Unfall Mit einer Verstauchung im Fuß ist der Unfall von Christine Löffler noch glimpflich ausgegangen. Viele Radfahrer kritisieren die neue Verkehrsführung ohne eigenen Radweg als sehr gefährlich.
von unserem Mitarbeiter Peter Groscurth
Bamberg — Der Unmut über die neue Verkehrsführung für Radler durch die Lange Straße ebbt nicht ab. Die Entscheidung des Umweltsenats, den vielbefahrenen Radweg dort aufzulassen und Radfahrer sowie Autofahrer gemeinsam durch eine nur vier Meter breite Engstelle zu zwingen, schlägt weiter hohe Wellen. Jetzt hat sich Christine Löffler beim Fränkischen Tag gemeldet. Die zweifache Mutter hat sich genau in diesem Bereich bei einem Unfall verletzt, weil sie als Radlerin von einem Auto abgedrängt worden war. Löffler schildert, wie es zu dem Zwischenfall kam: "Das alles passierte am 21. Mai gegen 10.45 Uhr. Ich fuhr Richtung Ampel, leider war kein Einfädeln möglich, stattdessen wurde ich von einem türkisgrünen Kleinwagen aus dem Landkreis von der Straße gedrängt und bin schließlich mit meinem Fahrrad umgefallen.
Dabei habe ich mich am Fuß verletzt und humpelte." Bis heute habe sie Schmerzen. Anzeige bei der Polizei hat sie aber keine erstattet, denn "vor lauter Rage und Ärger" konnte sich Christine Löffler das Kennzeichen des Autos nicht merken.
Sohn hat Angst Seit dem Zwischenfall fährt sie nicht mehr mit dem Fahrrad durch die Lange Straße. Zu gefährlich ist für die Bambergerin dieses Nadelöhr. "Auch mein Sohn hatte Angst, als er mit mir dort einmal vor dem Unfall entlang gefahren ist." Die Zustände in der Langen Straße würden die Politik aber kalt lassen, denn man müsse ja zu den eigenen Entscheidungen im Rathaus stehen, kritisiert Löffler. Zudem werde auch nichts gegen die dort im absoluten Halteverbot geparkten Fahrzeuge unternommen, die die Engstelle noch weiter verschärfen.
"Die Radfahrer Bambergs sollen möglichst wegbleiben, Rad fahrende Kinder natürlich auch. Das ist respektlos und geht auf Kosten der schwächeren Verkehrsteilnehmer", schimpft sie.
Vom Auto abgedrängt Ist der Sturz der Frau ein Einzelfall? Ein anderer Radfahrer hat ähnliches erlebt. Er sei im dichten Verkehr auch von einem Autofahrer abgedrängt worden. Weiter heißt es in einem Bericht des Fränkischen Tags vom 21. Mai 2015: Um eine Kollision zu vermeiden, habe er ausweichen müssen und sei auf den Gehweg gestürzt.
Entwickelt sich die Lange Straße allmählich zu einem neuen, gefährlichen Brennpunkt in Bamberg? Die Zahlen der Polizei lassen diesen Schluss noch nicht zu.
Udo Skrzypczak, Leiter der Polizeiinspektion, erklärt auf Anfrage: "Momentan haben wir einen Unfall bearbeitet, bei dem sich im Bereich der Verengung in der Langen Straße ein Radfahrer leicht verletzt hat." Laut Erkenntnissen der Polizei würden viele Radler weiter den Gehweg an dieser Stelle nutzen, fügt Skrzypczak an. Das deckt sich auch mit den Schilderungen von Mitarbeitern in den Straßen-Cafés rund um die Lange Straße. Eine Beschäftigte erzählt, dass Radfahrer kurz vor der Verengung entweder komplett absteigen oder einfach auf den Gehsteig wechseln und darauf weiterfahren würden.
Unfallstatistik der Polizei Insgesamt halten sich die Verkehrsunfälle von Radfahrern im gesamten Stadtgebiet laut Polizeistatistik über die Jahre auf einem gleichbleibenden Niveau, wenn gleich die Gesamtradfahrunfälle von 166 (im Jahr 2013) um sieben auf 173
(2014) Fälle gestiegen sind. "Da Radfahrunfälle in der Regel erst bei Verletzungen der Polizei bekannt werden, ist die Anzahl der Verletzten vergleichsweise zu den allgemeinen Unfällen hoch", fügt Hauptkommissar Holger Dremel in einer Stellungnahme aus.
Doch Fakt ist auch, dass die Unzufriedenheit mit der neuen Verkehrsregelung in der Langen Straße groß ist. In einer nicht repräsentativen Umfrage auf
infranken.de stimmten vor wenigen Wochen von 298 Nutzern 78 Prozent gegen die gemeinsame Fahrbahn mit Autofahrern. Christine Löffler hat derweil die Hoffnung aufgegeben, dass die Bamberger Politik hier handelt. Enttäuscht sagt sie: "Für die Stadt sind wir Radfahrer doch nur lästige Genossen."
Das Problem sich um jeden Preis an Radlern vorbeidrängender Autofahrer betrifft nicht nur die Lange Straße. Es ist weit verbreitet. Es war unverantwortlich, Mischverkehr mit notwendigem Spurwechsel dort zu erzwingen, ohne erst die Weichen auf Verringerung des Autoverkehrs zu stellen.
Die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht hatte die Wahl gelassen, unter Beachtung der dem unzureichenden Radweg innewohnenden Risiken diesen vorsichtig zu befahren oder selbstbewußt (und vorsichtig) auf der Fahrbahn zu radeln.
Gemäß Rechtslage haben auf der Fahrbahn Radelnde etwa 1 m Abstand zum rechten Fahrbahnrand bzw. bis zu 1,5 m zu parkenden Kfzen einzuhalten. Wer Radfahrer überholt bzw. an ihnen vorbeifährt, muß 1,5 m bis 2 m Seitenabstand beachten (auch, wenn sich die Radler auf einem sog. „Schutzstreifen“, Radfahrstreifen oder baulichen Radweg befinden). Denn neben Gefährdung durch Berührung gibt es das Schreckmoment bei zu großer Nähe und Luftverwirbelungen, welche das Fahrverhalten des Rades erheblich beeinflussen können.
Die Verkehrserziehung aber trichtert ein, Radler hätten sich nahezu in der Seitengosse zu halten, damit Autos vorbeikommen. Am Fahrbahnrand markierte „Schutzstreifen“ (Schutz bieten sie nicht!), Radfahrstreifen oder (allein rechtlich völlig bedeutungslose) Piktogramme bewirken Gleiches. Der beim Überholen einzuhaltende Seitenabstand kommt in der Fahrschule offenbar zu kurz, wenn er überhaupt erwähnt wird. Viele Führerscheinbesitzer scheinen davon nichts zu wissen.
Bei Ordnungsbehörden und Justiz Schutz zu suchen, ist vergeblich. Dem Autorambo genügt, den Vorwurf abzustreiten. Selten haben Radfahrer Zeugen. Sogar die Ausrede, man habe den Radler nicht bemerkt, wird akzeptiert - obwohl sie ernsthafte Zweifel an der Fahrtüchtigkeit wecken sollte.
Es ist vorgekommen, daß die Staatsanwaltschaft die Anzeige gar nicht entgegennimmt. Begründung: Trotz detailliert geschilderten, absichtlichen Wegdrängens wäre eine Verkehrsgefährdung nicht erkennbar.
Es wird richtig vermerkt, dass es bei der Statistik mit Fahrradunfällen eine hohe Dunkelziffer gibt. Solange sich der Radler nach dem nicht verschuldeten Kontakt mit einem Auto wieder aufrappelt, solange der evtl. am Fahrrad entstandene Schaden durch den Verursacher behoben wird, solange wird die Polizei nicht gerufen.
Auch mich hat neulich ein Autofahrer vom Rad geholt. Im Schock war ich zufrieden, dass ich keinen Bruch davon getragen hatte und dass auf den ersten Blick am Fahrrad kein größerer Schaden entstanden war. Damit ließ ich den Autofahrer weiterfahren - nicht einmal die Personalien/die Fahrzeugnummer hielt ich fest. Etwas zitterig setzte ich den Weg zu meiner Arbeitsstätte fort.
Derartige Vorkommnisse erlebe ich als Beobachter mit großer Regelmäßigkeit. Für die Lange Straße darf vermutet werden, dass dort täglich Beinaheunfälle oder Unfälle ohne größere Verletzungen stattfinden, dass diese aber in keine Statistik aufgenommen werden.
In der Berichterstattung zeigt sich ja auch immer die Wertigkeit des Menschen bei einem Unfall - selbst bei einem Unfall mit tödlichem Ausgang wird noch berichtet, wie hoch der Sachschaden ist. Der ist und bleibt Nebensache, doch da es dabei um des deutschen liebstes Kind (Auto) geht, wird er gerne in den Mittelpunkt gerückt.