Der Krieg kam näher
Die Operationen der Alliierten machen deutlich: In den ersten Monaten des Jahres 1945 rückte der Krieg immer näher. Das Ende nahte. Von Osten marschierte die Rote Armee der Sowjetunion in Richtung Deutsches Reich. Von Westen näherten sich US-Truppen. Die deutsche Wehrmacht war auf dem Rückzug und löste sich auf.
Die dritte US-Infanterie-Division rückte in jenen April-Tagen vor 75 Jahren von Schweinfurt in Richtung Nürnberg. Dabei durchquerte sie das Gebiet des heutigen Landkreises von Nordwest nach Südost. Die Amerikaner eroberten mit ihren Einheiten Ort für Ort und durchkämmten die Häuser auf der Suche nach versprengten Wehrmachtsoldaten oder SS-Kämpfern.
Letzter Widerstand
Die meisten Städte und Dörfer kamen glimpflich davon. In einigen Dörfern gab es jedoch Gefechte zwischen den US-Truppen und letzten Widerstandsgruppen des stürzenden Hitler-Regimes. Deutsche und alliierte Soldaten verloren ihr Leben bei diesen Kämpfen, und Zivilisten starben.
Die Strategie der Amerikaner zielte darauf ab, so wenig eigene Verluste wie möglich in Kauf nehmen zu müssen. Die Orte, in die die Einheiten einrückten, wurden zunächst erkundet, meist aus der Luft. Erwarteten die "Amis" Widerstand, wurde der Ort unter Artilleriefeuer genommen oder aus der Luft bombardiert. Dieses Schicksal widerfuhr beispielsweise Zeil.
Dort hatten die Amerikaner SS-Kämpfer vermutet. Deshalb wurde Zeil vor dem Einmarsch mit der Artillerie beschossen und aus der Luft angegriffen. 68 Gebäude wurden dabei zerstört. Erst als Zeil "sauber" erschien, marschierten die US-Einheiten mit ihren Panzern ein.
Von zwei Seiten
Den in den Städten und Dörfern zurückgebliebenen Bewohnern drohte Unheil von zwei Seiten: Von der anrückenden US-Armee, und sie waren fanatischen Wehrmacht- oder SS-Offizieren ausgeliefert, die Widerstand bis zum letzten Blutstropfen forderten. Ansonsten, so drohten sie, würden Unwillige erschossen oder erhängt. Wer die weiße Flagge als Symbol der Aufgabe hissen wollte, der riskierte sein Leben.
Noch in den letzten Kriegstagen wurden Wehrmachtsoldaten erschossen oder hingerichtet, weil sie sich weigerten, den verlorenen Krieg fortzusetzen. In Roßstadt wurde ein desertierter Soldat, der sich um seine kranke Frau kümmerte, wenige Tage vor Kriegsende vor ein Standgericht gestellt und erschossen.
In Zeil wäre ein desertierter Soldat in den letzten Kriegstagen beinahe von einem Erschießungskommando der Wehrmacht oder der SS getötet worden. Armeeeinheiten hatten den Flüchtigen aufgegriffen und bereits vor die Mauer der Bergkapelle gestellt. Ein Angriff amerikanischer Tiefflieger auf Zeil rettete dem Mann das Leben. Er konnte während des Bordwaffenbeschusses fliehen.
Andere hatten weniger Glück: Unterhalb der Schmachtenburg warteten Wehrmachtsoldaten auf die einmarschierenden Amerikaner, um sich ihnen zu ergeben. Sie hatten zuvor ihre Gewehre in den Brunnen gegenüber der heutigen Tankstelle geworfen. Doch ein SS-Kommando vereitelte die Kapitulation und erschoss einige der deutschen Soldaten, bevor die Amerikaner eintrafen.
Die deutsche Bevölkerung lebte in der dramatischen Angst vor den Amerikanern und vor fanatischen Nazis. Meist gelang es besonnenen Bürgern in letzter Minute, die Orte ohne Kämpfe an die Amerikaner zu übergeben, nachdem sich die Wehrmachtsoldaten oder SS-Mannschaften kurz zuvor abgesetzt hatten.
In Eltmann hatten Bürger zum Beispiel verhindert, dass deutsche Soldaten ein Flak-Geschütz zur Verteidigung der Stadt bedienten. "Ein Schuss, und wir schlagen euch die Schädel ein", drohten die Einwohner den Soldaten.
Blutiges Gefecht in Prappach
In anderen Orten verlief der Einmarsch der Amerikaner blutig. Im heutigen Haßfurter Stadtteil Wülflingen haben deutsche Soldaten aus Häusern heraus auf die anrückenden Amerikaner geschossen; insgesamt fielen sechs deutsche Wehrmachtsoldaten, und auf der Seite der Amerikaner soll es fünf Opfer gegeben haben. Am heftigsten umkämpft war Prappach. Der heutige Haßfurter Stadtteil war zwischen die Fronten geraten. Amerikanische Truppen und SS-Einheiten beschossen sich, und dazwischen lag Prappach. Nicht einmal die Keller boten ausreichend Schutz gegen den Kugel- und Geschosshagel. 21 Männer, Frauen, Kinder fanden den Tod in Prappach.
Hinter der Friedhofsmauer
Ähnlich blutig verlief das Kriegsende in Kirchlauter. Dort hatten sich deutsche "Endverteidiger" hinter der Friedhofsmauer verschanzt und schossen auf die einmarschierenden Amerikaner, die offenbar keinen Widerstand erwartet hatten. Ein US-Soldat wurde von einem Panzer geschleudert und von dessen Ketten zermalmt.
Die US-Truppen erwiderten das Feuer und beschossen auch eine Scheune, in der sich etwa 20 deutsche Soldaten verborgen hatten. Mit zwölf Panzern nahmen die US-Streitkräfte Kirchlauter von den umliegenden Hügeln aus unter Feuer.
Die Bilanz: Es gab mindestens zwölf Tote. Andere Quellen sprechen von bis zu 20 Opfern. 66 der damals 88 Anwesen wurden beschädigt. 15 davon waren nicht mehr bewohnbar. Auch die Kirche und das Schloss wurden in Mitleidenschaft gezogen.