Lebensmitteltransporte aus Lima werden abgespritzt, man darf sich nicht mehr besuchen und, um der Polizei nicht unangenehm aufzufallen, sollte man Masken tragen und vorsichtig sein.
Aber ich hätte nie gedacht, dass sich die Menschen in Peru, die ja sonst immer als ein bisschen chaotisch und lockerer gelten, so strikt an die von der Regierung erlassenen Regeln halten.
Und wie hat Deutschland auf die komplette Abschottung von Peru reagiert? Eine Stunde, nachdem der Präsident seine Rede gehalten hat, wurden ich und alle anderen, die ein freiwilliges soziales Jahr in Peru machen, von unserer Mentorin in Lima angerufen, um zu klären, was als Nächstes passiert. Verschiedene Organisationen haben die ,Weltwärtsjahre‘ abgebrochen, bei Ecosleva aber stand es uns bis Montagabend noch frei, ob wir Peru verlassen wollen - zumal die Zahl der Infizierten in Peru deutlich geringer ist als zur Zeit in Deutschland.
Am Dienstag vergangener Woche aber bekamen wir alle eine Mail von der Botschaft und von ,Weltwärts‘, die uns darüber informiert haben, dass sämtliche Deutschen aus Peru ausgeflogen werden, und es auch keine Ausnahmen für ,Weltwärts-Freiwillige‘ gibt.
Befürchtet werde nicht etwa der Virus an sich, sondern einfach die allgemeine Sicherheit, da sich gerade in größeren Städten wie Lima oder Cusco die Lage verschlimmern könnte. Es könnte zu Aufständen aufgrund von Versorgungsengpässen und erhöhter Militärpräsenz kommen. Für mich und die meisten von uns Freiwilligen war das ein unglaublicher Schock. Keiner hat mit solch drastischen Maßnahmen gerechnet. Ich bin erstmal in ein Loch gefallen. Gerade vom Zwischenseminar zurück mit neuen Ideen, neuer Motivation und weiteren fünf Monaten in Aussicht, um Freundschaften zu festigen, das Land und die Kultur noch mehr kennenzulernen. Diese Aussicht ist mit einer Mail komplett zerbrochen. Es war ein viel zu drastischer Schritt, auch da ja die Situation hier in Peru noch lang nicht so schlimm ist wie in Europa.
Nach fünf Tagen in gefühlter Quarantäne und Ausgangssperre und mit immer stärker werdender Kontrolle durch die Polizei kann ich die Entscheidung ein bisschen besser nachvollziehen. In manchen Regionen sind die Lebensmittelpreise bereits nach einem Tag rapide gestiegen, in Städten sterben Menschen alleine in ihren Häusern, weil sich niemand um sie kümmern will - aus Angst vor Ansteckung, und weil natürlich die Krankenhäuser in solchen sozial schwachen Gebieten einfach keine Kapazitäten haben.
Am Montag soll die erste Freiwillige aus Lima zurück nach Deutschland geflogen werden - sofern die Regierung in Peru ihren Flug genehmigt, da ja eigentlich Reiseverbot herrscht und die Grenzen dicht sind. Genau wegen diesem Reiseverbot kommen ich und viele andere auch nicht nach Lima und müssen so noch einige Zeit hier verbringen. Mal schauen, wie die Lage morgen aussieht. Es ändert sich ja alles täglich.
Flüge werden nur noch über den Militärflughafen in Lima abgewickelt und die Bürgerwehr bekommt immer mehr Macht in Peru. Auf Facebook kursieren Videos, bei denen selbst ernannte Polizisten illegal Reisende auf offener Straße verprügeln und die Luft aus den Reifen lassen, um jegliches Fortkommen zu verhindern. Alles im Namen der Regierung und mit dem Aufruf, zu Hause zu bleiben, sonst droht eben so etwas.
"Ausländer raus"
Freunde von mir wurden, als sie Geld abholen wollten, verdächtigt, den Geldautomaten mit Corona zu infizieren. Auf Facebook wurde dann über ihre Herkunft spekuliert und gedroht, in der Form: Alle Ausländer raus und lasst sie ja nicht in eure Nähe.
Ich fühle mich hier in Pozuzo relativ sicher. Was mir am meisten zu schaffen macht, ist diese Ungewissheit, wie es denn jetzt weitergeht, ob wir eine Reise Genehmigung nach Lima bekommen und wann. Und selbst wenn es dann losgeht, mache ich mich vermutlich mit einem mulmigen Gefühl auf den Weg. Immer mehr Videos sind auf Facebook im Umlauf, wo die Bürgerwehr rigoros und gewaltvoll auf illegal Reisende einschlägt, um Exempel zu statuieren und so andere vom Reisen abzuhalten.
Aber es wird vermutlich nicht mehr lange dauern. Am vergangenen Donnerstag sind drei Freundinnen von mir aus Lima nach Deutschland zurückgeflogen. Ich habe mich mittlerweile auch mit dem Gedanken angefreundet, mein Jahr hier abbrechen zu müssen.
Ich komme mir im Moment vor wie eingesperrt im Paradies. Und so warte ich täglich auf Nachricht von der deutschen Botschaft, um heimfliegen zu können."