sei es wichtig, sich breit zu informieren, um eine realistische Einschätzung der Situation zu bekommen. Hierbei komme es darauf an "den eigenen Kopf und Verstand zum Denken einzusetzen, nicht alles zu glauben, was man hört, sondern auch mal selbst zu recherchieren und sich viele Informationsquellen zunutze zu machen". Auf der anderen Seite dürfe der Medienkonsum in Bezug auf Corona aber nicht Überhand nehmen. Stattdessen sollten die Menschen versuchen, bewusst andere Dinge in den Mittelpunkt zu rücken: "Personen, die einem wichtig sind. Dinge, die man gerne macht und angenehme Familienkontakte pflegen und so viel wie möglich in die Natur gehen."
Das persönliche Gespräch suchen
Trotz der Lockerungen kann es weiterhin zu Verstößen kommen. Sollte jemand wiederholt sehen, wie bestehende Regeln missachtet werden – zum Beispiel bei einem Nachbarn – rät Seifert zunächst zu einem Gespräch: "Vielleicht könnte man sich auch erst mit der Person zu dem Thema austauschen, miteinandern in Kontakt gehen und Dinge klären, bevor man direkt die Polizei damit beauftragt." Sollte sich jemand wiederum permanent beobachtet fühlen, rät die Psychologin zur gleichen Strategie. Durch einen vernünftigen Austausch lasse sich oftmals eine Eskalation der Situation vermeiden.
Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und Gemeinschaft sei indes Teil der menschlichen Natur, sagt die Psychologin. "Lange Zeit in Isolation leben zu müssen, ist tatsächlich als gesundheitsschädlich zu bewerten."
Meine Erfahrung mit persönlichen Ansprachen zeigt, dass gerade die jenigen, welche sich nicht an die Regeln, und davon gibt es leider sehr viele, halten, bei persönlicher Ansprache sich agressiv dagegen verwehren oder sogar ausfällig werden. Wobei ich nur andere anspreche, wenn deren Verhalten, z.B. keinen Abstand zu mir zu halten, zu einer Bedrohung meiner eigenen Person führt.