Das System treibt Richtung Unordnung und Sinnlosigkeit!
Woran machen Sie das fest?
Ganz einfach: Probleme die dringend gelöst werden müssten, wie das kränkelnde Gesundheitssystem oder das Rentensystem, bleiben unbearbeitet. Dafür haben Politiker dafür gesorgt, dass es in Berlin Toiletten für das "Dritte Geschlecht" gibt. Das ist für viele Bürger unfassbar. Einer Kassiererin in einem Supermarkt oder dem Polizisten in München ist das nicht mehr zu vermitteln. Die haben echt andere Probleme im Alltag.
Welche Konsequenzen hat das, wenn Politik nicht mehr durchschaubar ist?
Wenn die Bürger ihre Politiker nicht mehr verstehen, weil sie eine andere Sprache sprechen als die Wähler, wenden die sich von ihren Volksvertretern ab. Und das insbesondere von den alten Volksparteien. Die sind nicht mehr unterscheidbar, wie die Sozialdemokratisierung der CDU zeigt. Kommt dann jemand mit einer einfachen, aber dämlichen Botschaft, wie zum Beispiel "Deutschland den Deutschen: dann wird alles besser", ist das inhaltlich zwar grundfalsch. aber ein verständlicher Satz. Deshalb haben wir zurzeit rund zehn Prozent AfD. Aber ein ähnliches Phänomen hatten wir bei der NPD in den 1960er Jahren und den Republikanern in den 1980er Jahren. Dummheit ist also in der Politik immer mal wieder schwanger, demontiert sich glücklicherweise aber irgendwann selbst.
Was ist folglich zu tun?
Die Politik muss zu sinnstiftenden, orientierenden und auch emotionalen Führungsqualitäten auf Basis unseres wunderbaren Grundgesetzes zurückfinden. Herbert Wehner und Franz-Josef Strauss lassen grüßen! Faktisch hat sich ja vieles bei uns sehr gut entwickelt. Wir haben kaum Arbeitslosigkeit, eine stabile Volkswirtschaft, seit Jahrzehnten Frieden in Mitteleuropa und die Umweltbelastung ist seit den 70er Jahren massiv gesunken. Und das obwohl die Politik jeden Tag einer neuen "Sau" hinterherrennt, die durchs Dorf getrieben wird. Deutschland wäre ein Paradies, würde man sich in Berlin auf die Lösung der wirklichen Probleme konzentrieren!
Der Journalist und Politikwissenschaftler Adolf Sternberger (1907-1989) hat behauptet "Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede". Wie stehen Sie zu dieser Aussage.
Ich bin überzeugt, dass die Globalisierung einen gewichtigen Anteil daran hat, dass die Welt sicherer wird. Vernetzung schafft Frieden. Warum sollte Russland die Innenstadt von London bombardieren, wenn ein Drittel der Immobilien in den Händen russischer Unternehmer sind?
Haben Politiker noch die Führung eines Staates inne oder haben ihnen internationale Konzerne die Rolle längst abgenommen?
In Konzernen ist für Politik gar keine Zeit. Ich habe es selbst erlebt, wie geschockt die Repräsentanten großer Konzerne nach dem 11. September 2001 waren. Die waren genauso ängstlich und gelähmt wie wir alle. In der Wirtschaft gibt es übrigens die gleichen Probleme wie in der Politik. In beiden Fällen fehlt langfristige Orientierung und eine nachhaltige neue Definition des Sinns unseres Handelns. P
olitik wird auch definiert als Kampf um die Veränderung oder Bewahrung bestehender Verhältnisse (Klassenkampf). Ist Demokratie jene Form, mit der sich die existenziellen Probleme der Menschheit wie Ernährung, Ressourcenverbrauch und Klimawandel lösen lassen?
Grundsätzlich ja, wie der Blick in die Geschichte und die Gegenwart zeigt. In Demokratien ist die Kontrolle der Politiker durch die Bürger besser, die Freiheit des Einzelnen größer, die Wirtschaft effizienter, die Umwelt wird besser geschützt. Ich empfehle einen Vergleich mit Nordkorea. Aber: Auch Demokratien können "satt und faul" werden. Da sind alle wir jeden Tag gefordert, unsere Hintern hoch zu kriegen.
Was kann jeder einzelne tun, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken?
Gesellschaft kann sich nur entwickeln, wenn jeder einzelne in seinem Umfeld Verantwortung übernimmt und Werte auch lebt. Wir müssen aufhören, die Verantwortung für alles und jedes auf die Politik zu schieben. Wenn jeder das Leben in seiner Familie und sein berufliches Umfeld verbessert, entwickeln sich auch Gesellschaft, Politik und Staat zum Guten.
Welche Bedeutung hat die Fridays for future-Bewegung für die Politik?
Wenn ich Greta Thunberg sehe, fühle ich förmlich ihre Verzweiflung, die schon an Depression grenzt. Zumindest hat sie mit ihren Gefolgsleuten wieder Emotionalität in die Umweltpolitik gebracht.
Das Gespräch führte Josef Hofbauer.