Nahezu alle Stühle in der Tettauer Festhalle waren besetzt, als die AfD-Strömung "Alternative Mitte" zum Tag der Deutschen Einheit ihr erstes bundesweites Treffen veranstaltete. Begleitet wurde die Konferenz von lautstarken Protesten vor der Halle.
Viel Platz war nicht mehr: weder in der Tettauer Festhalle noch auf den Parkplätzen oder den Straßen im näheren Umkreis. Mehr als 200 Personen hatten am Dienstag den Weg in die Marktgemeinde gefunden, um am ersten bundesweiten Treffen der AfD-Strömung "Alternative Mitte" (AM) teilzunehmen. Die will ihre Partei bürgerlicher einstellen und sich von rechtsextremen Positionen abgrenzen (wir berichteten).
Und weil die Autos der Besucher auch irgendwo abgestellt werden müssen, standen die Fahrzeuge mit Kennzeichen aus den unterschiedlichsten Bundesländern am Straßenrand, auf dem angrenzenden Diska-Parkplatz oder in zwei Reihen direkt vor der Festhalle.
Etwa 120 Demonstranten
Ein zusätzlicher potenzieller Abstellplatz wäre gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Veranstaltungsorts gewesen. Der wurde vom Landratsamt am Montag jedoch noch kurzfristig dem "Aktionsbündnis für ein buntes Leben" für eine Gegendemonstration zugewiesen. Rund 120 Personen aus Tettau und angrenzenden Orten des Landkreises hatten sich dort bereits um 8 Uhr versammelt, mussten aber knapp 90 Minuten warten, ehe die ersten Teilnehmer des AM-Treffens eintrafen. Zwar nur einen Steinwurf entfernt, kamen solche Materialen freilich nicht zum Einsatz. Es sollte ein friedliches Zeichen dafür gesetzt werden, dass die AfD in Tettau nicht erwünscht sei. "Wir sind bunt und wollen es auch bleiben", sagte der Organisator der Gegendemonstration, Michael Kaiser.
"Die wollen nur provozieren"
Was den Besuchern des Treffens um die Ohren flog, war daher ausschließlich der Lärm, den die Demonstranten mit ihren Trillerpfeifen und Hupen erzeugten. Zu sehen waren zudem auch zahlreiche selbst gebastelte Plakate und Banner, auf denen Sprüche wie "Franken braucht keine Rechte Mitte", "Grenzen hatten wir lange genug" oder "Hass ist keine Alternative" zu lesen waren.
Zu Gesprächen zwischen AfD-Mitgliedern und Demonstranten kam es nicht. "Die wollen nicht mit uns reden, die wollen nur provozieren", sagte Kaiser. "Die sind bewusst ganz eng an uns vorbeigelaufen oder haben sich wortlos vor uns gestellt und ein Foto gemacht." Seine größte Sorge war es im Vorfeld, dass links- oder rechtsextreme Gruppen zur Demonstration stoßen könnten. Zwar gab es im Internet den Aufruf einer Gruppierung, dem aber offenbar niemand folgte.
Was sich nicht wiederholen darf
Sowohl Gegendemonstranten als auch Teilnehmer der Veranstaltung äußerten im Gespräch mit dem Fränkischen Tag eine gewisse Angst und Unbehagen vor der Zukunft. Beide Seiten erinnerten an die Geschichte und betonten, dass sich etwas wie Verfolgung von Andersdenkenden oder ein Verbot von Meinungsfreiheit nicht wiederholen darf.
"Wir brauchen keine Initiativen. Weder von links noch von rechts", sagte Harun-Veysel Elkol. Der türkisch-stämmige 46-Jährige lebt seit 44 Jahren in Tettau. Er spricht davon, dass in der Rennsteig-Region die Integration gelungen ist. Er könne nicht nachvollziehen, dass die AfD bei den vergangenen Wahlen so einen großen Zuspruch erfahren hat. Die Partei trete die Gesetze mit Füßen, berufe sich jedoch auf diese, sobald es zu ihrem Vorteil sei. "Wir wollen die AfD in Tettau nicht", unterstrich auch der 13-jährige Luis Wagner.
Bürgermeister zeigt Flagge
Bürgermeister Peter Ebertsch (BfT) zeigte vor der Festhalle ebenfalls Flagge. Vom Gesetz her könne eine solche Veranstaltung nicht verboten werden, betonte er. Erfreut über die Anwesenheit der AfD sei er aber nicht.
AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam ließ sich davon nicht beeindrucken. Er erklärte, den Rennsteig bereits teilweise durchwandert zu haben. "Ich kenne hier die Region", sagte er.
Friedlicher Verlauf
Astrid Eisvogel war eigens aus Niedersachsen angereist. Sie sei zwar kein AfD-Mitglied, verfolge aber deren Politik mit Interesse. Die AfD sei gar nicht gegen Kriegsflüchtlinge, nur gegen solche, die unberechtigt hier im Lande seien. Sie spricht von Missständen - davon, dass die arbeitende Bevölkerung zu viele Steuern bezahle und im Alter oftmals nicht von der Rente leben könne. "Das Sicherheitsgefühl und die alten Werte sind verloren gegangen", betonte sie.
AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch rief in ihrer Rede die Partei zur Einigkeit auf (siehe Artikel unten). Markus Dossenbach, der zur Sprechergruppe der AM gehört, sprach sie damit aus dem Herzen. Es sei deutlich geworden, dass die AM ein unverzichtbarer Bestandteil der AfD sei. Vom Appell zur innerparteilichen Eintracht fühlte sich Dossenbach auch ganz persönlich angesprochen. Das Tettauer Treffen hatte er ohne Wissen des Kreisverbands Coburg-Kronach organisiert, was Dossenbach viel Kritik einbrachte: "Das war ein Fehler. In Zukunft werde ich besser kooperieren."
Zufrieden war der Leiter der Polizeiinspektion Ludwigsstadt, Markus Löffler, der von einem friedlichen Verlauf sprach. Nur ab und zu habe die Polizei Demonstranten auf die Auflagen hinweisen müssen. Zwar wurden deren Reihen zunehmend lichter, doch auch während in der Halle nach von Storchs Rede die Nationalhymne gesungen wurde, war vor den Türen das Trillern der Pfeifen zu vernehmen. "Mit der Regeldienststärke lässt sich mit einer solchen Veranstaltung aber nicht umgehen", erklärte Löffler. Daher habe seine Inspektion auch Unterstützung von anderen Dienststellen erhalten. "Wir hatten für alle Eventualitäten geplant."