Wer aus dem arabischen Kulturraum in den deutschen kommt, muss sich an einige Dinge gewöhnen, die ihm sehr fremd vorkommen. Nezha Maghraoui von Connect gibt wertvolle Orientierungshilfe.
Pünktlich ist er, der Deutsche, muss man wissen, in einer Weise, wie sie jemandem völlig fremd ist, der aus dem arabischen Kulturraum kommt. Die Familien, die seit einiger Zeit im früheren Gasthof "Lauterburgbräu" in Oberwohlsbach leben, kommen aus Syrien. Es interessiert sie brennend, wie Deutsche ticken, denn sie möchten peinliche Fehler bei Begegnungen vermeiden. Nezha Maghraoui erklärt ihnen die Sache mit der Pünktlichkeit und vieles mehr.
Vortrag wird zum kleinen Fest
Was als Vortrag angekündigt war, wurde rasch zu einer Art Nachbarschaftsfest. Gabriele Vogel hatte Deutsche eingeladen. Sie ist bei der Stadt Rödental für Seniorenprojekte und Konzepte zuständig. Aber seit einiger Zeit eher die Flüchtlingsbeauftragte der Verwaltung. Vor allem ehrenamtliche Helfer sollten kommen.
Es sollten ja auch Deutsche da sein, die etwas zu ihrer Kultur, zu Sitten und Gebräuchen sagen könnten. Die syrischen Familien würden auch einen kleinen Imbiss vorbereiten, hieß es in der Einladung. Unter dem "kleinen Imbiss" bogen sich beinahe die Platten der Tische im ehemaligen Gastraum des Hauses. Mit Blick auf die Besucher, die kaum Platz fanden an diesen reich gedeckten Tafeln, musste Gabriele Vogel gestehen: "Mit so viel Zuspruch haben wir nicht gerechnet." Eine positive Überraschung, wie sie betont.
Nezha Maghraoui ist ein Segen für die Flüchtlingsarbeit in der Region. Sie stammt aus Marokko. Deshalb spricht sie Arabisch und weitere Sprachen. Weil sie in Deutschland studiert hat und hier auch schon seit vielen Jahren lebt, beherrscht sie nicht nur die Sprache.
Sie hatte auch genug Zeit, zu lernen, wie die Deutschen eben so ticken.
Die Sache mit der Pünktlichkeit
"Ich habe zum Beispiel Pünktlichkeit gelernt. Etwas, das Araber so gar nicht kennen", sagt sie. Es ist keine Vorlesung in Ethnologie, was sie hält. Es ist ein lockeres Gespräch, in dem Fragen sofort beantwortet werden. Natürlich spricht sie Arabisch, denn es ist ein Vortrag für die syrischen Gäste. Ebenso natürlich erklärt sie zwischendurch den Deutschen, worum es gerade geht. Hoch interessiert sind die Zuhörer - und müssen vielfach untereinander rasch etwas besprechen. Keine ermüdende Stille, wie in einem Hörsaal. Eher ein produktives und durchaus fröhliches Gewusel. Es geht darum, sich im öffentlichen Leben zu bewegen, um das "Hallo" oder "guten Tag", mit dem Deutsche auch Fremde begrüßen, wenn sie einen Raum betreten.
Es geht darum, was es zu bedeuten hat, wenn jemand zur Begrüßung auf den Tisch klopft - eine Sitte, die kennen muss, wer sie nicht falsch interpretieren soll.
Nicht alles muss ein muslimisch erzogener und geprägter Besucher gut finden, was ihm in der deutschen Gesellschaft begegnet. "Er muss es tolerieren und nicht alles kommentieren", sagt Nezha Maghraoui. Gleichgeschlechtliche Paare etwa, die im Herkunftsland verboten wären, Körper betonende Kleidung bei Frauen ("bitte nicht anstarren!", Nezha Maghraoui) - so wie Deutsche es tolerieren, dass muslimische Frauen Kopftuch tragen oder Muslime kein Schweinefleisch essen.
Verstecktes Schweinefleisch
Ach ja, das Schweinefleisch. Es versteckt sich an vielen Stellen. Gummibärchen zum Beispiel enthalten Gelatine und die ist - richtig - aus Schweinefleisch. Käse, Jogurt - oft steht es nur im Kleinstgedruckten, dass auch da Gelatine enthalten ist.
Tipp: Einkauf in türkischen Läden. Dafür kommt aus dem Wasserhahn einwandfreies Trinkwasser. Aber Achtung! Bei öffentlichen Brunnen muss das nicht so sein. Nezha Maghraoui zeichnet das Schild "Kein Trinkwasser" auf das Clipboard. Schließlich ist auch die Schrift eine andere.
Umgang mit Müll
Sauberkeit, Ordnung und Umweltfreundlichkeit nach deutscher Vorstellung muss erst lernen, wer nicht vor Ort in diese Haltung hineingewachsen ist. PE- und Pfandflaschen, Altglascontainer und Mülltrennung sind Dinge, die schon bei manchen europäischen Nachbarn durchaus anders gehandhabt werden. Erst recht gilt das für arabische Länder.
Dann ist da die Sache mit dem Rauchen. Ein junger Mann versteht nicht, dass er in seinem Zimmer nicht rauchen darf. Die Auskunft von Nezha Maghraoui ist eindeutig: "Wenn du deine eigene Wohnung hast, für die du arbeitest, dann kannst du da auch rauchen.
Bis dahin hältst du dich an die Regeln." Übrigens dürfen Zigarettenkippen auch draußen nicht so einfach weggeworfen werden. Dafür kann der Umweltsünder Ärger bekommen. Was die Referentin auch erklärt, es gibt immer interessierte Nachfragen und Kommentare. Das Interesse ist groß. Und dann möchten auch die Gäste aus Syrien, die an diesem Abend gleichzeitig Gastgeber sind, etwas sagen. Ismail ergreift das Wort und Nezha Magrahoui übersetzt. "Bitte nehmt nicht die Leute, die schlimme Dinge tun als Beispiel für alle Flüchtlinge. Wir schämen uns für das, was diese Leute tun." Die beruhigende Antwort eines deutschen Besuchers: "Wir wissen schon, dass die Idioten gleichmäßig auf alle Völker verteilt sind."
Auch einmal die andere Sicht
Der Besuch von Nachbarn aus dem Ort, das gemeinsame Essen und die ausführlichen Erklärungen von Nezha Maghraoui brachten Flüchtlinge und Deutsche sicher ein Stück näher im gegenseitigen Verständnis. Und demnächst soll es wieder einen Vortrag geben. Diesmal mit dem Titel: "Wie ticken die Araber." Man darf gespannt sein.