Wie man Wildbiene & Co. anlockt

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Fotos: Ulrike Nauer / Jochen Berger / Stephanie Pilick (dpa) / Ulrike Müller / Bernd Leuthäusser
 
 
 
 
 

teil 1  Die Mitarbeiter des Grünflächenamtes haben eine breit gefächerte Strategie, wie sich in den unterschiedlichsten Bereichen die Artenvielfalt vergrößern lässt. von Ulrike Nauer

Knapp zwei Jahre ist es her, dass das Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen!" samt Gesetz und einem umfassenden Maßnahmenpaket im bayerischen Landtag verabschiedet wurde. Seitdem ist Artenvielfalt in aller Munde. Tatsächlich engagieren sich die Kommunen schon sehr viel länger in Sachen Naturschutz. Schon in den 1970er Jahren wurden in den Kreisverwaltungsbehörden Stellen für Naturschutzfachkräfte eingerichtet. Weil Coburg kreisfrei ist, ist die Untere Naturschutzbehörde (UNB) direkt bei der Stadt angesiedelt. Aktuell ist die Stelle mit Werner Pilz besetzt. Pilz und der Leiter des Grünflächenamtes, Bernhard Ledermann, geben einen Überblick, wie sich die Stadt für den Erhalt der Artenvielfalt im Coburger Land einsetzt.

1. Naturnahe Wiesenpflege Das Grünflächenamt bewirtschaftet seit Jahrzehnten über 70 Hektar Grünland. "Diese Flächen sind unterschiedlich artenreich", erklärt Bernhard Ledermann. "Je länger die Wiesen bei uns sind und je magerer die Ausgangsbedingungen waren, desto artenreicher sind sie." Gedüngt wird nicht. Eine Wiese darf dennoch nicht einfach sich selbst überlassen werden. "Sie lebt davon, dass sie gemäht wird", sagt Ledermann. Im bäuerlichen Sinn ist eine Wiese aufwachsendes Grasland, das zur Gewinnung von Futter stehen bleibt. Sie wird nicht beweidet und muss zum richtigen Zeitpunkt gemäht werden - wenn genug Masse vorhanden ist, aber nicht zu früh, damit sich genügend Pflanzen aussamen können. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Wiese dauerhaft erhalten bleibt und dass es noch einen zweiten oder dritten Aufwuchs gibt, je nach Standort.

Ledermann und sein Team wollen, angelehnt an die bäuerliche Wirtschaftsweise, Artenreichtum produzieren. "Wir sind jetzt im zweiten Jahr dabei, nicht nur Flächen zu Wiesen aufwachsen zu lassen, sondern auch Heu zu gewinnen", berichtet Ledermann. Schöner Nebeneffekt: Das wertvolle Heu wird nicht entsorgt, sondern an Interessenten weiter verkauft.

2.Parkpflege Im Hofgarten vereinigen sich gleich vier unterschiedlich bewirtschaftete Zonen: Die Liegewiese im unteren Teil muss regelmäßig gemäht werden. Zwischen Reiterdenkmal und den Pavillons bleibt seit einigen Jahren der erste Aufwuchs stehen. Ledermann: "Wir mähen da bloß Wege rein oder kleine Plätze." Erst im zweiten Durchgang wird auch hier abgemäht. Das Veilchental ist an einen Heu-Bauern verpachtet und im obersten Teil weiden Schafe. Schon diese unterschiedliche Bewirtschaftung sorge für ein breites Artenspektrum.

3. Rinderbeweidung Früher gab es kaum einen Bauernhof ohne Misthaufen, doch heute beschäftige sich kaum noch jemand mit Mistwirtschaft, bedauern Pilz und Ledermann. Die heute bevorzugte Güllewirtschaft sei längst nicht so effektiv, was die Förderung der Artenvielfalt betrifft. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Ein Misthaufen im Hof zieht jede Menge Insekten an, von denen sich die Vögel ernähren. "Wenn wir mehr Insekten wollen, brauchen wir Kuhfladen", bringt es Werner Pilz auf den Punkt. "Eine Kuh produziert rund 40 Kilo Kot am Tag. Davon können vier Kilo Insekten leben, die wiederum 20 Kleinvögel ernähren", rechnet Pilz vor. Daher fördert das Grünflächenamt auch die Rinderhaltung auf der Weide. Auf dem ICE-Hügel nahe Rögen grasen zum Beispiel Angus-Rinder, in den Glender Wiesen Dexter Rinder und im Hambachgrund Galloways.

4. Forstwirtschaft Auch Wald wird traditionell von der Stadt Coburg bewirtschaftet: 300 Hektar Stadtforst plus 170 Hektar aus der Niederfüllbacher Stiftung - und die 470 Hektar machen ordentlich Arbeit. "Wir sind mitten drin im Waldumbau", erläutert Bernhard Ledermann. Das Ziel sei, artenarme Nadelwälder in artenreiche Laubwälder umzuwandeln. Ein Langzeitprojekt, denn die Anfänge liegen schon weit zurück in den 90er Jahren. "Das hat nach den Stürmen Wiebke und Lothar angefangen und sich kontinuierlich fortgesetzt", sagt Ledermann. Aktuell setzten "Trockenheit und andere Kalamitäten" den Nadelbäumen zu und verursachten große Ausfälle. Dadurch steige der Laubholzanteil in den Wäldern immer weiter an. "Gut die Hälfte ist schon erreicht."

5. Ausgleichspflanzungen Die Hecken, die das Grünflächenamt im Stadtgebiet angelegt hat, ergeben mittlerweile gut vier Kilometer Länge. Rund 800 Meter wurden in der Biotopgestaltung zur Aufwertung des Naturschutzgebietes Glender Wiesen angepflanzt. Weitere 3,2 Kilometer Hecke wurden als Ausgleichsmaßnahmen von Bebauungsplänen gesetzt.

6. Obstbaumpflege 2006, zu Coburgs 950-Jahr-Feier, ließ die Stadt am Bertelsdorfer Streifweg 300 Obstbäume pflanzen - ein Baum für jedes Neugeborene im Jubiläumsjahr. Heute sind aus den einstigen Bäumchen stattliche Gewächse geworden, die unter anderem Äpfel, Birnen und Kirschen tragen. Das Grünflächenamt rückte einige Mal an, um die Bäumchen zu schneiden, damit sich stabile Kronen aufbauen konnten. Ernten dürfen hier nun die jeweiligen Baumbesitzer. "Wir haben aber noch andere Obstwiesen", sagt Ledermann. "Bei Beiersdorf oder im Baugebiet zwischen Schießstand und Bertelsdorfer Höhe liegen Obstwiesen, die aus der Ausgleichsregelung oder Ortsrandbegrünung entstanden sind, da darf jeder ernten."

7.Wasserwirtschaft Lange bevor der Goldbergsee angelegt wurde, im Jahr 1989, hegten die damals Verantwortlichen des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) allergrößte Bedenken, dass "die wahnwitzigen Pläne" letztlich dazu führen würden, dass "ohne Rücksicht auf die Kreatur hektarweise Land untergehen" werde. Werner Pilz hat den alten Zeitungsausschnitt extra aufgehoben. 107 Vogelarten gab es damals auf dem heutigen Areal des Sees. Diese sind wider Erwarten nicht dem Bau des Sees zum Opfer gefallen, die Zahl hat sich sogar fast verdoppelt, auf 208 - von der Zahl der Insekten und Amphibien ganz zu schweigen. In einem Teil der Lauter-Überleitung seien kürzlich sogar sehr seltene Salzpflanzen gefunden worden, sagt Werner Pilz. Die riesigen Randzonen des Gewässers hätten es zu einem "regelrechten Hotspot der Artenvielfalt" gemacht, sagt Ledermann.

Um diese beobachten zu können, wurde 2011 eine Aussichtsplattform errichtet. Unweit davon ließ der LBV im März ein Nistfloß zu Wasser, auf dem Vögel brüten können.

Erstmals werde heuer für Teile des Sees eine Angellizenz vergeben, so Ledermann.

Im See tummeln sich inzwischen so viele Weißfische wie Rotfeder oder Giebel, dass selbst "Fischfresser" wie Graureiher oder Kormoran nicht mehr mit der Reduzierung der Bestände hinterher kommen.

8. Versuchspflanzung In Grünanlage an der Geleitstraße hat das Grünflächenamt einen Versuch gestartet: Auf streifenförmigen Flächen werden verschiedene Saatgutmischungen getestet. Aktuell stehen Mohn, Kornblumen, Phacelia und vieles mehr in voller Blüte. Das soll Aufschluss darüber geben, welche Insektenarten die Pflanzen anfliegen und was am besten mit den besonderen Coburger Bodenverhältnissen zurechtkommt. Das Ziel: Eine Mischung anbieten, die möglichst viele Wildbienen anzieht, damit sie hier heimisch werden können.

9.Nachgepflanzt Schwarzkiefer, panaschierter Bergahorn, Robinie, schlitzblättrige Buche... Der Hofgarten hat an Bäumen so einiges zu bieten. 50 Bäume wurden nachgepflanzt - ein Drittel Koniferen, zwei Drittel Laubbäume. Über 30 Arten wurden verwendet, gut die Hälfte ist ganz neu wie Tränenkiefer, Libanonzeder oder Blasenesche. Ledermann: "Man muss breit aufgestellt sein", dann sei der Verlust eines Baumes leichter zu verkraften.