Eigentlich war es sogar der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte, wenn ich recht bedenke. Wir haben uns Hilfe gesucht und gute Ratschläge bekommen. Der Beste war wohl der von einer Kommilitonin von mir, die mit Menschen mit Down-Syndrom gearbeitet hatte: Wenn du Spaß mit deinem Sohn haben möchtest, gib ihm klare Regeln und feste Rituale. Das habe ich beherzigt - und ich muss sagen: Die Rituale ziehen sich wie ein roter Faden durch unser Leben. Nils kann sich daran orientieren, sie geben ihm Sicherheit. Er entwickelt sich prächtig.
Nils besuchte einen integrativen Kindergarten, eine integrative Grundschule und ist das erste Kind mit einer geistigen Behinderung, das auf eine weiterführende Schule geht. Natürlich war das alles oft ein Kampf mit Verwaltungen und viel Bürokratie. Aber es hat sich gelohnt. In der Mittelschule ihn Lautertal ist er super angenommen. Ich werde nie vergessen, wie er sich im letzten Jahr beim Homeschooling gemeldet hat und er vor der Klasse (am Bildschirm) die richtige Antwort wusste. Als alle geklatscht haben, war auch ich total stolz.
Der Herzenfänger
Was es heißt, mit Nils zu leben und mit ihm zu sein, welch tatsächliches Glück es ist, ihn bei mir zu haben, möchte ich an einem ganz besonderen Beispiel erzählen.
Ich spiele in der Band The Real BBC Connection. Eigene Lieder habe ich aber bis vor einigen Jahren nicht geschrieben. Dann hörte ich das Lied ,Fliegen‘ von Matthias Schweighöfer. Und dachte mir, das passt so gut auf meine Situation, dass ich es zum Welt-Down-Syndrom-Tag eingesungen habe. Beim Ostermusical in Meeder habe ich es dann zum ersten Mal live gesungen. Ich habe Nils mit auf die Bühne gebeten und dann ging es los. Die Kirche war ausverkauft, die Menschen standen auf drei Emporen und schauten auf uns. Da fing Nils an, den Song zu performen, wir nahmen uns an den Händen, gingen in die Knie und flogen los. Im Nu schlugen ihm die Herzen entgegen. Die Menschen haben ihm zugewinkt und geklatscht. Ich war zu Tränen gerührt und unendlich glücklich, diesen Jungen an meiner Seite zu haben.
Von da an habe ich angefangen, eigene Lieder über Nils und das Leben mit einem Down-Syndrom-Kind zu schreiben. Der aktuelle Hit, der heuer zum Welt-Down-Syndrom-Tag veröffentlicht wird, heißt ,Born to rock‘ und handelt von Nils' Alltag: He is born to rock, born to rock. Er hüpft und tanzt. Er lacht und singt; bis die gute Laune überspringt. Born to rock. He is born to rock.
Ich bin so dankbar und glücklich, dass Nils ein Teil unserer Familie ist. Er hat unser Leben um 180 Grad gedreht. Wir haben erkannt, was zählt. Durch ihn haben wir gelernt, im Hier und Jetzt zu leben, nicht in die Zukunft zu träumen oder der Vergangenheit nachzutrauern. Nils hat uns Mut gemacht und uns gezeigt, wie schön Familie gelingen kann.
Drei Jahre nach Nils Geburt haben wir noch unseren Sohn Lino bekommen (bei ihm haben wir gar keine Voruntersuchungen machen lassen). Und weil alles so gut funktioniert, sind 2020 auch noch zwei Pflegekinder zu uns gekommen."