Im weiteren Leben lernen Kinder andere Klassifikationen kennen. In ihrer sprachlichen Entwicklung erfahren sie, dass hinter jedem Wort, dass sie lernen, zahlreiche begriffliche Abgrenzungen und Übereinstimmungen stehen. Welche Nahrungsmittel gehören zur Gruppe Gemüse oder Obst. Dieses Dazu- bzw. Nichtdazugehören erfahren sie später am eigenen Leibe. Aufgrund der erbrachten Bewertungen gehören sie zur Gruppe der Gymnasiasten oder der Realschülerinnen und -schüler. Sie erleben eine Normierung, Klassifikation und Separation, die gesellschaftliche Bewertungen implizieren.
Welche Probleme sehen Sie?
Wenn diese neutralen Zugehörigkeiten mit Bewertungen verbunden werden, entsteht die Gefahr einer Höherstellung und somit auch das Bedürfnis, zu der besseren Kategorie zu gehören. Die Basis der Diskriminierung ist dadurch gelegt. Empfinden wir die Vielfalt der Menschen, unabhängig der religiösen, soziokulturellen, ethnischen Herkunft, unabhängig der verschiedenen Orientierungen als normal, dann ist das Prinzip der Gleichwertigkeit gegeben.
Inklusion sollte in allen Gesellschaftsbereichen funktionieren - Sport, Schule, Arbeit. Wo geht's voran, wo hapert es noch?
Inklusion ist sowohl in der Vielfalt der betroffenen Menschen als auch in der jeweiligen gesellschaftlichen Rahmung sehr komplex. Auch wenn man sich nur auf den inklusiven Teilaspekt Behinderung fokussiert, spricht man in Deutschland von 10,8 Millionen Menschen, die individuelle Bedürfnisse und Lebensmodelle haben. 20 Prozent dieser Menschen sind zwischen 18 und 44 Jahren. Von diesen sind 18 Prozent ohne Schulabschluss.
Was heißt das für die Betroffenen?
Die im schulischen Bildungsbereich hinkenden inklusiven Maßnahmen wirken sich besonders auf die leistungsorientierte Berufswelt aus. Menschen, die keine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der beruflichen Welt haben, benötigen besonders barrierefreie Freizeitgestaltung. Soziale Kontaktaufnahme, Möglichkeit eines Gefühls einer Gleichwertigkeit können sportliche Aktivitäten mit Nichtbehinderten ermöglichen.
Was müsste sich ändern, um den Weg für das Gelingen der Inklusion zu ebnen?
Hierfür müsste die Kontaktaufnahme zu Menschen mit einer Behinderung zur Normalität werden. Es soll weiterhin besondere spezielle Sport-Vereine, Wettkämpfe für diese Menschen geben. Doch eine Öffnung der wohnortnahen Vereine ermöglicht eine ungezwungene Begegnung mit den Sportlern aus der Nachbarschaft. Dafür müssten die Barrieren in den Köpfen und in den Geldbeuteln gelüftet werden. Eine kostenneutrale Inklusion geht auf Kosten der Menschen mit Behinderung.
Die Fragen stellte
Stephan Großmann